Prag - Künftig sollen Restaurants, Kneipen, Bars und Diskotheken im historischen Stadtzentrum der tschechischen Hauptstadt schon um 22 Uhr ihre Türen schließen. Das jedenfalls sieht der Entwurf einer Verordnung vor, den diese Woche der sozialdemokratische Stadtrat des ersten Stadtbezirks Ivan Solil vorgestellt hat.
Hintergrund ist die nächtliche Lärmbelästigung, über die sich Anwohner im Stadtzentrum seit Jahren beklagen.
In der besonders von Touristen stark frequentierten Altstadt mit ihrer hohen Kneipendichte wird der Lärm durch Musik, betrunkene Nachtschwärmer und an- und abfahrende Taxis von vielen Anwohnern mittlerweile als unerträglich empfunden. Mit Bürgerinitiativen, einem eigens eingerichteten Youtube-Kanal, auf dem sie die Situation in der Altstadt exemplarisch dokumentieren, und zuletzt auch mit einer Petition, versuchen die Altstadtbewohner sich Gehör zu verschaffen und ihr Recht auf ruhigen Schlaf durchzusetzen.
Der von Ivan Solil vorgestellte Maßnahmenkatalog enthält neben der behördlich verordneten Sperrstunde weitere restriktive Maßnahmen. So zum Beispiel den bereits beschlossenen Ausbau der Kameraüberwachung oder die Einschränkung der Konzessionen zur Außenbestuhlung und -bewirtung.
Solil sieht die von ihm anvisierten Maßnahmen, die einen erheblichen Eingriff in die Rechte der Gastronomen bedeuten würden, durch ein entsprechendes Urteil des tschechischen Verfassungsgerichts gedeckt, nach dem die Gemeinden berechtigt seien, "die Betriebsstunden von gastronomischen Betrieben im Einklang mit dem Schutz der öffentlichen Ordung zu beschränken."
Ob Solil seine radikälen Sperrstundenpläne politisch durchsetzen kann, ist allerdings fraglich. Die Polizeistunde müsste nämlich vom Magistrat, dem Stadtparlament der Hauptstadt Prag, verabschiedet werden. Keinerlei Gegenliebe ist vom Gastgewerbe und seiner starken Lobby zu erwarten und auch die Prager Grünen kündigten schon Widerstand an.
In die Diskussion um die Sperrstunde schaltete sich inzwischen auch Prags Oberbürgermeister Tomáš Hudeček (TOP 09) ein. Auf seinem Facebook-Profil veröffentlichte er am Freitag einen Eintrag, in dem er zwar Verständnis für das Bedürfnis der Bewohner der Altststadt nach Nachtruhe äußerte, sich aber zugleich von der Idee einer Sperrstunde distanzierte.
"Die Bewohner des Zentrums haben es sicher oft nicht leicht, aber auch sie haben sicher kein Interesse an einer toten Zone, aus der um zehn Uhr abends jegliches Leben verschwindet", so Hudeček. Und: "Ich würde eher die konsequentere Einhaltung der bestehenden Regeln begrüßen und möglicherweise ein größeres Verantwortungsbewusstsein der Betreiber für die Ordnung vor ihren Clubs und Bars. Nicht aber eine Polizeistunde mit dem Odem der Rückkehr zum Sozialismus."
Immerhin warb die Tourismusagentur der Hauptstadt im Ausland noch unlängst mit Videos, in denen übernächtigte Prag-Besucher beteuerten, schlafen könne man ja auch noch zu Hause. "Schön wär's", mochte sich da mancher Prager des ersten Stadtbezirks denken. (nk)