Prag - "Deset let": Hat sich die Welt in den vergangenen zehn Jahren verändert? Es sind vor allem die Katastrophen, die einem in Erinnerung bleiben. In seiner aktuellen Fotoausstellung nimmt uns Jan Šibik mit auf eine Zeit- und Weltreise in die zurückliegende Dekade entlang der tatsächlichen Krisen.
Nein, es ist nicht in Ordnung, dass Freier für einen Dollar Sex im Slum von Nairobi haben können und HIV-Infizierte dann keine medizinische Versorgung zur Verfügung steht. Seien es gewaltsame Proteste wie bereits 2013 gegen die autoritäre Regierungsführung in Istanbul oder seit 2014 in der Ukraine, Bürgerkriege, Umweltkatastrophen oder extreme Armut - Šibik gelingt in einzigartiger Art und Weise die Verbindung von Einzelschicksalen und der gesellschaftlichen, ja weltweiten Bedeutung.
Der Kampf für freie Meinungsäußerung und gegen Ungerechtigkeiten, der Wille für Frieden, aber auch die Hilflosigkeit mit der bestimmte Regionen den Naturkatastrophen ausgeliefert sind, bilden Leitmotive der Ausstellung. Dabei wird Skurriles, wie prunkvolle Straßen ohne Autos in Nordkorea gezeigt, jedoch erspart die Ausstellung dem Betrachter nie den Blick auf die teilweise verstörende Wahrheit. Verwesende Leichenberge nach dem Erdbeben auf Haiti werden genauso gezeigt wie blutige Straßenkämpfe in Bangkok 2010.
Bei der Darstellung weltweiter Krisenherde konzentriert sich Šibik nicht nur auf Entwicklungsländer. Eine ausführliche Darstellung der typischen Fluchtroute über den Balkan und der normalen Lebensumstände in dem großen Roma-Ghetto Luník IX in der Ostslowakei verdeutlichen, dass die globale Frage nach Veränderungen der letzten zehn Jahre vor allem auch Europa betrifft.
Mit eindrucksvoll, gestochen scharfen Fotos und gut gewählten Hintergrundinformationen zu den ausgewählten Fällen überzeugt die Ausstellung. Ein besonderes Highlight: Der Fotograf sitzt manchmal höchstpersönlich an der Kasse und ist gerne bereit, Details und Erfahrungen zu einzelnen Fotos zu teilen.
Der 1963 in Prag geborene Jan Šibík ist dabei einer der bekanntesten tschechischen Reportagefotografen. Er arbeitete viele Jahre mit der Zeitschrift Reflex zusammen, und seine Arbeiten waren auf zahlreichen Ausstellungen nicht nur in Tschechien zu sehen. Für seine Fotos erhielt er zwei Mal den Hauptpreis beim Wettbewerb "Czech Press Photo" (1995 und 1999) sowie etliche weitere Auszeichnungen. Im Jahr 2004 belegte er beim "World Press Photo" den dritten Platz in der Rubrik Sportfotografie.
Trotz der erschreckenden Wirklichkeit der Fotos vermittelt die bis zum 3. April verlängerte Ausstellung nicht das Gefühl der Hilflosigkeit. Vielmehr wird der Betrachter dazu aufgefordert, sich den globalen Problemen unserer Zeit zu stellen. Das bedeutet auch, Gesetze der Natur zu akzeptieren und soziale Bewegungen als Antwort auf politische Repression und Gewalt zu verstehen. (jeli/nk)