Der Autor

Janna Steenfatt wurde 1982 in Hamburg geboren und absolvierte ein Studium am Deutschen Literaturinstitut Leipzig.

Sie erhielt mehrere Preise und Stipendien, so u.a. 2009 ein Aufenthaltsstipendium der Stiftung Künstlerdorf Schöppingen, 2010 ein Aufenthaltsstipendium für das Künstlerhaus Schloss Wiepersdorf, 2012 ein Werkstattstipendium der Jürgen-Ponto-Stiftung, sowie den Limburg-Preis der Stadt Bad Dürkheim und zuletzt 2013 ein Aufenthaltsstipendium der GEDOK Schleswig-Holstein.

Sie schrieb Theaterstücke und Erzählungen, die in Anthologien und Literaturzeitschriften veröffentlicht wurden und arbeitet derzeit an ihrem ersten Roman.

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| Janna Steenfatt | 2.5.2013

2.5.

Eine ehemalige Stipendiatin sagte mir, die Wohnung sei ihr zu groß gewesen, sie sei sich verloren darin vorgekommen, so ganz allein. Man stelle sich das vor! Ich lustwandle wie eine Königin durch meine Gemächer und freue mich, dass niemand außer mir hier wohnt. Arbeite mal hier, mal da. Schlafe mal hier, mal da. Hinterlasse kleine Häuflein mit Dingen, Büchern, Zetteln, Klamotten, wie es meine Art ist und niemand stört sich daran.
Die Tonleitern zu Klavierbegleitung, die eine Frau in der Wohnung unter mir seit Stunden singt, Vermischen sich mit dem Zischeln der Gasheizung, dem Rauschen des Moldauwehrs und den im Minutentakt aufheulenden Sirenen zu einem angenehmen Klangteppich.

In der Küche finde ich einen Einkaufszettel vom Vorgänger:

Honig
Wein
Eier
Butter

Das Einkaufen ist mühsam und dauert lang; ich drehe und wende die Packungen und hoffe, dass sie enthalten, was ich glaube, dass sie enthalten.
Das Brot, das ich kaufe, enthält zu meinem Leidwesen jedoch Kümmel, wie ich später feststelle.

Im Kino Svetozor sehe ich mir am Abend Django Unchained an und stelle zufrieden fest, dass um mich herum ausschließlich Tschechen zu sitzen scheinen.
Auf der Narodni betteln ein paar Punks aggressiv Touristen an, als ich später allein vom Kino nachhause laufe und kurz zweifle, ob das eine so gute Idee gewesen sei; aber mich lassen sie in Ruhe, weichen zurück, sehen es mir an, dass ich keine Touristin bin, dass bei mir nichts zu holen ist.

Ich schlafe ab heute im hinteren Schlafzimmer. Im Gegensatz zum vorderen, zwar schöneren Zimmer, das ich ab jetzt mein Arbeitszimmer nenne, funktionieren im hinteren die Jalousien und ohnehin ist es sehr dunkel und still im gelben Hof. Am Fenster gegenüber sitzt jemand vor einem MacBook und raucht, das Äpfelchen leuchtet in meine Nacht, während im Hintergrund unbeachtet ein Fernseher flackert.
Normales Leben. Das gibt es also auch, hier.

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