Autorenblog

Blog der Autoren

11. November 2016

Keine Chance, etwas zu verstehen oder aus einer mir geläufigen Sprache abzuleiten, um wenigsten eine Ahnung davon zu bekommen, was gemeint sein könnte. Aber es gibt keinen Weg, der (beispielsweise) von Knihkupectvi zu Buchhandlung, bookstore, libreria, librairie führt. Und die Flüsse - die Themse, der Hudson, die Seine, der Tiber, die Moskwa in allen Sprachen bleiben sie sich gleich oder lauten doch so, dass man sie wieder erkennt, die Moldau dagegen, die viel gerühmte, seit meiner Jugend wandern an ihrem Grund die Steine, das, o Vltava, lässt sich in meinem Kopf nicht mehr ändern.

10. November 2016

Eigentlich drei Flüsse, an dieser Stelle zumindest: Der (von mir aus) vordere, der kanalähnlich zwischen der Masarykovo und der Slaweninsel unter der auf Pfeilern im Wasser stehenden Mánes-Galerie hervorkommt; der mittlere, durch das breite Wehr für den großen Schiffsverkehr gesperrte; und, auf der Smíchov-Seite, der schmale Wasserstreifen hinter der Detský-Insel, durch deren Bäume abends manchmal die neonblauen Lichter eines vorüber gleitenden Ausflugsschiffs zu sehen sind.

9. November 2016

Um halb sechs den Laptop eingeschaltet, die US-Wahl. Trump führt, zum Schrecken der im Studio versammelten Experten (darunter des ehemaligen Botschafters in Washington) mit 244 zu 209 Wahlmännerstimmen. Damit ist klar: er wird gewinnen. Gegen neun, als ich den Laptop erneut einschalte, die Gewissheit. Clinton hat die Niederlage bereits eingestanden. Auf dem Schirm das Bild des selbstsicher grinsenden Siegers, und auf einmal wird, als reichte es jetzt, der Bildschirm schwarz, der Laptop schaltet sich aus. Er weigert sich weiter mitzuspielen. Zur großen Katastrophe kommt die kleine.

8. November 2016

Vom Schreibtisch aus (sagte ich das schon?) geht der Blick auf die vorm Fenster vorbei fließende, jetzt aber zu gekräuseltem Blei erstarrte Moldau hinüber zur Kleinseite, die trotz der dort aufragenden Burg so heißt, als sei das ein Nichts und nicht der Hradschin, Jahrhunderte lang Sitz dreier Kaiser, diverser Könige, Fürsten, Diktatoren und seit einiger Zeit auch (in dieser langen Reihe von Unterdrückern und Blutsaugern kaum ins Gewicht fallend) demokratischer Präsidenten … und gegenüber, nein, leicht nach links versetzt, Smíchov, wo Siegfried Kapper geboren wurde, der Arzt und Schriftstel

5. November 2016

Das von den Spaziergängern auf dem Uferweg immer wieder fotografierte Haus mit der verspielten Jugendstilfassade, auf der zwischen den Fenstern des ersten und zweiten Stocks in goldenen Buchstaben das Wort Hlahol prangt, die altslawische Bezeichnung für Huldigungs- oder Festlied, die (wie ich nachgelesen habe) zum Namen des 1861 zur Förderung der nationalen Bestrebungen gegründeten und seit 1905 in diesem Haus ansässigen Gesangvereins wurde -

Pragtag 8

Offenbar muss ich froh sein, dass mein Treffen mit dem Dalai Lama so glimpflich ausgegangen ist. Aber kann das wirklich sein? Dass ein 88-jähriger Holocaust-Überlebender aus Kanada anreist, weil er den höchsten Staatsorden verliehen bekommen soll, und diese Zeremonie dann gestrichen wird? Dass Jiří Brady bestraft wird, weil sein Neffe den Dalai Lama im Kulturministerium empfangen hat? Aber ich musste auch schon lernen, dass sich der Finanzminister in bester Berlusconi-Manier Zeitungen kauft.

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Pragtag 7

Die Moldau ist ein einziges Wasserbett. Zumindest, wenn man zorbt. In Prag, als Metropole am Beat der Zeit, kann man selbstverständlich Zorbing erproben - also in einer luftgefüllten Plastikkugel übers Wasser wandern. Oder eben drin liegen. Meistens letzteres. Denn für das richtige Jesus-Feeling muss man sich ziemlich anstrengen. Nicht umsonst zog es der Atheist Brecht vor, das Wandern – von was auch immer – auf dem Grund der Moldau zu verorten. Nicht auf deren Oberfläche.

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Pragtag 6

Recherche in Plzeň, der Stadt mit den vielen Superlativen. Höchster Kirchturm Böhmens, bestes Bier der Welt, kürzester Mittelpunkt des Habsburger Reiches: knapp zwei Jahre residierte hier Rudolf II. Bekanntlich ist auch die Synagoge der 20 Monats-Metropole schon ihrer schieren Größe wegen ein Superlativ – dennoch steht sie bescheiden eingereiht in eine Blockbebauung.

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Pragtag 5

Die logistischen Unterschiede zwischen Prag und Bremen liegen auf der Hand. In Cafés wird oft geraucht und die Kioske verkaufen Cannabis-Lutscher. Und noch nirgends – nirgends – habe ich eine solche Dichte an traumhaften Konzert- und Theatersälen gesehen.

Darüber hinaus stellen sich allerdings Fragen: Muss man eine asiatische Herkunft haben, um einen Mini-Markets eröffnen zu dürfen? Woher nehmen die Prager die Geduld, all' ihre Gehwege so kunstvoll zu pflastern? Warum liegen die meisten Stolpersteine, die ich sehe, außerhalb des historischen jüdischen Viertels?

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