Worauf freut sich ...

Gerd Lemke

Gerd Lemke, Jahrgang 1969, lehrte als Lektor für Germanistik an der Karlsuniversität in Prag und lebt dem eigenen Empfinden nach eigentlich schon zu lange in der tschechischen Hauptstadt.

Nach einem zweijährigen Auslandsaufenthalt im Kosovo kehrte er dennoch freiwillig zum "Mütterchen mit den Krallen" an die Moldau zurück. (nk)

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Gerd Lemke

Donnerstag, 9. Oktober 2014

Gerd Lemke: Harry Howard and the NDE

Prag - Es gibt sehr viele Dinge in Prag, über die ich mich freue, beispielsweise einen sonnigen Tag, wie gemacht für einen Spaziergang in dieser wunderbaren Stadt. Einer meiner Lieblingsspaziergänge führt von der Letná-Ebene vorbei an der Kramář-Villa durch die Chotek-Gärten – übrigens einer der Lieblingsplätze Franz Kafkas – durch die königlichen Gärten zum Hradschin, dann weiter am erzbischöflichen Palast vorbei, am Schwarzenberg-Palast zu Loretta, auf einen Sprung in den Schwarzen Ochsen und hinunter auf die Kleinseite. Es gibt kaum etwas Erhebenderes als solch ein Spaziergang in Prag.

Aber in der kommenden Woche freue ich mich besonders auf ein Konzert, das von Harry Howard. Harry Howard? Wer verbirgt sich denn hinter solch einem Dutzendnamen, dass man sich auch noch auf sein Konzert freuen sollte, das in einem so erlesenen Ort wie dem Kulturní dům Vltavská, im Kulturhaus bei der Metrostation Vltavská im Stadtteil Holešovice. Das ist ein dunkler Kasten direkt hinter der Kirche des Hl. Antonín auf dem Strossmayerovo náměstí in Prag 7, direkt am Ufer der Moldau.

Mit Harry Howard verbindet mich eine ganz persönliche Geschichte, die weit zurückreicht. Es war der Sommer nach meinem Abitur, jene seltsame Zwischenzeit, nach der Schule und vor dem Ernst des Lebens, der damals für die männliche Bevölkerung West-Deutschlands Bundeswehr oder Zivildienst hieß. Wie die meisten damals, kaufte auch ich mir eine Bahnfahrkarte, mit der ich durch halb Europa tuckern konnte. Eines schönen Tages landete ich so in Amsterdam, der Touristenhochburg. Zwei Tage hielt ich es dort aus, bevor es mir zuviel wurde, ständig angequatscht zu werden, ob ich diverse Rauschmittel käuflich zu erwerben wünschte oder die Dienste einer professionellen Dame in Anspruch zu nehmen gedächte. Daneben ist mir aber noch ein unvergessliches Konzert in Erinnerung geblieben, es fand wahrscheinlich im Melkweeg statt, es könnte aber auch das Paradiso gewesen sein. Auf dem Programm standen zwei Bands, von denen ich bis dato noch nie etwas gehört hatte, Suicide und Crime and the City Solution. Das sollte sich schnell ändern. Suicide mit Alan Vega machte einen unglaublichen Eindruck auf mich, elektronischer Rock’n’Roll mit einem unglaublich charismatischen Sänger, der ständig sein Amstel-Bier aus Plastikbechern über dem Publikum vergoss. In der anderen Band spielte eben Harry Howard Bass. Er war Schuld, dass ich mich etwas später ebenfalls an diesem Instrument versuchte.

Crime and the City Solution war Punk-Rock aus der Wave-Zeit, also genau der Stoff, mit dem ich aufgewachsen bin. Einige Jahre später, es war in Köln, der selbst ernannten Kontrollstadt für Pop-Kultur, fiel mir tatsächlich eine Scheibe, Vinyl, versteht sich, dieser Band in die Hände. Schon damals sah ich es als Reminiszenz an dieses denkwürdige Konzert, vielleicht das wichtigste Konzert meines Lebens.

Und nun spielt Harry Howard in Prag. Das heißt, dass die Zeiten von Birthday Party, Swell Maps, These Immortal Souls und Crime and the City Solution für einen Abend wieder aufleben. Howards derzeitige Band trägt den Namen NDE, Near Death Experience, weil viele seiner musikalischen Mitstreiter in seiner Laufbahn bereits das Zeitige gesegnet hat.

Tja, die alten Zeiten, sie sind bereits einige Jährchen vorbei. Also ist es an der Zeit, sie wieder einmal aufleben zu lassen.

Gerd Lemke

 

Weitere Infos: Harry Howard and the NDE | Facebook
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