prag aktuellprag aktuell | Rubrik: Feuilleton | 2.10.2019
Der tschechische Pianist Jan Bartoš zeigt auf zwei CDs, wie sich ein Jahrhundert zusammenzieht / Von Michael Magercord

Prag - Das Klavier ist die Königin der Instrumente. Und doch gelten die Klavierwerke der berühmten Komponisten oft nicht viel mehr als Studien für ihre wahrhaft großen Werke. Dabei entspinnt sich gerade an der kleinen Form ihre tatsächliche Sensibilität. Zumal, wenn sie von einem sensiblen Pianisten gespielt werden wie Jan Bartoš.

Ludwig van Beethoven, wer kennt nicht seine Symphonien – und natürlich auch einige seiner Klavierwerke. Die Mondscheinsonate etwa oder das Stück, von dem jeder Klavierschüler zumindest die ersten drei Takte beherrscht: Für Elise. Aber dies ist es natürlich nicht, was Jan Bartoš auf seiner Doppel-CD eingespielt hat. Der tschechische Pianist stellte die Werke nach einem überlegten Konzept zusammen. Zwar vollziehen sich die Sonaten und Variationen in chronologischer Reihenfolge, doch folgt jedem Werk eines, das eine Weiterentwicklung zum vorherigen darstellt. So ist zwar die berühmte "Appassionata" dabei, nicht aber die Sonate Nr. 31, in der Motive aus der 9. Symphonie verarbeitet wurden.

Beethoven war der erste Komponist, der ausdrücklich darauf verwies, seine Sonaten seien auf einem Hammerklavier zu spielen. Zuvor war das Cembalo das Instrument der kontrapunktischen Komponisten, doch das Piano Forte erweitere nun dessen kurzen und präzisen Klang sowohl um lange Schwingungen und Bögen, als auch die Möglichkeit, durch Tastendruck und Pedalbetätigung große Unterschiede in der Intensität und Lautstärke zu erzeugen. Dem oftmals wuchtigen und bestimmten Klassiker Beethoven kam die Hammertechnik sehr entgegen.

Wir wissen natürlich nicht, wie der Komponist seine Werke spielte. Jan Bartoš betont in seiner Einspielung und auf seinen Konzerten die andere, die feine und gefühlige Seite Beethovens. Insbesondere in dessen letzter Sonate Nr. 32 erhebt seine Interpretation die streichelnde Höhen und fugenartigen Bässe des Arietta-Satzes in eine außerweltliche Sphäre. Man vermeint zu verstehen, warum der Schriftsteller Aldous Huxley, Autor der apokalyptischen "Schönen neuen Welt", dieses bald halbstündige Klavierwerk als "die größte Philosophie aller Zeiten" bezeichnete.

Bald einhundert Jahrhundert später wirkte Leoš Janáček, der vor allem als Opernkomponist international bekannt wurde und bis heute zu den bedeutendsten Musikschaffenden der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts gehört. Sein Klavierwerk ist zwar nicht sehr umfangreich, gehört aber zu den richtungsweisenden der Gattung. Und zu den sensibelsten, ist also gerade das Richtige für einen Pianisten wie Jan Bartoš. Auf seiner neuesten CD hat er unter anderem die beiden großen Zyklen "Im Nebel" und „Auf überwuchertem Pfad“ eingespielt. Und zwar so einfühlsam, dass man vermeint, auf den melancholischen Wanderungen durch den mährischen Herbst dabei zu sein.

Wer nun auch wirklich dabei sein will, dem bieten sich bis zum Jahresende einige Gelegenheiten bei Konzerten von Jan Bartoš. Das erste bereits am 5. Oktober bei einem Klavierseminar in Litvínov und eine Woche später auf dem internationalen Festival von Opočno. Auftritte in Prag und Brünn folgen im November – wenn es dann wirklich neblig ist. (mm)

 

Weiterführende Links:

Alle Konzertdaten von Jan Bartoš: www.janbartospianist.com/schedule

Informationen und Hörbeispiele aus beiden CDs:

Beethoven-Klaviersonaten: www.supraphon.com/album/397441-beethoven-piano-sonatas

Janáček - Klavierwerke: www.supraphon.com/album/467827-janacek-piano-works

Weitere Infos: www.janbartospianist.com
Bildnachweis:
© Antonín Kratochvíl (Supraphon)
Themen: Musiker, Jan Bartoš, Leoš Janáček, klassische Konzerte, Musikkritik
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