Prag | Rubrik: Reise | 3.12.2016

Prager Friedhöfe

Wolschaner Friedhöfe, Neuer Jüdischer Friedhof, Vyšehrader Friedhof

Prag - Ein Friedhofsbesuch gehört allgemein zwar nicht unbedingt zum klassischen Programm bei Städtereisen. Aber es gibt sie doch, diese Anziehungspunkte und Pilgerstätten für Touristen aus aller Welt: in Paris zum Beispiel das Grab von Doors-Sänger Jim Morrison auf dem Friedhof Père-Lachaise.

Auch Prag hat in Sachen Grabstätten durchaus etwas zu bieten. Ein Muss ist ein Besuch des Alten Jüdischen Friedhofs in der Josephstadt, wo sich auf engstem Raum rund 12.000 Jahrhunderte alte Grabsteine drängen und der legendäre Rabbi Löw begraben liegt.

Doch auch die weniger zentral gelegenen Prager Friedhöfe bezaubern mit ihrer einzigartigen Friedhofsarchitektur. Zu jeder Jahreszeit haben sie ihren ganz eigenen Reiz und laden zu einem Spaziergang in der urbanen Natur ein.

Unter alten Bäumen, zwischen den oft sehr kunstvoll gestalteten und mit Efeu überwucherten Grabstätten bekommt man Abstand von der Hektik der Großstadt und kann sich, wenn man will, ein wenig auf die Geschichte, Kultur und Vergangenheit Prags besinnen.

Wenn es die tschechische Hauptstadt dabei auch nicht ganz mit dem popkulturellen Personenkult um Jim Morrison aufnehmen kann, so findet man in Prag doch die letzten Ruhestätten vieler berühmter Persönlichkeiten.

So oder so, mit etwas Zeit ist ein Besuch der Prager folgenden Prager Friedhöfe auf jeden Fall lohnenswert.

Wolschaner Friedhöfe (Olšanské hřbitovy)

Der größte Friedhof Prags verdankt seine Gründung dem Wüten der Pest im Jahr 1679. Um vor zukünftigen Seuchen zu schützen, wurden einige sehenswerte Kapellen auf dem Gelände erbaut - was jedoch nur bedingt Erfolg hatte. Bis zu zwei Million Menschen sollen seit seiner Gründung bis heute auf dem Friedhof bestattet worden sein. Sowohl im Hinblick auf die Zahl der hier beigesetzten Menschen als auch im Hinblick auf seine Ausdehnung von über 50 Fußballfeldern ist die Grabanlage die größte Tschechiens.

Der Plural ergibt sich aus der Tatsache, dass die Friedhofsanlagen von der breiten Straße Jana Želivského in zwei Teile geteilt sind und sich aus insgesamt zwölf Friedhöfen zusammensetzen. So findet man auf der anderen Seite der Straße, in direkter Nachbarschaft zum Neuen Jüdischen Friedhof, einen Soldatenfriedhof (mit sowjetischem Ehrenmal) und eine russisch-orthodoxe Kapelle, in deren Umgebung viele Angehörige russischer Familien bestattet wurden, die nach der Oktoberrevolution 1917 aus Russland emigriert waren.

Zahlreiche künstlerische Grabsteine und Skulpturen verstecken sich zwischen den gepflasterten Wegen. Beispielhaft für unzählige andere erwähnt sei etwa die Grabanlage von Josef Mauder, die von einem seiner Studenten, dem berühmten tschechischen Bildhauer und Grafiker František Bílek geschaffen wurde.

Leider sind viele der Gräber in schlechtem Zustand, da der Zahn der Zeit an ihnen nagt, aber es niemanden gibt, der sich für ihre Pflege und Instandsetzung zuständig fühlt. Die Prager Friedhofsverwaltung (Správa pražských hřbitovů) bietet daher die Möglichkeit, besonders schöne Gräber zu adoptieren und durch finanzielle Zuwendungen deren Instandsetzung zu sichern.

Besonders fallen auf dem Friedhof die vielen weißen Bildpausen auf den schwarzen Grabsteinen auf, die den Verstorbenen ein Gesicht geben. Einige Urnen befinden hinter Glasfenstern in Fächern, von denen viele mit bunten Blumen und Familienfotos verziert sind. Diese sind gleich hinter den Friedhofsmauern an der Vinohradská, nahe des Haupteingangs.

Hier liegt auch Jan Palach begraben, der sich im Januar 1969, ein knappes halbes Jahr nach der Niederschlagung des Prager Frühlings durch Warschauer-Pakt-Truppen, auf dem Wenzelsplatz selbst verbrannt hatte. Mit seiner Tat wollte der junge Philosophiestudent die angesichts der sowjetischen Okkupation in Resignation und Lethargie verfallende Gesellschaft aufrütteln. Heute ist Jan Palach eine Art Nationheld und sein Grab eine Pilgerstätte für viele Tschechen.

Zu weiteren namhaften, hier beerdigten Persönlichkeiten gehören unter anderem Klement Gottwald, der erste kommunistischen Staatspräsident der Tschechoslowakei, der tschechische Dichter Karel Jaromír Erben, das Schauspieler-Duo Jan Werich und Jiří Voskovec, aber auch der 2004 verunglückte Eishockey-Spieler und -Trainer Ivan Hlinka.

Der Friedhof lässt sich am besten über die U-Bahn-Station Flora (grüne Linie B), mit der Tramlinie 11 oder mit den Tramlinien 5, 9, 26, 55 oder 58 bis zur Haltestelle Olšanské náměstí erreichen.

Vyšehrader Friedhof (Vyšehradský hřbitov)

Wesentlich kleiner und dichter ist der Friedhof, der sich auf dem Gelände der ältesten Burganlage Prags, auf dem Vyšehrad befindet. Er wurde im Jahr 1869 errichtet und ist bekannt als letzte Ruhestätte zahlreicher bedeutender Persönlichkeiten der tschechischen Nation.

Dicht an dicht liegt hier so ziemlich alles begraben, was Rang und Namen hat. Zu den bekanntesten Persönlichkeiten, die hier ihre letzte Ruhestätte gefunden haben, gehören die Komponisten Antonín Dvořák und Bedřich Smetana, der Jugendstilmaler Alfons Mucha, der Dichter Karel Hynek Mácha, der Schriftsteller Karel Čapek sowie der Chemie-Nobelpreisträger Jaroslav Heyrovský begraben.

Obwohl sich an dieser Stelle schon seit 1260 ein Friedhof befand, stammt sein heutiges Aussehen aus dem späten 19. Jahrhundert, als Antonín Wiehl die prägenden Säulengänge im italienischen Stil erbaute, die den Friedhof von den Gärten der Burg abgrenzen.

Die vielen Skulpturen lassen dabei eher an ein Museumsbesuch, als ein Spaziergang auf dem Friedhof erinnern – dessen Herzstück das Slavín-Monument bildet, das der Bildhauer Antonín Wiehl in Gedenken an die Verstorbenen hier errichtet hat.

Besonders zu empfehlen ist ein Besuch in den Abendstunden vor dem Schließen der Eingangstore. Mit einsetzender Dunkelheit entfaltet sich eine besondere Atmosphäre: Die Kombination aus den langen Schatten der Beleuchtung der gotischen St. Peter und Pauls Basilika und den vielen Grablichtern kreieren ein gespenstisches Ambiente.

Der Friedhof ist mit den Tramlinien 7, 14, 18, 24, 53 und 55 bei Ostrčilovo náměstí erreichbar. Von der Metrostation Vyšehrad ist es ein 15-minütiger Fußmarsch durch das hügelige Gelände der Burg, wobei dessen Gärten diesen Weg durchaus wert machen.

Neuer Jüdischer Friedhof (Nový židovský hřbitov)

Direkt neben den Wolschaner Friedhöfen ist der Neue Jüdische Friedhof, der das Platzproblem des Alten Friedhofs im Judenghetto lösen sollte.

Direkt hinter dem großen Eingangstor trifft man auf das Denkmal für die tschechoslowakischen Juden, die während des Zweiten Weltkriegs dem Holocaust zum Opfer gefallen sind.

Die Grabsteine entlang der imposanten Alleen sind meist schlichter gehalten als auf den anderen beiden vorgestellten Friedhöfen. Neben dem hebräischen findet man auch viele deutsche Inschriften – ein Relikt der großen jüdischen Gemeinde der "Goldenen Stadt" aus der Zeit vor der deutschen Besetzung und Errichtung des Protektorats Böhmen und Mähren im März 1939.

Ein wahrer Touristenmagnet auf diesem Friedhof ist das Grab von Franz Kafka, auf das ein Schild direkt hinter dem Eingang hinweist. Vor allem am 3. Juni, seinem Todestag, pilgern viele Literaturfans zu seiner letzten Ruhestätte und hinterlassen Blumen und kleine Zettel mit Nachrichten.

Männer sollten beim Besuch eine Kopfbedeckung tragen, oder können sich alternativ am Eingang eine Kippa ausleihen. Das große Eingangstor ist ein Katzensprung von der Metrostation Želivského entfernt. (tpue/nk)

Autor: Thomas Pützschler
Bildnachweis:
Thomas Pützschler
Zuletzt aktualisiert: 5.12.2016
Weitere Infos: www.hrbitovy.cz, www.hrbitovy-adopce.cz

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