Prag - Am 29. Januar kamen die Ministerpräsidenten Tschechiens (Initiator und Gastgeber des Gipfels) und der Slowakei mit dem Bundeskanzler Österreichs in Slavkov, dem historischen Austerlitz, zu einem Treffen zusammen. Einer der Gründe für die Zusammenkunft war der Diskurs über Russland und die Ukraine-Krise.
Darüber hinaus standen aber auch andere politische Themen auf der Tagesordnung. Zum Abschluss der Gespräche wurde eine gemeinsame Erklärung (Slavkover Deklaration) abgegeben, in welcher der Willen bekundet wurde, sich zukünftig einmal im Jahr zu treffen, um die Kooperation in Bereichen wie Europa, Verkehr, Energie, Arbeitsmarkt, Bildung und Wissenschaft zu verbessern. Dieses neue Format der regionalen Zusammenarbeit wird als Nord-Trilaterale (NT) bezeichnet.
Soviel zur Übersicht, aber die spannende Frage ist: Warum haben sich diese drei Staaten für eine eigene Gruppe der Zusammenarbeit entschieden? Hätte man stattdessen nicht Österreich näher an die Visegrád-Gruppe (V4) heranführen können, wie es zum Beispiel schon der tschechische Präsident Zeman letztes Jahr vorschlug?
Es ist zunächst erfreulich, dass sich die drei Länder entschieden haben, enger zu kooperieren. Das war lange nicht selbstverständlich, weil die Beziehungen zwischen Österreich und seine beiden Nachbarstaaten oft durch Meinungsverschiedenheiten geprägt wurden. Insbesondere die tschechische und slowakische Bereitschaft, in Atomkraft zu investieren war und ist für Österreich – das entschieden gegen neue Atomkraftwerke ist – oft ein großes Problem. Die Nord-Trilaterale ermöglicht aber nun eine Normalisierung der Beziehungen auch in diesem Bereich.
Dennoch hätte diese Annäherung auch im Rahmen der V4 stattfinden können. Es liegt deshalb die Vermutung nahe, dass die Entstehung der Nord-Trilaterale möglicherweise ein Resultat von Unstimmigkeiten innerhalb der V4 ist.
Tatsächlich hat vor allem der Ukraine-Konflikt gewisse Differenzen aufgezeigt, und dies in erster Linie in Bezug auf den Umgang mit Sanktionen gegen Russland. Polen vertritt in diesem Zusammenhang einen anderen Standpunkt als Tschechien und die Slowakei. Österreich hingegen sieht die Sanktionspolitik ähnlich wie seine beiden Nachbarstaaten. Alle drei Länder sind überzeugt, dass eine Ausweitung der Sanktionen keine Lösung bringt. Somit ist zu diesem Zeitpunkt ein Konsens innerhalb der NT-Gruppe einfacher zu erreichen als zwischen den Visegrád-Staaten.
Außerdem sind die Regierungschefs Faymann, Sobotka und Fico zugleich auch sozialdemokratische Parteivorsitzende in ihrem jeweiligen Land, was einen einfachere Verständigung bei sozialpolitischen Themen ermöglicht. In Polen und in Ungarn dagegen regieren liberal-konservative, beziehungsweise rechts-konservative Parteien. Dieser Umstand könnte zudem erklären, warum Ungarn bei diesem trilateralen Gipfel nicht eingeladen wurde, obwohl die ungarische Regierung ähnliche Interessen hat und das nicht nur bezüglich der Sanktionspolitik. Die tschechische und slowakische Zurückhaltung gegenüber der ungarischen rechts-konservativen Politik, im Rahmen der V4, scheint obendrein diesen Eindruck der gewünschten Distanz in punkto Nord-Trilaterale zu bestätigen.
Folglich haben unterschiedliche Ansätze der V4-Staaten effektiv dazu geführt, dass es Schwierigkeiten gibt, sich politisch abzustimmen. Eine Aufnahme Österreichs in die Visegrád-Gruppe wäre deshalb kaum das geeignete Mittel, um Einigkeit zu schaffen. Ganz im Gegenteil, eine mögliche Erweiterung der V4 könnte zurzeit wie ein Sprengmittel wirken. Da aber für Tschechien und die Slowakei ein besseres Verhältnis mit Österreich (und umgekehrt) von Interesse ist, bot die Einrichtung der NT eine gute Möglichkeit, um einerseits die gegenseitigen Beziehungen zu vertiefen, und anderseits ein neues Spannungsfeld in der V4 zu vermeiden.
Im Endeffekt ist die NT daher nicht als Konkurrenz zur V4 zu sehen, sondern eher als Ergänzung. Es ist sehr gut möglich, dass in Zukunft die NT in der Visegrád-Gruppe aufgehen wird, nachdem die politischen Spannungen in Mittelosteuropa überwunden wurden.