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2.6.

Vor ein paar Tagen war für 24 Stunden Sommer. Einen Tag später fing es an, zu regnen. Ich floh vor dem Regen, da ich gerade unterwegs war, in eine Galerie auf der Kleinseite, wo es unter anderen Fotografien von der Flut von 2002 zu sehen gab.
Praha pod vodou, Prag unter Wasser.
Ich dachte ach ja, so war das damals, überlegte, ein paar Postkarten zu kaufen und ließ es dann sein. Ich dachte eigentlich auch: was ist schon ein Bisschen Regen gegen eine richtige Flut.

30.5.

Am Morgen finde ich eine Postkarte im Briefkasten von einer Bekannten aus Lübeck aus deren Garten ich vor ein paar Wochen noch auf die Marienkirche geschaut habe und halte eine Stunde später in einem Antiquariat in der Nerudagasse ein Büchlein mit dem Titel St.Marien zu Lübeck in den Händen.

27.5.

Wenn ich morgens die Fenster öffne, um nachzusehen, ob die Stadt noch da ist, ob sie noch atmet und lärmt, wie ich es gewohnt bin von ihr, wenn ich mich mit der Maulwurftasse in der Hand, aus der ich meinen Morgenkaffee trinke, hinaus lehne, um zu überprüfen, ob die Moldau noch fließt, und mir dann die ersten Touristen ihre Fotoapparate und Iphones und Ipads entgegen strecken, dann denke ich an die unzähligen Fotos, die in Frankreich und Italien, in Dänemark, Österreich, Deutschland, den Niederlanden und den USA herum gezeigt werden, auf denen ein besonders schönes, altes grünes Haus zu seh

25.5.

In meinem Haus gibt es neben der Eingangstür eine ominöse zweite Tür, die meistens verschlossen ist; manchmal gehen Männer in schwarzen Anzügen hindurch, oder stehen rauchend davor, nachdenklichen Blickes auf die Moldau starrend, bevor sie wieder dahinter verschwinden. Es sind keine Geschäftsmänner; sie sehen ein wenig verkleidet aus, ihre Anzüge sind preiswert und sitzen schlecht, ihre Frisuren oft nachlässig. Neben der ominösen zweiten Tür hängt ein Schaukasten, in dem es bis auf weißes Papier nichts zu schauen gibt.

22.5.

Vor einigen Jahren habe ich eine Weile in Berlin gelebt und hatte dort einen Mitbewohner, dessen Bruder in Prag lebte und der kam einmal zu Besuch und brachte eine handvoll Tschechen mit, unter ihnen ein Buchhändler.
Wie sich nun heraus stellte, war dieser tschechische Buchhändler nicht irgendein tschechischer Buchhändler, sondern kein geringerer als der Inhaber des weithin bekannten und unter Autoren hochgeschätzten Buchladens Shakespeare a Synové.

17.5.

Es ist Buchmesse und ich empfinde es als ungeheuer entspannend, in den zwei kleinen Hallen umher zu gehen und beinahe überhaupt nichts lesen zu können.

Große Freude, als ich unerwartet die Stimme einer guten Freundin aus einem Lautsprecher höre; aber leider ist ihre Stimme ohne sie angereist.

14.5.

Auf dem Klo riecht es manchmal nach Zigarrenrauch, der aus dem Schacht zu steigen scheint. Ich stelle mir vor, dass der Mann der Klavierlehrerin unter mir heimlich auf dem Klo raucht, damit seine Frau es nicht bemerkt, was sie natürlich doch tut. Einen alten, mürrischen tschechischen Herrn denke ich mir, aber genau weiß ich es nicht, weil ich ihn noch nie gesehen habe. Ich weiß lediglich, dass er im Stehen pinkelt; das kann ich leider hören. Aber vielleicht ist das gar nicht wahr, vielleicht ist es die Klavierlehrerin selbst, die auf dem Klo Zigarre raucht.

12.5.

Es ist Prag-Marathon und ich wohne unmittelbar an Kilometer 15, was mich dazu veranlasst, den Vormittag ganz omahaft auf ein Kissen gestützt am Fenster zu verbringen:
Um 9:45 kommen die Gazellen.
Um 9:50 die erste Frau.
Ab 10:10 die Massen.
Um 10:45 schiebt jemand einen Rollstuhl.
Um 11:36 kommt die Stadtreinigung.

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