prag aktuellprag aktuell | Rubrik: Politik, Panorama | 28.10.2020
Zahl der Todesfälle und Krankenhauspatienten steigt rasant - 15.663 Neuinfektionen an einem Tag - jeder dritte Test positiv

Prag - In Tschechien brechen die Coronazahlen trotz des schon seit rund zwei Wochen geltenden weitgehenden Lockdowns weiterhin täglich neue Rekorde. 

Am heutigen Staatsfeiertag, dem 28. Oktober, an dem der Gründung der Tschechoslowakei im Jahre 1918 gedacht wird, meldet das tschechische Gesundheitsministerium für den Vortag insgesamt 15.663 Neuinfektionen - das ist der absolute Höchstwert seit Beginn der Pandemie.

Der Anteil der positiven Tests an der Zahl der gesamten durchgeführten Tests beträgt dabei im Sieben-Tage-Mittel inzwischen 31,76 Prozent. Seine vorläufige Spitze erreichte er dabei am 25. Oktober mit 34,16 Prozent - mehr als jeder Dritte Test ist also positiv. Epidemiologen gehen daher von einem vergleichsweise sehr hohen Durchseuchungsgrad der Bevölkerung mit vielen unerkannten symptomfreien Infizierten aus, die das Virus weiterverbreiten.  

Aktuell sind offiziell mehr als 170.000 Menschen als an Covid-19 erkrankt erfasst. In den meisten Fällen nimmt die Krankheit dabei zwar einen milden Verlauf, doch seit einer Woche sterben täglich auch mehr als hundert Coronakranke in Tschechien. 

Covid-19 inzwischen zweithäufigste Todesursache

Für den gestrigen Dienstag meldet das Gesundheitsministerium bislang 98 Todesfälle, wobei die Zahlen normalerweise mit späteren Aktualisierungen noch steigen. Die bislang höchste Zahl an Coronatoten an einem Tag wurde mit 139 am Montag erreicht. 

Der Präsident der Tschechischen Ärztekammer Milan Kubek wies bereits am Wochenende im öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehen (ČT) darauf hin, dass Covid-19 inzwischen die zweithäufigste Todesursache in der Tschechischen Republik sei. "Wir haben alle Krebsarten zusammen genommen überholt, denn daran sterben pro Tag durchschnittlich 75 Menschen", so Kubek.

Tatsächlich gab es allein in den vergangenen fünf Tagen mit 684 Toten mehr Corona-Todesfälle als in den ersten sieben Monaten der Pandemie zusammen (von 1. März bis 30. September: 674 Todesfälle). Und seit Anfang Oktober stieg die Zahl der Todesopfer auf nunmehr insgesamt 2.547 und hat sich somit innerhalb eines knappen Monats fast vervierfacht.

Auch die Zahl der Krankenhausaufenthalte nimmt schnell zu. So stieg die Zahl der stationär in Krankenhäusern behandelten Corona-Patienten am Dienstag auf insgesamt 6.191, das sind 578 Patienten mehr als noch am Vortag. 893 Patienten befinden sich davon in einem ernsten Zustand. 

"Kühlwagen mit Leichen" oder kriegt Tschechien doch noch die Kurve?

Der Leiter des Corona-Krisenstabes, Innenminister Jan Hamáček, der selbst an Covid-19 erkrankt und deswegen in häuslicher Isolation ist, bewertet die aktuelle Zahl der Neuinfizierten dennoch vorsichtig optimistisch. "Ich mag Sie überraschen, aber diese 15.000 sind keine schlechte Nachricht, obwohl es ein Rekord ist. Sollte sich die Entwicklung auf diese Weise fortsetzen, was bedeutet, dass die Zahlen immer noch steigen, aber das Tempo dabei abnimmt, dann ist dies der richtige Weg", sagte Hamáček am heutigen Mittwoch in der Rundfunksendung Radiožurnál.

Dem Innenminister wird man dabei nicht unbedingt Zweckoptimismus vorwerfen können. Noch vor gut zwei Wochen hatte der Vorsitzende der tschechischen Sozialdemokraten mit eindringlichen Worten den Ernst der Lage beschrieben: "Wir sind 14 Tage vor dem Kollaps." Ohne eine Verschärfung der Anti-Corona-Maßnahmen würden in Kürze auf den tschechischen Straßen "Kühlwagen mit Leichen" stehen, warnte der Minister damals.

Krankenhäuser am Limit: Gesundheitspersonal wird knapp 

Bei der Beurteilung der Lage des Gesundheitswesens richtete sich der Blick lange vor allem auf die Zahl der freien Bettenkapazitäten. Dass die Patienten jedoch nicht nur Betten benötigen, sondern auch Pflegepersonal, daran erinnerte Anfang der Woche Ärztekammerpräsident Kubek.  

"An einem einzigen Tag sind 184 Ärzte erkrankt und wir haben derzeit über elftausend Pflegekräfte, die sich selbst behandeln. Gleichzeitig rollen Wellen von Patienten in die medizinischen Einrichtungen, von denen ein beträchtlicher Teil in einem ernsten Zustand sein wird", so Kubek, der die Menschen vor diesem Hintergrund dazu aufrief, die Anti-Corona-Maßnahmen einzuhalten und auf diese Weise dazu beizutragen, das Pflegepersonal zu entlasten.

Offizielle Feierlichkeiten und Gala-Abend abgesagt 

Der Höhepunkt der Feierlichkeiten zum Nationalfeiertag ist in Tschechien traditionell der Gala-Abend auf der Prager Burg, bei dem der Staatspräsident staatliche Auszeichnungen vergibt. Ursprünglich wollte Präsident Miloš Zeman die Zeremonie trotz der sogar nach Einschätzung des tschechischen Premiers Andrej Babiš "katastrophalen" Coronazahlen beibehalten, konnte aber nach einem Treffen mit Vertretern der tschechischen Regierung schließlich doch noch davon abgebracht werden.

Zwar werden auch dieses Jahr ausgewählte Persönlichkeiten ausgezeichnet, die feierliche Verleihung der Orden soll aber erst am 28. Oktober in einem Jahr erfolgen. Präsident Zeman kündigte an, dass er beispielsweise den vor einem Jahr verstorbenen Karel Gott posthum auszeichnen werde.

Abgesagt wurde auch die Rede des Staatspräsidenten, die die Zeremonie im Vladislav-Saal auf der Prager Burg traditionell begleitet. Stattdessen wird Zeman sich mit einer aufgezeichneten Rede an die (Fernseh-)Nation wenden. Die knapp zehnminütige Ansprache wird heute ab 20.05 Uhr im Tschechischen Fernsehen (ČT) ausgestrahlt. (nk) 

Bildnachweis:
prag aktuell / N. Köhler - Corona-Teststation am Prager Hauptbahnhof
Themen: Coronavirus in Tschechien, Coronakrise, Nationalfeiertag
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