Prag - Die Galerie Rudolfinum eröffnet im Herbst die 100. Ausstellung seit ihrer Gründung im Jahr 1994. Anlässlich dieses Jubiläums hat die Galerie ein umfangreiches Projekt vorbereitet, das das Schaffen des tschechischen Künstlers Krištof Kintera der vergangenen fünf Jahren zusammenfasst und etwa zwanzig Skulpturen, Installationen und interaktive Objekte präsentiert.
Der Name der Ausstellung "Nervous Trees" weist auf die gleichnamigen Objekte hin, die sich im Hauptsaal der Exposition nervös bewegen. Im nächsten Saal schlägt sich der Besucher durch Sockel aus Polystyrol durch, dem wohlbekannten Isoliermaterial, dessen Fragmente aber hier durch den Galeriesaal fliegen und eher an einen unangenehmen Sturm erinnern. Ein wichtiger Bestandteil der Exposition ist das sogenannte Labor, wo der Besucher in den schöpferischen Entstehungsprozess der von Kintera realisierten Installation "Postnaturalia" einbezogen wird, einer artifiziellen, etwa einhundert Quadratmeter bedeckenden poetischen und zugleich drastischen Landschaft, die aus Komponenten verschiedener elektronischer Anlagen zusammengestellt ist. Die Landschaftselemente werden mittels verschiedener künstlicher Blumen, Herbarien und der umfassenden Videodokumentation über die Entstehung der einzelnen Objekte dargestellt.
Der kleine Ausstellungssaal ist der intimeren Schicht von Kinteras Werks gewidmet, so kann man dort Dutzende seiner Zeichnungen sehen. Dagegen sind die großen Säle mit verschiedenen Projekten ausgefüllt, wie zum Beispiel mit "Nervous Trees" (2013), oder einem aus Säcken mit Knauf-Mörtel gebauten Pfeiler "Do It Yourself (After Brancusi)" (2007), oder auch mit "Electrons Seeking Spirit" (2016), einem Mufflon, der sich wie ein mythisches Geschöpf zum Himmel aufbäumt, sowie weiteren Skulpturen. Im Rahmen der Ausstellung führt die Galerie Rudolfinum die Premiere des Films "Hands – Tools of Brain" auf, einen Film, der eine Stunde dauert. Dafür wurden sieben Jahre lang Filmaufzeichnungen der Hände gesammelt, die im Atelier gestalten und zerstören, Material und Verfahren testen, erzeugen und einzelne Elemente der zukünftigen Skulpturen und Installationen zusammenstellen.
Die Ausstellung richtet ihren Fokus auf die wichtigen Prozesse der Zusammenarbeit, was auf den ersten Blick sehr banal erscheinen mag, aber im Grunde genommen das Wesentliche für das Funktionieren und die Entwicklung jedes komplizierteren Systems ist. Gleichzeitig weist sie auf die Zerbrechlichkeit, mit der Beziehungen zwischen der einzelnen Akteuren des Systems stehen und fallen. Kintera sagt, er schätzt sehr die intimen Stunden im Atelier an Wochenenden, wenn er dort allein nur mit sich selbst ist und sich also auf andere Art und Weise konzentrieren kann.
Krištof Kintera (*1973) gehört zu den bekanntesten zeitgenössischen tschechischen Künstlern, die in verschiedenen Medien arbeiten. Das Moment der Bewegung, die Interaktion und das sozialkritische Übergreifen sind das Abbild der Verknüpfung zwischen der bildenden Kunst, Performance und der Theater-Szenografie. Kintera ist Mitbegründer der experimentellen Theatergruppe Jednotka (Die Einheit), und Autor der künstlerischen Gestaltung des alljährlichen Festivals 4+4 dny v pohybu (4+4 Tage in Bewegung). Seine beweglichen Werke sind sehr beliebt geworden, nicht nur dank ihrer mechanisch anspruchsvollen Durchführung, sondern auch wegen ihrer Verspieltheit und ihrem Witz. Dabei haben diese Objekte meist auch eine tiefere Bestimmung als bloße Unterhaltung. Als Patriot des Prager Stadtviertels Vršovice und begeisterter Radfahrer schuf er in Prag zwei untypische originelle Denkmäler – unter der Nusler-Tal Brücke das Denkmal Z vlastního rozhodnutí (Aus eigener Entscheidung), das den Selbstmördern gewidmet ist, und an einer Kreuzung in Prag 7 das Denkmal Bike to Heaven (Fahrrad in den Himmel) zum Gedenken an Jan Bouchal, den Begründer des Vereins Auto*Mat, und an alle anderen Radfahrer, die in Prag von Autos getötet wurden. Krištof Kintera hatte in letzter Zeit bedeutende Ausstellungen in der Galerie der Hauptstadt Prag (Galerie hlavního města Prahy) in der Stadtbibliothek Prag (2012), im Tinguely Museum in Basel (2014) und in der Kunsthalle in Rotterdam (2015).
Der Eintritt in die Ausstellung ist dank der Stiftung Nadační fond Avast kostenlos. (nk)