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Christian Schulteisz

Christian Schulteisz ist Autor von Erzählungen und Hörspielen und von Mitte November bis Mitte Dezember 2013 Stipendiat des Prager Literaturhauses.

Er studierte am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig und veröffentlichte in Literaturzeitschriften und im Radio, u.a. Edit, Deutschlandradio Kultur. Er erhielt mehrere Preise und Stipendien, darunter das Moldau-Stipendium und das Stipendium für den Aufenthalt auf Schloss Wiepersdorf. 2013 war er Finalist beim Literaturwettbewerb Open Mike.

Jörg Bernig

Jörg Bernig wurde 1964 in Wurzen (Sachsen) geboren. Nach einer Bergmannslehre, dem Abitur, Militärdienst und Arbeit in der Landwirtschaft studierte er 1985-90 an der Universität Leipzig, danach promovierte er in Literaturwissenschaft an der Freien Universität Berlin. Seit 1999 ist er freiberuflich als Schriftsteller tätig.

nach dem temno

der Weiße Berg ist bebaut und besiedelt
das rapsblühende schlachtfeld von einfamilienhäusern umzingelt
und die anwohnerwagenburgen stehen geparkt auf den knochen der helden
- ha! welche meint der?! -
untergänge hatten wir viele und hier heroben lag nur ein anfang für weitre
im nebel eines vergangnen novembers bereit - sechzehnhundertundzwanzig -
der anfänge war’s aber eben bloß einer und über den knochen der helden
ziehen nun jogger schnaufende runden werden hunde gassi geführt …

AUS EINEM REISEFÜHRER 1

Viele der alten Prager Häuserfassaden haben wunderbare Fugen und Schwellen, die sehr gute Trittfestigkeit bieten, oft sogar bis unters Dach. Man sollte diese Möglichkeit, selbst bei einem nur kurzen Aufenthalt in der Stadt, nicht ungenutzt lassen – bei aller Vorsicht versteht sich: Wenn einem die Traufe bereits von der Straße aus als unüberwindbarer Überhang oder die Bausubstanz zweifelhaft erscheint, braucht man seine Gesundheit nicht unnötig aufs Spiel zu setzen.

27.6.

Prag und ich, wir haben eine Beziehungskrise. Weil wir wissen, dass wir bald für lange, womöglich für immer, auseinander gehen werden. Das vergällt uns die letzten gemeinsamen Tage. Das macht, dass wir weinend auf dem Sofa sitzen, jede für sich, anstatt etwas Schönes zusammen zu unternehmen.
Man hat es ja geahnt: dass sich das Herz auf den letzten Drücker doch wieder an irgendetwas hängt.
Man hat es ja gewusst: dass es auch ein Zuviel an Schönheit geben kann, zu viel Prunk und Pracht, zu golden die goldene Stadt.

14.6.

Ich habe versucht, die Stadt zu verlassen und wäre beinahe gescheitert: als ich am Hauptbahnhof eine Karte von Prag nach Plön lösen wollte, wo Freunde am Wochenende heiraten werden, wollte die Dame am Schalter mir eine Karte nach Plon in der Schweiz verkaufen.
Nein, sagte ich freundlich, Plön in Deutschland, Plön mit Ö.
Das gibt es nicht, sagte die Dame, es gibt nur Plon in der Schweiz.
Nein, Plön! Mit Ö! sagte ich.
Ja, wie denn ?!? rief die Dame ungehalten aus, kopfschüttelnd auf ihre Tastatur zeigend, ö habe ich nicht!
Wo denn das überhaupt sei.

3.6.

Eine 23-jährige hat am Sonntag in Prag Fünflinge zur Welt gebracht, lese ich in der Zeitung, als ich es Mittags, nachdem der Regen aufgehört hat, zum ersten Mal seit Tagen wage, das Haus zu verlassen.

Dresden zittert vor tschechischer Welle titelt die BILD Zeitung.

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