Prag - Sparer sollen mit negativen Zinsen abgestraft, das Bargeld überhaupt abgeschafft werden, die Zinsen stehen auf Rekordtief, die Zentralbanken überfluten die Märkte mit frisch gedrucktem Geld. Ja, was denn nun, fragt man sich orientierungssuchend. Stimmt etwas nicht mit dem Geld, ist es etwa krank, weil so viel an ihm herumgedoktert wird? Oder ist es gar vom Aussterben bedroht?
Für den Normalbürger gilt meist immer noch die Formel: Geld ist knapp. Und in Zeiten knappen Geldes muss man haushalten. Das wiederum tut der Wirtschaft nicht gut, denn das bedeutet abnehmende Nachfrage, den Weg über nachlassende Konjunktur zur Rezession und - wenn diese andauert – hinein in die Depression. Wenn es der Wirtschaft, also allem, was irgendwie mit Geld und dessen Tauschwert zu tun hat, schlecht geht, wirkt das ansteckend auf viele von uns Normalos. Dann geht es uns oft eben genauso.
Der interessanten Frage, was denn die Seele des universalen Schmiermittels für einen geölten Wirtschaftskreislauf ausmacht, geht derzeit eine Ausstellung im Prager Museum für zeitgenössische Kunst, DOX, nach. Eine Mischung aus – teilweise – plakativen und aktivistischen Exponaten, Dokumentarfotografien und Präsentationen von ambitionierten Gegenprojekten stößt den Besucher mit der Nase auf die extremen Auswüchse der kapitalistischen Weltordnung.
Die Beschäftigung mit Geld hat weder etwas Erhebendes noch besonders Inspirierendes – außer für die Spezies kreativer Buchhalter. Geld ist schlichtweg profan, das wusste auch František Kupka vor über einhundert Jahren. Auf dem Bild “Geld” stellt er eine Prostituierte dar, die vor einem hockenden alten Mann sitzt, der die Weltkugel verschluckt hat, im Hintergrund lauern schemenhaft Dämonen. Dies Bild braucht weder Netz noch doppelten Boden, ebenso wie das daneben hängende Bild von Marek Schovánek, dem das DOX jüngst eine umfangreiche Retrospektive unter dem Titel “Propaganda” gewidmet hat. Why do you get all the love in the world?, steht in auf Goldbarren geritzten Lettern vor goldenem Hintergrund.
Wer stellt diese hinterhältige Frage? Etwa die Arbeiter, die unter sklavenähnlichen Bedingungen ihre Gesundheit ruinieren, wie sie Lisa Kristine in ihrer Serie “Der Preis des Goldes” fotografiert, oder die Kinder auf den Fotos von Fernando Moleres aus dem Zyklus “Ausbeutung der Kinderarbeit”? Kinder toben wie im Spiel auf riesigen Müllhalden, Menschen schlafen, essen und vegetieren auf vier Quadratmetern in Hongkong (Michael Wolf, Die Architektur der Dichte), in einem Armenviertel von Manila ist es Mode, eine Niere für eintausend bis eintausendfünfhundert Euro zu verkaufen (Richard Jones, Der philippinische Organhandel), um wenigstens für eine Weile der Armut zu entfliehen, Paolo Patrizi dokumentiert die Bedingungen nigerianischer Sex-Arbeiterinnen in einem Wald außerhalb von Rom. Wissen sie vielleicht eine Antwort auf Schováneks Frage?
Die Abteilung dokumentarischer Fotografien konfrontiert den Besucher mit den Auswüchsen der Ausbeutung in der Dritten Welt und bereitet das schlechte Gewissen, das nötig ist, um empfänglich für die radikalen Botschaften zu machen: die Guillotine von Jota Castro. Sind wir selbst es, die den Kopf unter das Fallbeil legen sollten? Die Performance von Libia Castro und Ólafur Ólafsson klärt auf: 65 Menschen gehört die Hälfte des weltweiten Vermögens. Sie passen alle in einen Bus. Aber wer fährt eigentlich diesen Bus? Und wohin fährt er?
Im schönen didaktischen Dreischritt – Aufzeigen des Problems, Aufklären der Hintergründe - folgen nun die Lösungsvorschläge, Alternativen zu der bestehenden monetären Weltordnung, wie etwa die Bitcoins, eines der neu entstandenen Systeme von Waren- und Dienstleistungsaustausch jenseits der Ordnung von IWF und Weltbank.
Die Ausstellung “Die Seele des Geldes” greift das Thema angenehm unideologisch auf, an den Wänden sind Sprüche nicht etwa von Marx oder Rockefeller, sondern etwa des amerikanischen Soziologen Richard Sennet (”Der Misserfolg ist nicht nur eine gewöhnliche Möglichkeit, der sich nur sehr arme und benachteiligte Menschen ausgesetzt sehen. Der Markt, wo der Sieger alles nimmt, ist eine Wettbewerbsstruktur, die auch eine große Zahl ausgebildeter Menschen zum Misserfolg bestimmt.”) oder Henry Millers über die Wohltat des Geldes für die Besitzenden zu lesen. Der Sexoman spricht dabei die Frage der Fragen aus: Was macht eigentlich Geld zu Geld?
Trotz der didaktischen Geschlossenheit und künstlerischen Mannigfaltigkeit (26 künstlerische Subjekte) bleibt bei der Ausstellung “Die Seele des Geldes” ein Hauptverdacht: Wird hier nicht den bereits Überzeugten gepredigt?
Komplementär zeigt das DOX im ersten Stockwerk eine übernommene Ausstellung der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, “Supermarkt der Toten”, die auf eingängige Weise mit der fernostasiatischen Konsumwelt vertraut macht.