Prag - Der tschechische Theologe Tomáš Halík, für seinen unermüdlichen Einsatz für einen Dialog der Religionen unlängst in London mit dem renommierten Templeton-Preis ausgezeichnet, wendet sich in einem offenen Brief an die in Tschechien lebenden Muslime. Halík ruft diese dazu auf, sich für die im Sudan zum Tode verurteilte schwangere Christin einzusetzen, die allein wegen ihres Glaubens verurteilt wurde.
Die Sudanesin Mariam Jahia Ibrahim Ishak war im Mai von einem Gericht in Khartum (unter anderem) zum Tod durch Erhängen verurteilt worden. Der Christin wurden "Ehebruch" und "Apostasie", der Abfall vom Islam, vorgeworfen. Medienberichten nach sitzt die 27-jährige Frau mit ihrem 20 Monate alten Sohn und hochschwanger im Gefängnis.
In dem am Dienstag auf den Webseiten der Tschechischen Bischofskonferenz veröffentlichten offenen Brief ruft der Theologe die in Tschechien lebenden Muslime auf, zusammen mit ihm an die sudanesischen religiösen Autoritäten zu appellieren und die Freilassung von Mariam Ishak zu fordern.
Wörtlich schreibt Halík unter anderem: "Falls diese barbarische Strafe, die allen Grundsätzen der Gerechtigkeit und der Barmherzigkeit widerspricht, vollstreckt wird, verliert nicht nur der Sudan damit das Recht, sich ein zivilisiertes Land zu nennen, sondern leidet dadurch erneut weltweit ernsthaft der Ruf des Islams und der sich zu ihm Bekennenden. Ein solch pervertiertes Rechtsverständnis der Gerichtsautoritäten weckt nämlich noch größere Ängste und Abscheu als die Einzeltaten von Terroristen, die offensichtlich die Symbole und die Rhetorik des Islam zur Verbreitung von Hass und Gewalt missbrauchen. Ich denke, dass die Zeit gekommen ist, dass gerade die Muslime, die im Westen die volle Religionsfreiheit und Toleranz seitens der Christen und der anderen Gläubigen und Nicht-Gläubigen genießen, sich dafür einsetzen, dass in den islamischen Ländern der Grundsatz des Korans 'Kein Zwang in der Religion' angewendet wird, dass in diesem Geist das islamische Recht interpretiert und von den islamischen Autoritäten das Recht auf die freie Entscheidung in Glaubenssachen respektiert wird."
Halíks Aufruf hat um so größeres Gewicht, als der christliche Theologe seit langem für ein friedfertiges und von gegenseitigem Respekt vor dem anderen Glauben geprägtes Zusammenleben der Religionen eintritt und gerade nicht zu den Falken im "Kampf der Kulturen" zählt. Zuletzt hatte Halík die Ende April in muslimischen Gebetsräumen während des Freitagsgebets in Prag durchgeführte Polizeiraza kritisiert und sich auf die Seite der betroffenen Muslime gestellt. (nk)