Der Autor

Kurzbiografie: 
KK, geb. im niedersächsischen Celle (Deutschland). Nach kaufmännischer Ausbildung und einigen Berufsjahren - bei verschiedenen Versicherungsgesellschaften in Hannover - Studium der Germanistik (Geschichte/Politik) und Mathe/Informatik in Hannover.

1988 Reise in die USA zu journalistischen Recherchezwecken über die ersten Forschungsergebnisse in der Gen-Forschung/Altersforschung/Gerontologie (u. a. an der Johns-Hopkins University in Baltimore/Maryland und University of Florida in Gainesville).

Frühes Interesse an der Prager deutschen Literatur. 1996: Praktikant an der Karls-Universität Prag, 1997: Praktikant bei der Prager Zeitung. Dozent für DaF u. a. am Goethe-Institut Göttingen (seit 2006) und Goethe-Institut Prag (2012/13).

2001/2002 Assistant Professor an der Han-Nam University in Daejon/Süd-Korea.

Wissenschaftliche Veröffentlichungen und Mitarbeiten u. a.:

-Kountouroyanis, Konstantin. Der fernöstlich-deutsche Literaturtransfer unter dem Eindruck des Ukraine-Krieges, in DaF-Szene Korea - Vom Gehen, Kommen, Bleiben. Berlin/Seoul: Lektoren-Vereinigung Süd-Korea - FALK e.V., 2023, Bd. 57, S. 95 - 108
- Kountouroyanis, Konstantin: Über Rudolf Fuchs’ letztes unvollendetes Projekt im Londoner 
Exil: Der Deutsche Almanach aus der Tschechoslowakei,
in: Brünner Beiträge zur Germanistik 
und Nordistik, Nr. 37/1, Brno 2023, S. 47-68 
- Kountouroyanis, Konstantin: Von der Expressionismus-Debatte zum „post-expressionistischen Film“ - Kristin Eichhorn und Johannes S. Lorenzen geben regelmäßig erscheinende Aufsatzsammlungen zu expressionistischen Themen heraus, in: Literaturkritik im Verlag Literaturwissenschaft/Marburg, 07/2023, ISSN 1437-9309
- Kountouroyanis, Konstantin: Prag im | Feuilleton | in Prag (Internationaler Workshop in Prag v. 20.–22.9.2018), Konferenzbericht, in: Zeitschrift für Germanistik, hrsg. vom Institut für deutsche Literatur der Humboldt-Universität zu Berlin, Neue Folge XXIX, Bd. 65, 2019, S. 404 - 406
- Konstantin Kountouroyanis/Gerhard Lauer: "Rudolf Fuchs über Franz Kafka - Eine unbekannte Werkbeschreibung aus dem Londoner Exil 1942". In: Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft, Internationales Organ für Neuere deutsche Literatur, Band 62, 2018, Seite 61 - 74, November 2018
- Konstantin Kountouroyanis: Rezension zu Suttner im Kontext – Interdisziplinäre Beiträge zu Werk und Leben der Friedensnobelpreisträgerin, in: Institut für Literaturforschung Prag. 23. Mai 2018
- "Suttner im KonText - Interdisziplinäre Beiträge zu Werk und Leben der Friedensnobelpreisträgerin", Johann Georg Lughofer (Hg.), Milan Tvrdík (Hg.) unter Mitarbeit v. Konstantin Kountouroyanis, Heidelberg 2017

Journalistische und schriftstellerische Tätigkeit seit dem 16. Lebensjahr. Tätigkeiten als Fotograf und Mediendesiger (Webdesigner/Programmierer).

Zu meinem Kontaktformular (wegen DSGVO geschlossen).

Zu meinem Privat-Blog geht es hier: Konstantin John Kowalewski

Im Internet: Masaryk-Universität BrünnMasaryk-Universität Brünn | Karls-Universität Prag - Kurt Krolop ForschungsstelleKarls-Universität Prag - Kurt Krolop Forschungsstelle | Hannam University Daejeon (Süd-Korea)Hannam University Daejeon (Süd-Korea) | LiteraturkritikLiteraturkritik | Mitglied in der Lektorenvereinigung KoreaMitglied in der Lektorenvereinigung Korea | Berkeley University of CaliforniaBerkeley University of California | Suttner im KonTextSuttner im KonText

Weitere Einträge

Foto-Ausstellung zeigt seltene Einblicke in das Kafka-Colloquium von 1992
Ein Vortrag von Hans Dieter Zimmermann in der Jerusalem-Synagoge
Nächste Vorlesung am 24.06.2024 in der Jerusalem-Synagoge
Vortrag im Prager Literaturhaus deutschsprachiger Autoren
Mehrfach ausgezeichneter Journalist und Schriftsteller starb am vergangenen Samstag
Der fernöstlich-deutsche Literaturtransfer unter dem Eindruck des Ukraine-Krieges
Brünner nahmen interessiert die Vortragsreihe zu Hermann Ungar und Franz Kafka auf.
Vortrag von Prof. Renata Cornejo im Österreichischen Kulturforum Prag
Rede und Podiumsdiskussion von und mit Katrin Göring-Eckardt und Mons. Tomáš Holub in der Deutschen Botschaft Prag
Am 09.05.2023, 14:00 liest Stanislav Struhar aus seinem Buch: "Das Gewicht des Schattens" in Ústí nad Labem am Lehrstuhl für Germanistik, FF UJEP, Pasteurova 13
Trotz Corona konnten zahlreiche interessante tschechische Künstler*Innen ihre Arbeiten in Prag der Öffentlichkeit präsentieren.
Eine Rezension zu Theodor W. Adornos posthum erschienenem Vorlesungsmanuskript „Aspekte des neuen Rechtsradikalismus“ von 1967.
Nicht nur die USA haben ein Rassismusproblem. Nach der mittlerweile scheinbar endlosen Kette von „Einzelfällen“ rechtsmotivierter Gewalttaten in Deutschland, meldet sich NDR-Journalist Michel Abdollahi mit einem emotionalen Erfahrungsbuch zu Wort.
Mariensäule auf dem Altstädter Ring wiedererrichtet
Wie sein Herausgeber Gert Ueding der Presse am Donnerstag mitteilte, sei der umstrittene Autor gestern in Berlin gestorben.
Der Dramaturg, Schriftsteller und Journalist Anselm Lenz wurde am 1. Mai in Berlin verhaftet. Er soll einen Stoß Zeitungen nach der Polizei geworfen haben.
Jürgen Serke und Milan Uhde zu Gast im Prager Literaturhaus deutschsprachiger Autoren
Jürgen Serke und Milan Uhde im Dialog über ihre Erinnerungen nach 1968 in der ČSSR
Eine unterhaltsame Biografie über den scharfsinnigen Autor des literarischen Realismus wurde im Prager Literaturhaus vorgestellt
Das Schicksal der Prager deutschen Schriftsteller in japanischer Übersetzung – Autor und Übersetzer treffen sich im Prager Literaturhaus deutschsprachiger Autoren
Veranstaltungshinweis: Jürgen Serke, Prof. Hiroshi Asano und Robert Krumphanzl zu Gast im Prager Literaturhaus deutschsprachiger Autoren
Teil 2 – Erste Station: Tschechoslowakei – „Prag war zeitweilig von Spitzeln übersät.“
Teil 1 - Die Exilländer: Eine erste Übersicht
Am 15./16. März 1939 besetzten deutsche Truppen die Tschechoslowakei. Bis zu diesen Tagen war die Masaryk-Republik Asylland für mehr als 10.000 Emigranten. Nun wurden auch Tschechen selbst zu Verfolgten.
Vortrag über F.C. Weiskopfs „Das Slawenlied“. Roman aus den letzten Tagen Österreichs und den ersten Jahren der Tschechoslowakischen Republik
Internationale Konferenz zum Prag-Bild der deutsch- und tschechischsprachigen Prager Presse des Fin de Siècle
Mit der Germanistin Petra Grycová auf den Spuren von Kafka, Kisch und Werfel
Prager Literaturhaus deutschsprachiger Autoren lädt zum Vortragsabend ein
Die Karls-Universität Prag und die Universität Wien veranstalten eine gemeinsame dreitägige Konferenz zu Charles Sealsfield
Internationale Literaturwissenschaftler/-innen laden zur Vortragsreihe im Österreichischen Kulturforum Prag ein
Internationales Ensemble „Dreikronentruppe“ führte Frank Wedekinds gesellschaftskritisches Drama von 1891 auf
Tomáš Kafka und Tomáš Kraus besuchten internationale Tagung über verfolgte Künstler in Solingen
Neuer interdisziplinärer Band beleuchtet Werk und Leben der in Prag geborenen Friedensnobelpreisträgerin Bertha von Suttner
Wie ein Literaturwissenschaftler aus Tokio beschloss die Geschichte der Prager deutschen Schriftsteller ins Japanische zu übersetzen
Lesung im Österreichischen Kulturforum Prag
Buchvorstellung in der Maisel-Synagoge Prag mit Lesung von Gedichten von Camill Hoffmann, Rudolf Fuchs und Franz und Hans Janowitz
Buchbesprechung: Gustav Meyrink. Ein Leben im Bann der Magie (Monografie)
Ein Vortrag zum medialen Bild der Lenka Reinerová im Prager Literaturhaus
Akos Domas „Der Weg der Wünsche“ im Prager Literaturhaus deutschsprachiger Autoren
Lesung im Prager Literaturhaus deutschsprachiger Autoren
Eine Rezension zu Jaroslav Durychs Reiseerzählung „Unerkannt durch Deutschland“
Vortrag im Prager Literaturhaus deutschsprachiger Autoren
Ein Gedenkabend für die Journalistin, Schriftstellerin und Mahnerin, der vieles genommen wurde, nie aber ihr Lebensmut
Der Autor Josef Formánek beschreibt in seinem neuen Buch eine fragwürdige Gestalt, die das Leben schuf
Buchvorstellung im Prager Literaturhaus deutschsprachiger Autoren
Vortrag von Dr. Lucie Merhautová im Prager Literaturhaus deutschsprachiger Autoren
Ein Werkstattbericht aus den Archiven Europas zum 140. Geburtstag des Dichters aus Prag
Eine Mischung aus "Robinson Crusoe" und "Apollo 13"
Neue Anthologie stellt Erzählungen nahezu vergessener deutschmährischer Autoren vor
Zum Tod eines zeitlosen Kritikers - Ein Nachruf auf Ludvík Vaculík
Zum 85. Geburtstag des Germanisten Prof. Dr. Kurt Krolop
Das Forschungsfeld „Prager deutsche Literatur“ wird neu aufgerollt
Egon Erwin Kisch: Ein Günter Wallraff der 20er Jahre
Zu Václav Petrboks Vortrag über seine Forschungen zu einem Prager Dichter

Blog

| Konstantin Kountouroyanis | Rubrik: Kultur | 17.3.2017

Karl Brand und die „Rückverwandlung des Gregor Samsa“

Vor 100 Jahren starb der Autor, der Kafkas Käfer-Gestalt wieder auferstehen ließ.
  • Bildautorin: Jarmila Opletalová / Quelle: Archiv der Arbeitsstelle für deutschmährische Literatur

Fragt man Kulturjournalisten welche Dichter in Prag lebten, so werden durchgängig drei Namen zitiert, nämlich Franz Kafka, Rainer Maria Rilke und Franz Werfel. Doch Prag hat mehr hervorgebracht als lediglich drei - wenngleich ohne Frage großartige - Dichter. Kafka, Rilke und Werfel sind im Grunde die heutigen Galionsfiguren einer literarischen Bewegung, zu der mehr als 120 deutschsprachige Schriftsteller zählten und von denen Max Brod bereits 1966 in seinem Erinnerungswerk „Der Prager Kreis“ berichtete.


Originaltext: Die Rückverwandlung des Gregor Samsa, im Prager Tagblatt vom 11. Juni 1916, S. 18

Karl Brand war einer von ihnen und er wäre wahrscheinlich auch gänzlich unbekannt geblieben, wenn er sich nicht in einem seiner Texte auf die „Verwandlung“ von Franz Kafka bezogen hätte. Allein der Titel verrät Brands genialen literarischen Schachzug, der da lautet: „Die Rückverwandlung des Gregor Samsa“.  Umso enttäuschender ist die Textlänge. Gerade mal vier Seiten ist der Text des expressionistischen Autors lang, der am 11. Juni 1916 im „Prager Tagblatt“ erschien. Während in der Kafkaschen „Verwandlung“ der Käfer Gregor Samsa eines Morgens zu Tode „krepiert“ ist, wie die „Bedienerin“ gegen Ende des Textes verkündet, erwacht in der Brandschen „Fortsetzung“ Gregor Samsa auf einem „Kehrichthaufen“ und beginnt sich auf unerklärlicheweise zu einem Menschen zurückzuverwandeln. Am Ende der rückläufigen Metamorphose und auch des Textes heißt es:

„Und Gregor Samsa erhob sich und ging. Seine Schritte waren langsam, aber fest und unerbittlich. Und als er zu den ersten Häusern der Stadt gelangte, schrieen ihm die Häuserzeilen zu:

‚Ein neues Leben beginnt!‘ “

Überdeutlich spricht aus diesen Zeilen Brands Hunger nach einem sorgenlosen Leben in einem gesunden Körper, denn während er diese Zeilen zu Papier brachte, lief seine eigene Lebenszeit unerbittlich ab. Es war auch das Jahr 1916, als eine Lungentuberkulose bei ihm diagnostiziert wurde, also genau die Krankheit, an der später auch Franz Kafka starb. Gespürt haben musste Brand schon lange die ständigen Fieberschübe und Schweißausbrüche, denn in einem Brief an Antonín Macek (tschechischsprachiger Journalist, Schriftsteller und Dichter: 17. Juni 1872 Mladá Boleslav – 22. Mai 1923 Prag) schrieb Karl Brand:

„Ich liеß mich untersuchen [...]. Die Diagnose ist -- Tuberkulose!!! Ich habe längst gеwußt, daß ich tuberkulös bin, aber doch glaubte ich nicht recht daran. Nun habe ich die furchtbare Gewissheit. Ich verzweifle nicht. Ich will mich nun schonen, wenn mir noch Schonung nützt.“

In einer Zeit, vor der Entdeckung des Penicillins, schlug eine solche Nachricht gleichsam einem Todesurteil ein. Die Tuberkulose ist es auch, weswegen der Autor sich selbst das Pseudonym „Brand“ gab.  Mit bürgerlichen Namen hieß er Karl Müller.


In diesem Haus in der Prager Brückengasse (Mostecká ulice) starb am 17.03.1917 jung und unbekannt der Dichter Karl Brand. Foto: Kountouroyanis

Was macht eigentlich Karl Brands Rückverwandlungstext so interessant? Bevor Karl Brand seine eigene „Rückverwandlung“ niedergeschrieb, musste dieser mit Sicherheit „Die Verwandlung“ von Franz Kafka gelesen haben, die 1912 entstand und erstmals im Oktober 1915 in der von René Schickele herausgegebenen Zeitschrift „Die weißen Blätter“ erschien. Die heute viel bekanntere Erstausgabe in Buchform erschien bei Kurt Wolff im Dezember 1915 in der Reihe „Der jüngste Tag“. Viel Zeit jedenfalls blieb Karl Brand nicht, denn die schnell fortschreitende Tuberkulose sollte ihn bereits in weniger als 10 Monaten dahinraffen. Umso erstaunlicher ist seine Produktivität. Karl Brands „Rückverwandlung“ ist also nur einer von vielen Texten, die der junge Autor schrieb. Ein weiterer Text Karl Brands („Novelle im Traum“) ist 2015 im deutsch-tschechischen Band in der von Lukáš Motyčka und Barbora Veselá hrsg. „Anthologie der deutschmährischen Literatur“ erschienen. Doch die Nähe zur Kafkaschen „Verwandlung“ macht Brand auch aus heutiger Sicht enorm interessant. Vergleicht man außerdem Karl Brands Familienverhältnisse mit denen des bei Kafka beschriebenen „Gregor Samsas“, so fallen frappierende Ähnlichkeiten auf. Hier wie dort lässt sich bereits auf den ersten Blick ein junger Mann finden, der der eigenen Familie eine Last aufbürdet und somit für sie unerträglich ist. Sein Tod wäre ein Befreiungsschlag für die Familie. Dies lässt sich an Gregor Samsas Familie recht einfach konstatieren. Bei Karl Brand ist es seine schwere Lungenkrankheit, die enormen Kosten für die medizinische Behandlung und die ohnehin bescheidenen Verhältnisse der Familie auf der Prager Kleinseite. Karl Brand lebte in dem Gebäude, das heute mit der Hausnummer 1 in der Mostecká (nahe Malostranské náměstí) steht und in den Geschichtsbüchern mit „Palais am Kleinseitner Ringplatz“ beschrieben wird.


Lukáš Motyčka/Barbora Veselá (Hrsg.): Anthologie der deutschmährischen Literatur / Antologie německé moravské literatury. Univerzita Palackeho Olomouc 2014, dt. Band 590 Seiten/tsch. Band 526 Seiten, ISBN: 978-80-244-4225-9

Die Lebensumstände um 1917 waren für die Familie alles andere als palaisartig. Nach den Erinnerungen des ehemaligen Prager Tagblatt-Korrespondenten und Mitglied des Pressebeirats der Deutschen Botschaft Prag sowie den Recherchearbeiten des Literaturwissenschaftlers Hartmut Binders („Prager Profile - Vergessene Autoren im Schatten Kafkas“, Berlin 1991) soll Brands Vater nachts in einer Bäckerei gearbeitet, die Mutter sich als Zugehfrau und Wäscherin betätigt und seine Schwester in einem Advokatenbüro gearbeitet haben. Vergleicht man diese Familienverhältnisse mit denen der Familie des „Gregor Samsas“, so findet man in der Tat erhebliche Übereinstimmungen. So heißt es z. B. in der „Verwandlung“ wortwörtlich: „[...] die Mutter nähte, weit unter das Licht vorgebeugt, feine Wäsche für ein Modengeschäft; die Schwester, die eine Stellung als Verkäuferin angenommen hatte, lernte am Abend Stenographie und Französisch, um vielleicht später einmal einen besseren Posten zu erreichen.“ Dass sich Karl Brand selbst als „Parasit“ der Familie sah, bezeugt eine interessante Textstelle in dem „Vermächtnis eines Jünglings“ [hrsg. von Johannes Urzidil mit einem Vorwort von Franz Werfel. Strache, Wien/Prag/Leipzig 1920 [recte 1921] (Klaus Reprint, Nendeln 1973)], in der er selbst die Erklärung dafür gibt, warum die Schwester des Protagonisten es vermeidet ihren Freund nach Hause zu bringen. „Mein Gehuste könnte ihn abschrecken. Alle arbeiten meinetwegen, denn ich bin ja der Parasit, der das Geld aufzehrt, das man zurücklegen oder sinnvoll verbrauchen könnte. Ich liege da oder krieche herum, wanzen- und mistkäferartig und zu nichts gut.“ (Nebenbei sei angemerkt, dass Karl Brands eigene Schwester tatsächlich es vermied, ihren Freund mit nach Hause zu bringen.) Von hier aus ist es nur noch eine „Sprungmarke“ zu Gregor Samsa entfernt, der „eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte“ und „sich zu einem ungeheuren Ungeziefer verwandelt“ in seinem Bett wiederfindet. Die Frage, wer wen literarisch beeinflusste, scheint auf den ersten Blick klar erkennbar zu sein. Für einen vom Tode Gezeichneten könnte die „Rückverwandlung“ geradezu als Hoffnung auf eine wundersame Heilung einer zum damaligen Zeitpunkt unheilbaren Krankheit verstanden werden. Doch Hartmut Binders Forschungen zeigen, dass es sich nicht ganz so einfach verhält. Auch Franz Werfel beschrieb in seiner 1931 erschienenen Erzählung „Kleine Verhältnisse“ Zustände des Unterschichtenmilieus. Johannes Urzidil war es dann, der in seinem Nachwort darauf aufmerksam machte, dass Werfel mitunter auch die Verhältnisse der Familie Brand in der Erzählung charakterisiert habe.

So könnte Karl Brand ausgesehen haben.
Dr. Lukáš Motyčka von der Arbeitsstelle für deutschmährische Literatur in Oloumoc (Olmütz) merkt an, dass die Zeichnung nach historischen Quellen und Berichten nachempfunden wurde.

Bildautorin: Jarmila Opletalová / Quelle: Archiv der Arbeitsstelle für deutschmährische Literatur


In einer Textstelle heißt es bei Werfel: „Ich wеiß ja, daß ich hier der Niemand bin! Ich weiß ja, dаß ich von euch nur geduldet und ausgehalten werde! Ihr seid zu gar nichts verpflichtet. Jeder Bissen, den ich esse, würgt mich. Aber alles wird anders werden. Ihr sollt noch staunen.“ (Franz Werfel: Der Tod des Kleinbürgers und andere Erzählungen, 3. Aufl., Frankfurt/Main 1981, S. 225) Vielleicht hatte Kafka mit der „Verwandlung“ nie beabsichtigt, seine eigenen Familienverhältnisse zu beschreiben und Generationen von Deutschlehrern und Literaturwissenschaftlern hätten sich gründlich geirrt. Vielleicht war Franz Kafka von Karl Brands Schicksal und seinen Familienverhältnissen so ergriffen, dass er mit der „Verwandlung“ im Grunde nur versuchte ein junges Genie und seinen Lebensweg vorweg zu beschreiben, das von seiner Familie missachtet wurde und dem es nie vergönnt war, nach Kairo zu reisen, was sich Karl Brand zeitlebens gewünscht hatte, sondern stattdessen jung und unbekannt in einem kalten und feucht-modrigen Haus auf der Prager Kleinseite am 17. März 1917 an einer unheilbaren Krankheit dahinzusiechen.


Konstantin Kountouroyanis, 17.03.2017
Artikellink: http://prag-aktuell.cz/blog/karl-brand-die-rueckverwandlung-des-gregor-s...
Der o. g. Text wurde bereits, allerdings in stark abgeänderter und gekürzter Form, in der Prager Zeitung am 16. Juli 2015 auf Seite 18 veröffentlicht.
 

Auch interessant