prag aktuellprag aktuell | Rubrik: Politik | 20.9.2014
Gericht kippt bisherige Regelung für EU-Ausländer als im Widerspruch zum EU-Recht stehend

Prag - Bei den Kommunalwahlen in Tschechien am 10. und 11. Oktober dürfen Bürger anderer EU-Staaten wählen, die im Land einen Wohnsitz haben, auch dann, wenn sie nur zum vorübergehenden Aufenthalt gemeldet sind.

Das geht aus einem am Freitag veröffentlichten Urteil des Regionalgerichts in Brünn hervor, berichten tschechische Medien. Das tschechische Wahlrecht hatte bisher nur Ausländern mit einem dauerhaften Aufenthaltsstatus die Teilnahme an den Kommunalwahlen ermöglicht.

Gegen das Urteil ist keine Berufung möglich und die Entscheidung somit rechtskräftig und allgemein gültig. Wie viele EU-Ausländer von der Entscheidung betroffen sind, ist derzeit noch unklar.

Das Gericht entschied im konkreten Fall eines in Tschechien lebenden Slowaken, der beantragt hatte, im Wählerverzeichnis in Brno-Královo Pole eingetragen zu werden. Der Stadtbezirk lehnte diesen Antrag jedoch ab, mit der Begründung, dass der Antragsteller dort nicht zum dauerhaften Aufenthalt gemeldet sei, so wie es das Kommunalwahlgesetz verlange.

Gegen diese Entscheidung hatte der Slowake geklagt und nun vor Gericht Recht bekommen. Der Slowake hatte sich dabei auf das Gemeinschaftsrecht der EU berufen und geltend gemacht, dass die rechtliche Regelung in Tschechien gegen EU-Recht verstoße.

Stein des Anstoßes: Aufenthaltsstatus "trvalý pobyt"

Hintergrund ist, dass der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union EU-Bürgern das Recht einräumt, sich an den Wahlen zu den Orts- und Regionalvertretungen zu beteiligen, und zwar auch im jeweiligen EU-Ausland - dort wo sie ihren Wohnsitz haben.

Das bisher geltende Wahlrecht in Tschechien ermöglicht es jedoch nur denjenigen EU-Ausländern, die in Tschechien einen Wohnsitz haben, in ihrer jeweiligen Gemeinde zu wählen, die als Aufenthaltsstatus einen "dauerhaften Aufenthalt" (trvalý pobyt) nachweisen können. Zwar müssen auch Tschechen den "dauerhaften Aufenthalt" in der Gemeinde haben, doch ist es in ihrem Falle nur eine Formalie und Frage der behördlichen Anmeldung.

Ausländer dagegen erhalten den Aufenthaltsstatus "trvalý pobyt" erst, wenn sie einige Jahre (in der Regel fünf) ununterbrochen in Tschechien gemeldet sind.

"Die innerstaatliche Ausgestaltung steht daher im Widerspruch zum Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, nach dem insbesondere gilt, dass Bürger der Union unter anderem das Recht haben, bei Kommunalwahlen zu wählen und gewählt zu werden in dem Mitgliedsstaat, in dem sie ihren Wohnsitz haben, und zwar zu den gleichen Bedingungen wie die Staatsangehörigen des jeweiligen Staates", konstatiert das Gericht.

Auf die diskriminierende Gesetzgebung in Tschechien hatte Ende August schon die tschechische Ombudsfrau Anna Šabatová bei einem Treffen mit Innenminister Milan Chovanec (ČSSD) hingewiesen und Änderungen angemahnt. (nk)

Themen: Wahlrecht für EU-Ausländer, Kommunalwahlen, Recht
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