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Vom Nachbarn lernen - Deutsche Praktikanten im tschechischen Parlament

Wenn Fabian Möpert auf die zurück liegenden Wochen schaut, gerät er geradezu ins Schwärmen. Die tschechischen Gastgeber, sagt er, „haben uns das Gefühl gegeben, willkommen zu sein.“ Sie hätten alles getan, „um unseren Aufenthalt so interessant wie möglich zu gestalten.“ Da kann ihm Robert Forker nur zustimmen. Leider sei die Zeit zu kurz gewesen. Jetzt, da er und sein Landsmann sich auskennen im Parlament, die Arbeit der Abgeordneten besser einzuschätzen vermögen, „müssen wir wieder weg. Das ist wirklich schade.“

Ein Bahnhof als Denkmal

Als ich an einem Wochenende aus der U-Bahn-Station die Rolltreppe zur Halle des Hauptbahnhofs hinauf fuhr, hörte ich Jazz-Musik. Oben angekommen, sah ich die Band. Um die jungen Musiker hatte sich eine breite Traube von Zuhörern gebildet. Teenager waren ebenso vertreten wie Angehörige der Generation Grauhaar. Die Leute gingen begeistert mit. Manche wippten mit den Füßen, einige begannen zu tanzen. Die Band nannte sich „Cactus Madness.“

Bahnhöfe sind öffentliche Orte besonderer Art. Sie bieten eine eigene Lebenswelt. Hastende Reisende kontrastieren mit Menschen, die warten können oder warten müssen. Szenen von Geschäftigkeit wechseln mit Bildern der Ruhe, etwa wenn jemand, ein Buch lesend, auf einer Bank sitzt und den Trubel um sich herum kaum wahrnimmt. Bahnhöfe sind - ebenso wie Flughäfen - Schauplätze von Abschied und Wiedersehen, von Wehmut und Freude, von kleinen und großen Auftritten. Hauptstädtische Bahnhöfe stehen für Mobilität und Urbanität. Aber zugleich haftet ihnen trotz ihrer technisch hoch gerüsteten Ausstattung etwas Altmodisches an.

Hollywood an der Moldau

Als ich eines Tages die Treppe hinab schritt, die von der Neuen Bühne neben dem Nationaltheater zur Masaryk-Uferstraße führt, kam ich nicht weiter. Sicherheitsleute versperrten mir den Weg. Ein Filmteam hatte mit seinen Aufnahmewagen die Straße blockiert. Aus der Unterführung, über die der Verkehr normalerweise in der Gegenrichtung abgeleitet wird, raste ein Auto und stoppte mit quietschenden Reifen kurz vor dem Goethe-Institut. Der Kameramann, der die Szene vom Straßenrand aus gefilmt hatte, setzte sein Gerät ab. „Okay“, rief ein Mann, den ich für den Regisseur oder den Aufnahmeleiter hielt.

Ein Ort gegen das Vergessen - der deutsche Friedhof an der Weinbergstraße

Rechts und links der Prager Vinohradska (deutsch: Weinbergstraße) liegen mehrere Friedhöfe. Der Olsaner, der flächenmäßig größte, wurde Ende des 17. Jahrhunderts als Begräbnisstätte für Pestopfer vor den Toren der Stadt angelegt. An ihn grenzt der neue jüdische Friedhof, auf dem unter anderen Franz Kafka begraben liegt. Auf einem anderen, kleineren Areal sind sowjetische Soldaten bestattet, die 1945 bei der Befreiung der Tschechoslowakei gefallen sind. Stadtauswärts erstreckt sich der Weinberger Friedhof mit dem größten und bekanntesten Krematorium der Stadt.

Mutig gegen das Regime - ein Rückblick auf die 80-er Jahre

Wenn ich diesen Tagen, von der Burg kommend, die Loretanska-Gasse hinauf schritt, sah ich schon von weitem das Palais Cernin, Sitz des Außenministeriums. In den achtziger Jahren, als die Kommunisten regierten, habe ich dort meinen Presseausweis bekommen. Als Korrespondent, der diesen Namen verdient, habe ich mich nicht gefühlt. Ich konnte kein Tschechisch, hatte in der Stadt keine Freunde oder Bekannte und lebte und arbeitete in Berlin(Ost), Hauptstadt der DDR. Westliche Journalisten wohnten damals kaum vor Ort. Die saßen meistens in Wien und reisten ab und zu an die Moldau.

Hlahol - Prags ältester Gesangverein

Seine herausragende Bedeutung verdankt das Haus nicht nur seiner Architektur, sondern vor allem der Tatsache, dass hier Prags ältester Gesangsverein mit dem Namen „Hlahol“ - abgeleitet von hlaholit (erschallen) - sein Domizil hat. Seit 110 Jahren gehen die Mitglieder der 1861 gegründeten Vereinigung hier ihrer Sangesfreude nach. Nur zwei Mal, gegen Ende der Nazi-Okkupationszeit, wurden die Räume für kurze Zeit zweckentfremdet. Einmal zog eine Abteilung des Reichsarbeitsdienstes ein. Kurz vor Kriegsende wurde der Konzertsaal auf Weisung der Wehrmacht beschlagnahmt, um Mehl einzulagern.

Ein Schriftsteller als Zeitzeuge - Besuch bei Pavel Kohout

Das Haus am Masaryk-Kai, schräg gegenüber der Galerie „Manes“, gehört zu jenen Gebäuden, in denen sich der Wohlstand des Prager Großbürgertums um die Jahrhundertwende spiegelt. Hier wohnt der Schriftsteller und Dramatiker Pavel Kohout. Den sechsgeschossigen Bau im Stil der Neogotik findet er zwar etwas protzig, aber auf seine Wohnung ist er stolz. Sie liegt auf mehreren Etagen: in der zweiten die eigentlichen Wohnräume, hoch oben als Maisonette das Gäste- und sein Arbeitszimmer.

Wo Pfarrer deutsch predigen - St. Martin in der Mauer

Bei einem Erkundungsgang durch die Gassen der Altstadt fiel mein Blick auf ein Metallschild: „Gottesdienst in deutscher Sprache, sonntags 10:30.“ Es ist in der Fassade eines Kirchengebäudes angebracht, das auf drei Seiten von mehrgeschossigen Wohn- und Geschäftshäusern eng umschlossen ist. Der Abstand zwischen Gotteshaus und Häuserfront beträgt auf der Rückseite nur wenige Meter. Ich drückte auf die Klinke zur Eingangstür. Sie war verschlossen. Die Kirche heisst Sankt Martin in der Mauer, eine Name, der zum Standort passt.

Betagte Senioren fahren gratis

Die Straßenbahn war voll. Fahrgäste, die keinen Sitzplatz ergattert hatten, hielten sich stehend an Stangen und Haltegriffen fest. Ihre Körper waren in der Enge auf Tuchfühlung. Plötzlich stand eine junge Frau auf und bot mir ihren Platz an. Mir war das ein wenig peinlich. Um Himmels willen, sehe ich etwa so alt und gebrechlich aus, ging es mir durch den Kopf. Ich machte ihr mit einer abwehrenden Geste klar, dass sie ruhig sitzen bleiben könne. Sie aber blieb stehen. Ich wollte nicht unhöflich sein, dankte ihr mit einem Lächeln und setzte mich.

Die Staatssicherheit im Kloster

Die Bartolomejska in der Prager Altstadt ist eine ruhige Gasse. Während über die nahe Narodni Straßenbahnen rattern und sich Autos durch den Verkehr quälen, geht es in der Bartholomäusstraße eher gemächlich zu. Es gibt ein paar Kneipen, aber kaum Geschäfte. Vor einigen Gebäuden parken Polizeiautos. In mehreren Häusern arbeiten Sicherheitskräfte, unter anderen auch die Prager Kripo. Die Konzentration der Ordnungshüter hat hier Tradition. In einer seiner frühen Reportagen hat Egon Erwin Kisch den Beginn einer Razzia beschrieben:

„Kurz nach zehn Uhr abends öffnet sich das schwere Eisentor des Sicherheitsdepartements in der Bartholomäusgasse. Etwa fünfzehn mit Stöcken bewehrte Männer treten hinaus, Polizeibeamte und Detektive. Es bilden sich drei Gruppen: die eine zieht zur Postgasse hinunter und wendet sich dann gegen die obere Neustadt hin. Die beiden anderen Gruppen schreiten zur Altstadt zu.“ Am Ende der höchst kurzweilig zu lesenden Schilderung schreibt Kisch: „Die Razzia ist beendet, der Boden der Großstadt wieder einmal gekehrt worden. Vierundfünfzig Verhaftete. In der Aufnahmekanzlei des Polizeigefangenenhauses werden ihre Personalien aufgenommen, die Taschen untersucht, Zellen angewiesen.“

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