prag aktuellprag aktuell | Rubrik: Fußball | 10.9.2014
Tschechien - Holland 2:1 / Von Gerd Lemke

Prag - Tschechien bleibt der Angstgegner Hollands. Überraschend verliert der WM-Dritte seine erstes EM Qualifikationsspiel in Prag mit 1:2. Pavel Vrba gelingt damit der erste Sieg als Nationaltrainer.

Die Erwartungen waren eher bescheiden, die Hoffnungen jedoch groß. Der tschechische Fußball müsse sich erst aus seiner Krise herausarbeiten, erklärte der Nationaltrainer vor dem Spiel gegen Holland und bat um Geduld. Im fünften Spiel unter seiner Regie hat es nun endlich geklappt. Sein Team erkämpft den ersten Sieg, ausgerechnet gegen den großen Favoriten Holland.

Pavel Vrba ist der Jürgen Klopp Tschechiens. Er schaffte es, Viktoria Pilsen aus dem Dornröschenschlaf zu erwecken und den Verein nicht nur zwei Mal zur Meisterschaft, sondern auch in die Champions-League zu führen. Und das mit attraktivem modernen Offensivfußball. Das weckte nicht nur den Serienmeister Sparta Prag auf, das Bayern München Tschechiens, der sich seit einem Jahrzehnt nicht mehr für die europäische Top-Liga qualifiziert hat. Das rief auch den Böhmisch-mährischen Fußballverband auf den Plan, nachdem zum wiederholten Mal die WM-Qualifikation verpasst wurde. Pavel Vrba nahm das Angebot an und wurde Nationaltrainer.

Wie schwer das Amt jedoch ist, zeigten die ersten Spiele, zwei Niederlagen und zwei Unentschieden gegen mittelmäßige Gegner, zuletzt eine 0:1 Niederlage gegen die USA. Vrba analysierte die Missstände im tschechischen Fußball, bat um Geduld und verwies auf Deutschland, Belgien oder die Schweiz. Fußballakademien müssen her, die Talente dürfen nicht länger verhätschelt werden und der Erfolg stellt sich irgendwann ein. Dann machte er noch einen geschickten Schachzug. Er nahm Karel Brückner in sein Beraterteam auf, den Trainer des EM-Teams von 2004, der sich durch seine raffinierten taktischen Maßnahmen den Spitznamen der Böhmen-Menotti erworben hat.

Vor zehn Jahren waren die Tschechen reif für den EM-Titel, die Nationalmannschaft war gespickt mit klangvollen Namen, die in den Top-Clubs Europas tragende Rollen spielten: Pavel Nedvěd, Vladimír Šmicer, Karel Poborský, Jan Koller. Tomáš Rosický und Petr Čech waren damals auch schon dabei. Heute spielt kaum ein Tscheche noch im Ausland, selbst Rosický und Čech sind bei ihren Londoner Spitzenclubs Arsenal und Chelsea nur Edeljoker. Die Aussichten vor dem Spiel gegen den WM-Dritten Holland sahen nicht gerade gut aus. Doch es kam anders.

Hollands neuer Trainer Gus Hiddink setzte nach van Gaals variabler WM-Taktik auf das klassische holländische 4-3-3 System. Die Mannschaft stand breit, die Außenspieler hielten weitestgehend die Flügel. Das kam Tschechien entgegen, das den Gegner kommen ließ und mit zwei Viererketten vor dem eigenen Sechzehnmeterraum verteidigte. Holland hatte zwar mehr Ballbesitz, konnte sich in der ersten Hälfte aber nur selten offensiv in Szene setzen. Tschechien hingegen profitierte während des gesamten Spiels von Fehlern im Aufbau des Gegners, der nicht kompakt stand. So entstand auch das erste Tor nach 22 Minuten, ein Pass in die Spitze fand Sparta-Stürmer Lafeta, der mit dem Rücken zum Tor prallen ließ, die Ablage nahm Dočkal direkt und traf den Ball perfekt gegen den linken Innenpfosten.

Holland kam gegen Ende der ersten Spielhälfte stärker auf und zu Chancen. Torwart Čech machte zwar keinen Fehler, doch wie bereits gegen die USA merkte man ihm eine gewisse Verunsicherung nach der Degradierung bei Chelsea zur Nummer 2 an. Letztlich lag es an dem Unvermögen der holländischen Stürmer, dass es mit einem 1:0 in die Pause ging. Den Gästen fehlte Starspieler Arjen Robben wegen einer Verletzung, Robbin van Persie mühte sich in der Spitze, konnte sich aber nicht entscheidend durchsetzen.

In einer unterhaltsamen zweiten Hälfte gelang Holland nach nicht einmal einer Stunde der Ausgleich. Tschechien wehrte einen Eckball zu kurz ab, die folgende Flanke verwertete de Vrij per Kopf. Dann ging es hin und her, beide Seiten kamen zu Chancen, die Tschechen vor allem nach Standardsituationen, hier hatte man sich etwas einfallen lassen. Als alle bereits mit einem Unentschieden rechneten, das: In der ersten Minute der Nachspielzeit fliegt eine eigentlich harmlose Halbfeldflanke in den holländischen Strafraum, Vorstopper Maat hat alle Zeit zu klären, köpft jedoch an seinem verdutzten Torwart vorbei an den Innenpfosten. Der eingewechselte Pilář steht goldrichtig und drückt den Ball über die Linie. Vrba gewinnt sein erstes Spiel als Nationaltrainer und Tschechien feiert mit den ersten drei Punkten einen gelungenen Start in die EM-Qualifikation. Damit bleibt Tschechien weiterhin der Angstgegner der Holländer.

Themen: Fußball-Nationalmannschaft, EM-Qualifikation
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