Prag - Dass Brünn für Headlines jenseits des großen Teiches sorgt und Erwähnung in den US-amerikanischen Medien findet, ist nicht alltäglich. Die letzte große Causa, die die südmährische Metropole sogar zu CNN ins Fernsehen katapultierte, war der Vierfachmord von vor knapp einem Jahr. In dem Fall war zudem ein Bezug zu Amerika vorhanden: Der mutmaßliche Meuchelmörder Kevin Dahlgren war ein US-Import und floh nach dem Gemetzel aus Brünn Hals über Kopf in seine Heimat.
Die Ablehnung der Pläne des US-Internetriesen Amazon durch die Brünner Stadtverordneten dieser Tage ist wieder mal so ein Anlass. In einem Land, in dem sogar seriöse Medien die Tschechische Republik regelmäßig mit Tschetschenien verwechseln oder die Tschechoslowakei wieder auferstehen lassen, ist es sicher nicht verkehrt, seinen Lesern das Goldene Prag als Ankerpunkt zur besseren Lokalisierung von Gegebenheiten anzubieten. Zu bedenken ist dabei auch, dass im weiten Amerika räumliche Distanzen, Kilometerdistanzen zumal, anders empfunden werden als im alten Europa. Vielleicht war es also gar nicht Unkenntnis des Schreibers, vielleicht gefiel dem Autor einfach nur der schöne David-gegen-Goliath-Spin.
Jedenfalls, mit seiner Meldung über die Probleme von Amazon in Südmähren, gelang Ben Miller vom Puget Sound Business Journal nun umgekehrt der mediale Sprung zurück über den großen Teich: "Czech village rebuffs Amazon's plans for center". Buff, eine Schlagzeile, die sitzt.
Offensichtlich traf seine Charakterisierung der zweitgrößten tschechischen Stadt auf einen blank liegenden Nerv in der südöstlichen europäischen Herzregion: "The Czech Republic village of Brno near Prague..." beginnt Ben Miller seinen Artikel - der heute genüsslich vom großen tschechischen Online-Dienst Novinky.cz zitiert wird.
So viel Traffic aus einem einzigen, noch dazu überseeischen Dorf wie in diesem Fall, dürfte eine kleine Wirtschaftsmeldung beim Puget Sound Business Journal bisher nur selten generiert haben. Jedenfalls wird Millers Artikel dort inzwischen als meistgelesen ausgewiesen.
Zwar hat der Blog-Autor den Leserprotesten schnell Rechnung getragen und der Geschmähten den Status einer "city" verliehen. Doch - Nachrichtenaggregatoren sei dank - das Internet vergisst nichts und so wird Brünn, Proteste hin oder her, sicher auch in Zukunft wieder als "village" Eingang in die amerikanischen Medien finden. Die Prager werden sich ihren Teil denken. (nk)