prag aktuellprag aktuell | Rubrik: Wirtschaft | 8.10.2013
Keine Einspeisevergütung mehr für neu installierte Anlagen ab 2014 / Strompreise sollen deutlich sinken / Von Gerit Schulze, gtai

Prag - Erneuerbaren Energiequellen stehen in Tschechien schwere Zeiten ins Haus. Neue Anlagen sollen ab 2014 keine Einspeisevergütung mehr bekommen. Ausnahmen gelten nur für kleine Wasserkraftwerke. Damit will Prag den ausufernden Förderverpflichtungen Einhalt gebieten. Für Strom aus Photovoltaik wird außerdem die 2011 eingeführte Solarsteuer verlängert. Verbraucher und Unternehmen dagegen können sich freuen: Die Strompreise sinken ab dem kommenden Jahr deutlich.

Die Novelle 310/2013 Sb. ist eine Paukenschlag für Tschechiens Stromwirtschaft. Sie ändert das Gesetz über die Förderung erneuerbarer Energiequellen (165/2012 Sb.) in wesentlichen Punkten. Wer ab 1.1.14 Anlagen in Betrieb nimmt, muss ohne staatliche Förderung auszukommen. Eine Einspeisevergütung gibt es nicht mehr - weder für Solarkraftwerke, noch für Windräder, Biogas oder Geothermie. Lediglich kleine Wasserkraftwerke mit einer Leistung von bis zu 10 MW bleiben die Ausnahme.

"Damit ist der Markt für erneuerbare Energiequellen praktisch erledigt", konstatiert Rechtsanwalt Fritjof Winkelmann von der Prager Kanzlei bpv Braun Partners. Er ist spezialisiert auf Energierecht und glaubt nicht, dass sich zurzeit in Tschechien Ökostrom ohne zusätzliche Einspeisevergütung zu Marktpreisen kostendeckend produzieren lässt.

Eine kleine Hintertür lässt der Gesetzestext jedoch offen: Wer vor dem 1.1.14 eine Baugenehmigung (Anlagen bis 100 kW) und eine Genehmigung des Wirtschaftsministeriums (sogenannte Autorisierung für Anlagen ab 100 kW) für die Stromerzeugung durch Sonne, Wind oder Biogas bekommen hat, wahrt seinen Anspruch auf Einspeisevergütungen. Dafür muss das Kraftwerk bis spätestens 31.12.15 ans Netz gehen.

Mit der drastischen Einschränkung der öffentlichen Förderung will Prag die ausufernden Zahlungsverpflichtungen gegenüber Betreibern von grünen Kraftwerken eindämmen. Allein 2013 müssen 44,4 Mrd. Tschechische Kronen (Kc; 1,7 Mrd. Euro, Wechselkurs am 1.10.13: 1 Euro = 25,65 Kc) aufgebracht werden, um die zugesagten Einspeisevergütungen zu finanzieren. Das entspricht über einem Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung. Davon belasten knapp 12 Mrd. Kc den Staatshaushalt.

Den Großteil der Summe übernehmen aber die industriellen und privaten Stromverbraucher über die EEG-Umlage, also einen Aufschlag auf den Strompreis zur Förderung der erneuerbaren Energiequellen. Diese Umlage hatte sich innerhalb von nur fünf Jahren verzehnfacht (von 52 Kc im Jahr 2009 auf 583 Kc je Megawattstunde im Jahr 2013).

Größter Einzelzahler ist die Bahngesellschaft Ceske drahy, die 2013 rund 680 Mio. Kc Umlage zu leisten hat. Dahinter folgen der Chemiekonzern Unipetrol mit 640 Mio. Kc und die tschechische Niederlassung von ArcelorMittal mit 580 Mio. Kc. Der Fahrzeughersteller Skoda Auto muss laut Zeitschrift Ekonom 340 Mio. Kc zur Förderung der erneuerbaren Energien beitragen.

Umlage für erneuerbare Energiequellen verringert sich

Ab 2014 sollen die Stromverbraucher allerdings entlastet werden. Die EEG-Umlage wird auf 495 Kc/MWh sinken. Dieser Schritt geht jedoch zu Lasten des Staatshaushaltes. Trotz aller Subventionskürzungen für erneuerbare Energien muss der Finanzminister 2014 nach ersten Berechnungen 4 Mrd. Kc mehr zu ihrer Förderung bereit stellen als 2013.

Von der Senkung der Umlage profitieren Privatverbraucher und Wirtschaft gleichermaßen. Denn anders als in Deutschland müssen sich die Unternehmen in Tschechien voll an den Umlagen zur Förderung erneuerbarer Energiequellen beteiligen. Nach Berichten der Wirtschaftszeitung E15 können allein die zehn größten industriellen Stromverbraucher 2014 durch die Absenkung 600 Mio. Kc (23 Mio. Euro.) sparen.

Der Industrieverband SP CR weist jedoch darauf hin, dass die geplante Verringerung der EEG-Umlage nicht ausreiche, um die Wettbewerbssituation der einheimischen Wirtschaft wesentlich zu stärken. Nach Angaben von Eurostat zahlen Industriebetriebe in Tschechien 2013 rund 10,1 Eurocent für eine Kilowattstunde Strom. Damit hat das Land in der Region neben der Slowakei (12,4 Eurocent je kWh) die höchsten Strompreise für die Industrie (Deutschland und Polen je 8,8 Eurocent; Ungarn 9,0 Eurocent; Österreich 8,7 Eurocent).

Entlastung ist aber nicht nur durch die niedrigere EEG-Umlage in Sicht. Die großen Stromanbieter des Landes wollen darüber hinaus 2014 ihre Grundpreise senken und so die günstigen Preise an den Strombörsen an die Verbraucher weiterreichen. Branchenführer CEZ hat angekündigt, seine Kunden um 1,5 Mrd. Kc zu entlasten. Der größte Wettbewerber Bohemia Energy will nachziehen. Experten rechnen damit, dass die Strompreise für Privathaushalte 2014 um rund 11% sinken könnten, für große Industrieverbraucher sogar um 12%.

Solarinvestoren müssen Eigentümerstruktur offenlegen

Neben der Absenkung der EEG-Zulage sind in der Novelle weitere Regelungen verankert, mit denen die Regierung die zuweilen als Wildwuchs empfundene Förderung der erneuerbaren Energien stärker reglementieren will. Dazu gehören neue Transparenzpflichten für Aktiengesellschaften, die Ökostrom erzeugen. Sie müssen ab 1.7.14 ihre Aktionärsstruktur offenlegen und alle Eigentümer benennen, die jeweils mehr als 10% Anteile besitzen. Wer Anspruch auf staatliche Förderung hat, solle auch namentlich bekannt sein, so die Begründung der Autoren der Novelle. Tatsächlich will der Staat aber durch diese Maßnahme wohl eher erfahren, ob ausländische Eigentümer hinter den Kraftwerken stehen. "Denn diese könnten dann im Unterschied zu Inländern gegen eine Verletzung von Investitionsschutzabkommen klagen", erläutert Rechtsanwalt Fritjof Winkelmann.

Grund zur Klage bietet den Investoren vor allem die Solarsteuer auf Einnahmen aus Photovoltaik-Kraftwerken. Sie war 2011 temporär eingeführt worden, um das Budget nach dem enormen Anstieg der Einspeisevergütungen zu entlasten. Im Jahr 2013 nimmt der Fiskus damit voraussichtlich 6,5 Mrd. Kc ein. Doch entgegen der ursprünglichen Zusagen wird die Steuer gemäß der Gesetzesnovelle Nr. 310/2013 Sb. auch in den kommenden Jahren weiter erhoben. Sie gilt ab 2014 allerdings nur noch für 2010 ans Netz genommene Anlagen und sinkt von 26 auf 10%.

Dennoch haben 40 in- und ausländische Solarkraftbetreiber gegen den Staat Klage eingereicht. Sie fordern 3,3 Mrd. Kc, um die Schäden durch die nachträglich eingeführte Solarsteuer zu kompensieren. Die Amortisationszeit vieler Anlagen hatte sich erheblich verlängert, wodurch etliche Finanzierungspläne ins Wanken gerieten. Außerdem ist der Wert der Unternehmen gesunken und ihre Refinanzierungskosten haben sich erhöht, erklärt Rechtsexperte Winkelmann. Er sieht gute Chancen, dass die Klagen der Solarkraftbetreiber vor internationalen Arbitragegerichten Erfolg haben.

Die am 2.10.13 veröffentlichte Gesetzesnovelle enthält noch einen weiteren kritischen Punkt. In § 28 wird bestätigt, dass Unternehmen, die Strom für den Eigenbedarf selbst produzieren, für diesen auch die EEG-Umlage zahlen müssen. Das betrifft zum Beispiel den Chemiekonzern Unipetrol oder den Stahlkocher ArcelorMittal, die eigene Kraftwerkskapazitäten haben. Dennoch zahlen sie für die selbst erzeugten und verbrauchten Kilowattstunden die Umlage. Rechtsanwalt Fritjof Winkelmann glaubt nicht, dass diese Regelung lange Bestand haben wird, weil sie nicht mit europäischem Recht vereinbar sei.

In Europa gehe der Trend hin zu Energiegenossenschaften, die Strom für den eigenen Verbrauch und für die Selbstvermarktung produzieren. Solche Modelle werden sich mehr und mehr in Tschechien durchsetzen. Der Wegfall der Einspeisevergütung könnte dem sogar Vorschub leisten und eine neue Chance für erneuerbare Energiequellen bieten.

Themen: Energiewirtschaft, Photovoltaik, Strompreise, gtai
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