Der Autor

Inge Buck (geb. in Tübingen) studierte Literatur- und Theaterwissenschaft in Tübingen, München und Wien.

Sie arbeitete als Redakteurin in der Hörspielabteilung bei Deutschlandfunk, Köln und arbeitete als Kulturwissenschaftlerin an der Universität Bremen.

Sie lebt und arbeitet als freie Autorin in Bremen und Süddeutschland. Zu ihren Arbeitsgebieten zählen u.a. Lyrik, Kurzprosa, Hörfunk-Feature und Hörbild. Inge Buck ist Mitglied im Verband Deutscher Schriftsteller (VS) und ist an der Organisation zahlreicher öffentlicher Lesungen und Literaturprojekte beteiligt.

Zuvor war sie bereits nominiert für den Preis des Kurzdrama- und Autorenwettbewerb SALZ 3 des Theater Lüneburg (2013), erhielt ein Stipendium der Stadt Amsterdam (2001) und gewann 1995 den Robert-Geisendörfer-Preis. Zu ihren aktuellsten Werken gehören die prosaische Geschichtensammlung "Die Grenzen des Sommers" (Sujet Verlag, 2016) und der deutsch-persische Gedichtband "Unter dem Schnee" (Sujet Verlag, 2015). Im September 2017 ist sie Stipendiatin des Prager Literaturhauses.

Im Internet: www.prager-literaturhaus.comwww.prager-literaturhaus.com
Bildnachweis:
© Julia Baier

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| Inge Buck | 19.10.2017

Masarykovo nábřeží

Prag, Donnerstag, 07. September 2017

Tag und Nacht höre ich die Sirenen der Krankenwagen, die Prachtstraße Masarykovo nábřeží liegt genau im Schnittpunkt der großen Kliniken zwischen Nové Město und dem gegenüberliegenden Ufer. Dass mich dieser Sound der Stadt auch am Schreibtisch begleitet, erinnert mich an Darius Milhaud, der in Paris am liebsten bei offenem Fenster unter brausendem Verkehrslärm komponiert hat.

Wenn ich meine Prachtstraße entlang flaniere, vorbei am Goethe-Institut mit goldener Schrift, sehe ich ungewöhnliche Häuserfassaden mit gotischen Bögen, Figuren im Halbrelief, mit üppig wuchernden Pflanzen und Früchten aus Stein, mit bombastischen Girlanden, überquellenden Blumenvasen, Säulen oder Lampen aus Glas, verziert mit einer goldenen Krone.

Das Haus, in dem ich wohne, hat fünf Stockwerke, täglich steige ich die steinernen Stufen hinunter und wieder hinauf. Um in das Haus zu kommen, muss ich zuerst eine schwere Holztür öffnen, dann nach einigen Treppenstufen eine 2. vergitterte Stahltüre. Dann steige ich hinauf, bei meiner letzten Zählung bin ich auf 138 Stufen gekommen. Wenn ich dann die Wohnungstüre geöffnet habe, blicke ich auf einen weiten Himmel, der sein Licht und seine Farben im Lauf des Tages ständig verändert.

Auf der Fassade des Jugendstilhauses, in dem ich wohne, steht das Wort Hlahol, benannt nach einem Gesangschor, der im Haus einen eigenen Konzertsaal hat. Unter dem Giebel leuchtet ein Jugendstilmosaik einer Harfenspielerin mit freiem Oberkörper und wehendem blauweißen Gewand, die dem Beschauer den Rücken zugekehrt hat, ihr gegenüber eine Gruppe Lauschender, darüber das Mosaik eines tiefblauen Himmels.

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