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Briefe aus Prag - 15

 Montag, 17. November 2014

Lieber Vaclav Havel,

ich fasse mich kurz, denn falls Sie im Himmel ein Postfach haben, wird es heute ohnehin übervoll sein. Denn heute ist es genau 25 Jahre her, dass Sie gemeinsam mit dem tschechischen Volk den Kampf für Freiheit und Demokratie gewonnen haben. Ich beglückwünsche Sie noch immer dazu. Und wie ich bereits in anderen Briefen aus Prag geschrieben habe, kann man überall in dieser Stadt sehen, wie viel Sie erreicht und was Sie daraus gemacht haben.

Briefe aus Prag - 14

 Sonntag, 16. November 2014

Liebe Milena,

verzeihen Sie, dass ich Sie einfach bei Ihrem Vornamen nenne, liebe Milena Jesenská, aber das ist zurückzuführen auf den Umstand, dass Sie mit Ihrem Vornamen eine weltbekannte Persönlichkeit geworden sind. Davon wissen Sie vielleicht nichts – oder aber ich bin so naiv, mir einzubilden, dass die Toten nicht wissen, wie es nach ihrem Ableben weitergegangen ist, mit der Erinnerung an sie und mit der Welt.

Briefe aus Prag - 13

 Samstag, 15. November 2014

Liebster,

in der wunderbaren Jugendstil-Passage des Lucerna-Kinos unweit des Wenzelsplatzes – seit dem Jahr 1909 das älteste durchgehend geöffnete Kino Europas, hier trafen sich schon Kafka und Max Brod, um gemeinsam Filme anzuschauen – sind Schautafeln zur samtenen Revolution ausgestellt, die sich übermorgen zum 25. Mal jährt. Es gibt auch einen Buchstand, voll mit Büchern über Vaclav Havel. Die schwarz-weißen Schautafeln zeigen grandiose Momentaufnahmen von 1989 und den nachfolgenden Jahren. Eine beeindruckende Performance des Bread and Puppet theatres, eine Veranstaltung unter den Fundamenten des gestürzten Stalindenkmals oder das Bild eines Deutsch sprechenden Eremiten, der sich 1995 in einer der Höhlen am Petrin einquartierte, weil er sich mit dem Präsidenten Havel treffen wollte, um mit ihm über das Regieren zu plaudern. Es kam nicht dazu – irgendwann verschwand er spurlos. Sicherlich gibt es hunderte, tausende von Geschichten, die im Zusammenhang mit der samtenen Revolution erzählt werden. Vaclav Havel, der Dissident, der zum Präsidenten wurde, wird bis heute zu Recht verehrt. Und Vaclav heißt ja Wenzel. Somit hat wieder ein Wenzel die Prager und mit ihnen alle Tschechen von der Dunkelheit ins Licht geführt. In der kommenden Woche zeigt das Lucerna exklusiv einen Dokumentarfilm über ihn.

Briefe aus Prag - 12

 Freitag, 14. November 2014

Liebster,

beim Fürsten von Mansfeld-Fondi in seinem wunderbaren Barock-Palais an der Karlsbrücke ist Giacomo Casanova, Chevalier de Saingalt, immer gern zu Gast. Wenn er gleich den Ballsaal im Piano nobile betritt, wird ihn wieder dieses leichte Zittern innerer Vorfreude befallen: Wer wird heute dort sein?

Briefe aus Prag - 11

 Donnerstag, 13. November 2014

Liebster,

dem Absinthtrinker an der Rückwand des Café Slavia erscheint eine junge, schöne, nackte, durchsichtige, grüne Frau. Er meint, zu träumen. Er ist fassungslos.

Sie sitzt mit ihrem schönen Hintern auf der Tischkante, hat eine Hand auf die Tischplatte gestützt. Ein Kellner eilt herbei, doch der scheint sie nicht zu sehen.

Ein Glas hat ausgereicht und der Trinker will kein zweites. Das Schlimmste, findet er, ist, wenn Wünsche sich erfüllen. Ein Fluch, vor dem der Himmel einen bewahren möge.

Briefe aus Prag - 8

 Montag, 10. November 2014

Liebster,

der Pianist im Café Slavia spielt, während sich die Kaffeehausbesucher unterhalten, die Mobiltelefone klingeln, die Kellner mit klappernden Tellern vorbeihasten, während vor den großen Fenstern die Nacht hereinbricht und die Fassade des Nationaltheaters gegenüber, eben noch schwärzlich grau, jetzt in leuchtendem Ocker erstrahlt.

Die ramponierte Doppelhaushälfte des Selbst

René Pollesch ist eine Marke. Als Regisseur und Autor in Personalunion hat er einen Stil entwickelt, den man sofort erkennt. Ein heiterer, rasanter Fluss an Wörtern, voll der Anspielungen, der Zitate und des überbordenden absurden Humors. Ein Reichtum an Themen, der in Wiederholungen und Variationen ständig neu kombiniert wird und eher durch die Darsteller hindurch fegt, als von ihnen auszugehen.

Briefe aus Prag - 7

 Sonntag, 9. November 2014

Liebster,

heute ist Sonntag. Deshalb hat Herr Dr. Kafka frei und somit hat er auch frei von mir und mein Begleiter Klaus Wagenbach kann sich ebenfalls zwischen seinen Buchdeckeln auf dem Schreibtisch ausruhen und braucht das Haus nicht zu verlassen. Ich stattdessen habe noch eine Eintrittskarte für den Hradschin, die zwei Tage gültig ist, und deshalb steht heute der St. Veits-Dom und der alte Königspalast auf meinem Programm, zwei Lokalitäten auf meinem Ticket, die der elektronische Kartenleser gestern nicht gesehen hat, weil ich zu Kafka unterwegs war.

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