Am 1. Juli wurde die internationale Wanderausstellung „Zwangsarbeit. Die Deutschen, die Zwangsarbeiter und der Krieg“ im Schloss Belvedere auf der Prager Burg eröffnet. Sie ist dort bis zum 31. Oktober 2014 zu sehen.
Prag. Zwischen 1939 und 1945 mussten über 20 Millionen Männer, Frauen und Kinder im Deutschen Reich und den besetzten Gebieten Europas als „Fremdarbeiter“, Kriegsgefangene oder Häftlinge von Konzentrationslagern Zwangsarbeit leisten. Ziel des nationalsozialistischen Deutschland war die Unterwerfung und Ausbeutung des Kontinents.
Am Dienstag, dem 1. Juli 2014, wurde die internationale Wanderausstellung „Zwangsarbeit. Die Deutschen, die Zwangsarbeiter und der Krieg“ im Schloss Belvedere auf der Prager Burg eröffnet. Ehemalige tschechische Zwangsarbeiter, Vertreter zivilgesellschaftlicher Organisationen und der Fachwelt aus Tschechien und Deutschland sowie hohe Repräsentanten beider Staaten kamen zur feierlichen Eröffnung zusammen. Unter den Ehrengästen war auch die Gattin des tschechischen Staatspräsidenten, Ivana Zemanová.
Hynek Kmoníček, Leiter der Abteilung für auswärtige Angelegenheiten des Präsidenten der Tschechischen Republik, hob bei seiner Begrüßung die große Bedeutung der Ausstellung hervor indem er betonte: „Diese Ausstellung sollte mehr sein als das Gedenken, mehr als ein Teil unserer Geschichte.“
In seinem Grußwort hob der deutsche Botschafter in Prag, Detlef Lingemann, die historische Verantwortung Deutschlands hervor. „Die Aufarbeitung, die Erinnerung und das Gedenken an die Opfer der nationalsozialistischen Verbrechen sind für uns Deutsche Teil unserer Identität geworden. Davon zeugt auch diese umfassende Ausstellung zur Zwangsarbeit, die ab heute hier in Prag gezeigt wird“, erklärte Lingemann.
Die Eröffnungsrede hielt der tschechische Kulturminister Daniel Herman. Er sprach sich für eine Ausweitung des herkömmlichen Kulturbegriffs aus. „Das, was zu diesem Anlass im Vordergrund steht, ist Fundament und Überbau zugleich. Es ist die Kultur der Selbstreflexion, des Respekts und der Anerkennung von Unrecht, das man anderen zugefügt hat. Das ist Aufgabe jeder Gesellschaft. Den Ausstellungsmachern und allen Förderern gilt mein Dank für ihre wichtige Arbeit“, sagte Minister Herman.
„Das Unrecht der NS-Zwangsarbeit wurde im Nachkriegsdeutschland lange verleugnet. Dies ist seit dem Jahr 2000 nicht mehr der Fall“, erklärte Günter Saathoff, Vorstand der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ (EVZ), die für die Entschädigung der Opfer verantwortlich war und die Wanderausstellung finanziert hat. „Stand früher ‚die Geschichte´ trennend zwischen uns, zwischen Deutschen, Tschechen und anderen Nationen, so verbindet uns nun die gemeinsame Erinnerung und ehrliche Aufarbeitung dieses Unrechts“, so Saathoff.
Die zentrale Rolle bei der Organisation der Entschädigungszahlungen an die tschechischen Opfer hatte der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds (DTZF) inne. „Auch wenn es ein langer Weg war - gerade die Anerkennung des Unrechts und die Entschädigung der Opfer haben eine Vertrauensgrundlage für beide Nachbarländer geschaffen, die einen gemeinsamen Blick in die Zukunft ermöglicht“, erklärte der tschechische Geschäftsführer des DTZF Dr. Tomáš Jelínek. Der DTZF fördert die Verständigung und Zusammenarbeit zwischen Deutschen und Tschechen und hat finanziell und organisatorisch die Wanderausstellung in Prag ermöglicht.
Die Ausstellung „Zwangsarbeit. Die Deutschen, die Zwangsarbeiter und der Krieg“ vermittelt einen tiefen Einblick in das menschenverachtende System der Zwangsarbeit im Nationalsozialismus. „Ich betrachte es als einen besonderen Vertrauensbeweis und eine besondere Ehre, dass die Ausstellung zur NS-Zwangsarbeit auf der Prager Burg gezeigt werden kann. Gerade Prag hat besonders unter der deutschen Besatzung gelitten, und von Prag aus wurden Zigtausende Tschechinnen und Tschechen zum ‚Totaleinsatz’ in das Deutsche Reich deportiert. Die Ausstellung ist nicht zuletzt zu Ehren dieser Menschen und für eine gemeinsame friedliche und humane Zukunft gemacht worden,“ führte Dr. Jens-Christian Wagner, Leiter der KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora und Kurator des Ausstellungsprojekts, aus.
Zwangsarbeiter wurden überall eingesetzt – in Rüstungsbetrieben, auf Baustellen, in der Landwirtschaft, im Handwerk oder in Privathaushalten. Jeder Deutsche ist ihnen begegnet – ob als Besatzungssoldat in Polen oder als Bäuerin in Thüringen. Das Verhältnis der Deutschen zu den Zwangsarbeitern regelte der nationalsozialistische Rassismus. Gleichwohl gab es Handlungsspielräume. Ob Zwangsarbeiter erniedrigt und misshandelt wurden oder ob sie einem Rest von Menschlichkeit begegneten, hing auch vom Verhalten des Einzelnen ab. Auch das ist Thema dieser einmaligen Wanderausstellung.
„Es ist vielleicht das größte Paradox meines Lebens. Aber die Zwangsarbeit hat mich vor den Gaskammern in Auschwitz gerettet“, berichtete als letzte Rednerin der Ausstellungseröffnung die Holocaust-Überlebende und Vorsitzende der Theresienstadt-Initiative Dagmar Lieblová.
Veranstalter der Ausstellung ist die Verwaltung der Prager Burg mit Unterstützung des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds. Die Ausstellung wurde von der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora erarbeitet und von der deutschen Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ (EVZ) initiiert und gefördert. Die Hauptpartner des Projektes bieten zur Ausstellung ein umfangreiches Begleitprogramm an, das Zeitzeugengespräche, Diskussionen mit Fachleuten über das Thema Zwangsarbeit, Filmvorführungen, kulturelle Veranstaltungen und pädagogische Programme für Schulen umfasst.
Der Präsident der Tschechischen Republik Miloš Zeman und der Präsident der Bundesrepublik Deutschland Joachim Gauck sind die Schirmherren der Ausstellung.
Öffnungszeit: Montag – Sonntag: 10.00 – 18.00
Eintritt: 80 CZK
Weitere Informationen über den Ausstellung finden Sie auf diesen Internetseiten:
www.ausstellung-zwangsarbeit.org
Kontakt:
Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora: Dr. Philipp Neumann-Thein, pneumann@buchenwald.de, +49 (0)3643 430 156
Stiftung Forum 2000: Eva Lacinová, eva.lacinova@forum2000.cz, +420 606 785 754
Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ (EVZ): Dietrich Wolf Fenner, fenner@stiftung-evz.de, +49 (0)30 25929776
Deutsch-Tschechischer Zukunftsfonds (DTZF): Christian Rühmkorf, cruehmkorf@gmail.com, +420 731 3232 71