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Weggehen

Nach acht Wochen in Prag gehe ich zunehmend die gleichen Wege. Der Bäcker, der Supermarkt, die Bibliothek, das abendliche Bier am Moldaukai. Gewohnheiten stellen sich ein. Ich habe eine bevorzugte Parkbank, kenne das Lokal mit dem günstigen Mittagstisch, nutze Abkürzungen durch die Passagen, weiß den Menschenmassen, die an den Wochenenden in die Stadt einfallen, geschickt auszuweichen.

Kafka besuchen

Es wäre zu einfach gewesen mit der Metro bis zur Station Želivského zu fahren und sofort da zu sein. Nein, so konnte ich mich ihm nicht nähern, daran konnte es keinen Zweifel geben. Ich zog es vor zu Fuß zu gehen, durch Nebenstraßen zu wandern, von Vinohrady nach Žižkov und wieder zurück. So gelangte ich, bevor ich den Neuen Jüdischen Friedhof erreichte, zuerst nach Olšanské hřbitovy, Stadt der Toten, groß und verwinkelt wie die Stadt Prag selbst. Mit monumentalen Grabmalen, krummen Gassen, in denen man sich leicht verirren kann, schattigen Alleen, malerischen Plätzen.

Ambassador - Passage

Kürzlich erzählte mir meine Mutter, dass sie mit meinem Vater einmal in Prag gewesen sei und dort in einem Hotel Ambassador am Wenzelsplatz gewohnt habe. Sie war damals noch jung, es muss in den sechziger Jahren gewesen sein. Sie hatte diese Reise zuvor nie erwähnt. Vielleicht war die Erinnerung daran verschüttet gewesen und nun durch meinen Aufenthalt in Prag wieder hervorgekommen.

Dienstagnachmittag im Mai

Ich habe sie gesehen. Heute. Auf einer Parkbank am Karlsplatz, erschöpft vom Warten. Wladimir und Estragon. Wladimir halb liegend, auf seinen Rucksack gestützt, der Mund weit offen, die Augen geschlossen, dunkle Haarsträhnen schweißfeucht über der Stirn verklebt, die rechte Hand umfasst einen Rucksack. Estragon dicht neben ihm sitzt weit nach vorn gebeugt, den nahezu haarlosen Kopf zwischen den Knien, bewegungslos erstarrt in dieser unbequemen Position. Man könnte für einen Augenblick annehmen, er schaue auf seine abgerissenen Schuhe, fixiere den offenen Schnürsenkel am linken.

Interessante Details

Wenn man in einer fremden Stadt ist, achtet man auf Dinge, die einem zu Hause nie auffallen würden. Man starrt jede Fassade an, die Tauben, die Menschen, sogar die Pflastersteine und Straßenleuchten sind interessant. Mir ist dabei gerade aufgefallen, dass rote Schuhe in Prag schwer in Mode zu sein scheinen. Ich habe noch nie so viele Männer mit roten Schuhen gesehen wie hier. (Mindestens fünf bis jetzt und ich bin noch nicht sehr lang da.) Allerdings habe ich zuvor überhaupt noch nie einen Mann mit roten Schuhen gesehen. Nicht weinrot oder so, knallrot.

Seit Tagen schaue ich aus dem Fenster

Ich habe den Schreibtisch unters Fenster gestellt und kann nicht genug bekommen von dem Blick über die Moldau, den Bäumen auf der Sophien-Insel, dem Petřín, der im Hintergrund aufragt. Seit Tagen schwimmt aber auch ein Tretboot in Form eines monströsen Schwans auf der Moldau vorüber, verleiht der Szenerie etwas Theatralisches. Mein Vorschlag: Man betrachte in nüchternem Zustand diesen absurden Schwan und höre dazu symphonische Musik (es muss nicht Die Moldau sein).

Jörg Jacob

Jörg Jacob ist 1964 im sächsischen Glauchau geboren. Nach einer Ausbildung als Polsterer übte er verschiedene Beschäftigungen aus, beispielsweise als Handwerker oder Aushilfe in der Gastronomie.

In den Jahren 1998-2002 studierte er am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Seit dem Jahr 2010 nimmt er an medial-pädagogischen Projekten der Schriftsteller- und Druckwerkstätten für Kinder und Jugendliche teil. Zurzeit lebt er in Leipzig und arbeitet als freier Autor.

Einblicke und Ausblicke - Was mich mit Prag verbindet

Es hätten ruhig ein paar mehr Zuhörer sein können, als am gestrigen Montag im Literaturhaus die abschließende Lesung stattfand. Manche meiner alten und neuen Bekannten hatten kurzfristig abgesagt, andere hatten von vornherein andere Termine. Nur ein rundes Dutzend Literaturfreunde hörte mir im dem auch als Bibliothek dienenden Vortragsraum zu, als ich verschiedene Beiträge vortrug, die ich in den vergangenen vier Wochen in Prag geschrieben hatte. Gleichwohl: das kleine Auditorium schien zufrieden zu sein, führte eine, von Frantisek Cerny moderierte lebhafte Diskussion und stand beim abschließenden Empfang noch lange zusammen, bis uns ein drohendes Gewitter nach Hause trieb.

Zwischen Vorurteil und Verständnis - Über das Verhältnis von Tschechen zu Deutschen

Im Vortragssaal des Goethe-Instituts wurden die freien Stühle knapp. Immer mehr Besucher drängten durch die Tür. Etliche bekamen keinen Platz und mussten stehen. Das überaus große Interesse galt einem neuen Buch der tschechisch-deutschen Historikerin Eva Hahn. „Von Palacky bis Benes“, lautet der Titel. Namen, die bei manchen Deutschen nicht den besten Ruf haben.

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