Prag - Deutschen, die seit mehr als 25 Jahren im Ausland wohnen, droht der Verlust des Wahlrechts. Alle Auslandsdeutschen müssen ihre Eintragung ins Wahlregister bis zum 3. September 2017 beantragen, sonst verlieren sie ihr Wahlrecht bei der nächsten Bundestagswahl am 24. September 2017!
Fast unbemerkt von der deutschen Öffentlichkeit könnte es bei der Bundestagswahl am 24. September 2017 zu einem Ausschluss von vielen Auslandsdeutschen (im Sinne von deutschen Staatsbürgern mit Wohnsitz im Ausland) vom Wahlrecht kommen. Dies betrifft insbesondere deutsche Staatsbürger, die seit 25 Jahren keinen Hauptwohnsitz mehr in der Bundesrepublik Deutschland haben. Grund ist eine Änderung im Bundeswahlgesetz (BWahlG) aus dem Jahre 2013. Gegenwärtig leben allein in anderen EU-Ländern mehr als eine Million deutsche Staatsbürger, insgesamt leben wohl bis zu 3,5 Millionen Deutsche im Ausland. Genaue Statistiken gibt es nicht, auch keine darüber, wie vielen deutschen Staatsbürgern jetzt der Verlust des Wahlrechts droht.
Unbestimmte Bestimmung im Wahlrecht: "Persönliche und unmittelbare Vertrautheit"
Hintergrund der Änderung im Bundeswahlgesetz (BWahlG) war, dass die alte Regel, die die Wahlberechtigung von einer Hauptwohnung in Deutschland von bis zu drei Monaten Dauer nach dem 14. Lebensjahr abhängig gemacht hat, vom Bundesverfassungsgericht am 4. Juli 2012 für verfassungswidrig erklärt wurde, und zwar wegen einer Verletzung des Willkürverbots und des Gebots der Bestimmtheit. Dafür wurde 2013 neu geregelt: alle Deutschen haben das Wahlrecht, wenn sie nach dem 14. Lebensjahr vor weniger als 25 Jahren für mindestens drei Monate eine Hauptwohnung in Deutschland hatten, oder wenn sie nachweisen, dass sie "aus anderen Gründen persönlich und unmittelbar Vertrautheit mit den politischen Verhältnissen in der Bundesrepublik Deutschland erworben haben und von ihnen betroffen sind". Hier scheint die alte verfassungswidrige durch eine neue verfassungswidrige Regelung ersetzt worden zu sein – wenigstens in der zweiten Alternative -, denn die neue Bestimmung ("persönliche und unmittelbare Vertrautheit") ist völlig unbestimmt.
Solche deutsche Staatsbürger, die zwar im Ausland wohnen, aber die noch in Deutschland gemeldet sind, sind in das Wählerverzeichnis am Wohnort eingetragen und erhalten an diese Adresse eine Wahlbenachrichtigung. Für diese Kategorie von deutschen Staatsbürgern ändert sich nichts, sie müssen auch keine Eintragung ins Wahlregister beantragen. Deutsche Staatsbürger dagegen, die zwar in Deutschland keinen Wohnsitz mehr haben, diesen aber nach dem 14. Lebensjahr (so unlogisch ist die gesetzliche Regel, denn das Wahlrecht besteht erst ab der Vollendung des 18. Lebensjahres) drei Monate lang hatten und ihn vor weniger als 25 Jahren aufgegeben haben, müssen sich vor jeder Bundestagswahl in die Wahlliste eingetragen lassen, und zwar in der Gemeinde, wo sie zuletzt wohnten. Dieser Antrag muss drei Wochen vor der Wahl, d.h. spätestens am 3. September 2017, gestellt werden, und zwar im Original. Kein Antrag kann per Mail, Scan, Fax etc. gestellt werden, für die Einhaltung der Frist ist der Zugang bei der Gemeinde entscheidend.
Kritisch wird es für Auslandsdeutsche, die länger als 25 Jahre abgemeldet sind
Kritisch wird es aber für Auslandsdeutsche, die länger als 25 Jahre aus Deutschland abgemeldet sind oder die nie oder weniger als drei Monate oder nur bis zum 14. Lebensjahr in Deutschland gelebt haben. Denn diese müssen zusätzlich, auch bis drei Wochen vor der Wahl, d.h. spätestens am 3. September 2017, gegenüber der letzten Gemeinde oder derjenigen, mit der sie am engsten verbunden sind, ihre Vertrautheit mit und ihre Betroffenheit von den politischen Verhältnissen in Deutschland nachweisen. Passiver Medienkonsum reicht nicht. Es soll reichen, wenn man in einem Ortsverein einer Partei im Ausland aktiv ist oder an der Deutschen Botschaft, Goethe-Institut oder anderen staatlichen Instituten als Ortskraft arbeitet. Die Fallgruppen, die vom Auswärtigen Amt und dem Bundeswahlleiter gebildet wurden, sind einigermaßen absurd. Bei ihrer Lektüre kann man den Amtsschimmel laut wiehern hören.
Das Problem der wahrscheinlich verfassungswidrigen Änderungen ist, dass der Verlust des Wahlrechts definitiv ist, denn er kann auf dem Rechtsweg nur als Wahlprüfungsbeschwerde nach der Wahl angegriffen werden, zuerst vor dem Bundestag und dann vor dem Bundesverfassungsgericht. So kam es auch zu Gerichtsentscheidung aus dem Jahre 2012 – dieser betraf den Ausschluss von zwei in Belgien lebenden Bundesbürgern bei der Bundestagswahl 2009.
Daher ist für alle Auslandsdeutschen zu empfehlen, so bald wie möglich einen Antrag bei der letzten Wohngemeinde einzureichen und zu verlangen, dass die Eintragung ins Wählerverzeichnis schriftlich bestätigt wird. Andernfalls droht bei der wichtigsten Wahl im Jahre 2017 für viele Auslandsdeutsche der definitive Verlust des Wahlrechts.
Quelle: Bundeswahlgesetz (BWahlG)
Externe Links: www.bnt.eu www.bundeswahlleiter.de www.konsularinfo.diplo.de