prag aktuellprag aktuell | Rubrik: Gesellschaft | 5.2.2014
Die wichtigsten Änderungen im Überblick / Teil I: Allgemeiner Teil / Von Roland Fedorczyk, gtai

Bonn - Das zum 1.1.2014 in Tschechien in Kraft getretene neue Zivilgesetzbuch passt das tschechische Privatrecht den Anforderungen des modernen Wirtschaftslebens an. Im Gegensatz zu dem bislang geltenden Zivilgesetzbuch, kommt im neuen Gesetz dem Grundsatz der Privatautonomie eine besondere Bedeutung zu. Darauf aufbauend wurde das tschechische Zivilrecht den Herausforderungen der modernen Wirtschaft angepasst.

Einleitung

In Tschechien gilt ab dem 1.1.2014 ein komplett neues Zivilgesetzbuch - Zákon ze dne 3. února 2012 obcanský zákoník (http://www.psp.cz/sqw/sbirka.sqw?r=2012&cz=89), welches das bislang geltende Zivilgesetz von 1964 ablöst, das seinen Ursprung noch in der sozialistischen Gesetzgebung hatte. Die Neukodifizierung des tschechischen Privatrechts ist im Rahmen einer großen Gesetzesreform erfolgt, die auch das Handelsrecht und das internationale Privatrecht umfasste.

Die hier besprochene Reform des tschechischen Zivilrechts führte nicht nur zu einer Aufhebung des alten Zivilgesetzbuches und der Verortung der alten Vorschriften unter dem Dach eines neuen Gesetzbuches. Vielmehr hat der tschechische Gesetzgeber eine grundlegende Reform seines Privatrechts vorgenommen, mit welcher er den Anforderungen des modernen Wirtschaftslebens gerecht werden will.

Das neue Zivilgesetzbuch gliedert sich in insgesamt fünf Teile:

  • Teil I: Allgemeiner Teil (obecná cást - §§ 1-654)
  • Teil II: Familienrecht (rodinné právo - §§ 655-975)
  • Teil III: Absolute Vermögensrechte (absolutní majetková práva - §§ 976-1720)
  • Teil IV: Relative Vermögensrechte (relativní majetková práva - §§ 1721-3014)
  • Teil V: Übergangs- und Schlussvorschriften (ustanovení spolecná, přechodná a závěrecná - §§ 3015-3079)

Mit dem vorliegenden Artikel wird zunächst der Allgemeine Teil des neuen tschechischen Zivilgesetzbuches besprochen. In den zwei darauf folgenden Artikeln wird auf die absoluten Vermögensrechte eingegangen, in denen das Sachenrecht besprochen wird. Der letzte Artikel widmet sich den "Relativen Vermögensrechten" des neuen tschechischen Privatrechts, mit einem besonderen Fokus auf das dort regulierte Schuldrecht.

Teil I - Allgemeiner Teil (§§ 1-654)

Der im ersten Teil des neuen Zivilgesetzbuches geregelte Allgemeine Teil enthält im Wesentlichen Erläuterungen zu den nunmehr in Tschechien geltenden (zivilrechtlichen) Grundsätzen und Regelungen zu den fundamentalen Rechtsinstituten, namentlich zu:

  • (juristischen wie natürlichen) Personen (osoby, §§ 15-435);
  • der Stellvertretung (zastoupení, §§ 436-488);
  • (beweglichen und unbeweglichen) Sachen (věci, §§ 489-544);
  • den Rechtssetzungen (bspw. Begründung von Rechtsverhältnissen) (právní skutecnosti, §§ 545-654).

Die wesentlichste Änderung im Bereich der allgemeinen Grundsätze betrifft die Privatautonomie. Diese ist durch den tschechischen Gesetzgeber gestärkt worden und zeichnet sich jetzt dadurch aus, dass die meisten Bestimmungen des neuen tschechischen Zivilgesetzbuches dispositiv sind. Dies bedeutet, dass sofern das Gesetz nicht ausdrücklich die Anwendung einer gesetzlichen Regelung vorschreibt, die Parteien auch eine abweichende Vereinbarung treffen können oder gar die Anwendbarkeit einer Vorschrift ausschließen dürfen.

Grundlegende Regelungen zu natürlichen und juristischen Personen (fyzické osoby / právnické osoby) finden sich in den §§ 15-435 des tschechischen Zivilgesetzbuches. Für das Wirtschaftsrecht haben neben der Definition des Verbrauchers (spotřebitel, § 419) und des Unternehmers (podnikatel, § 420) insbesondere die §§ 210-418 besondere Bedeutung. Diese Vorschriften enthalten Regelungen zu den nach tschechischem Recht typischen juristischen Personen. Dabei handelt es sich um:

  • Körperschaften (korporace, §§ 210-302), hier insbesondere die Vereine (spolek)
  • Einrichtungen (fundace, §§ 303-401), hier insbesondere die Stiftungen (nadace);
  • Anstalten (ústav, §§ 402-418).

Die tschechischen Definitionen der jeweiligen juristischen Personen weichen inhaltlich nicht wesentlich von ihren deutschen Pendants ab.

Ein besonderes Augenmerk sollte noch auf dem Begriff der öffentlichen Register der juristischen Personen (veřejné rejstříky právnických osob) liegen, von dem in § 120 des neuen tschechischen Zivilgesetzbuches gesprochen wird. Dieser Begriff ist ein Gesamtbegriff für die Register, in welche sich juristische Personen, je nach ihrer Rechtsform, eintragen müssen. Hierzu gehört beispielsweise das Unternehmensregister (obchodní rejstřík) oder das Stiftungsregister (nadacní rejstřík). Welche Registrierungspflichten im Konkreten zu beachten sind, regelt ab dem 1.1.2014 das Gesetz über die öffentlichen Register der juristischen und natürlichen Personen - Zákon o veřejných rejstřících právnických a fyzických osob (http://www.sbirka.cz/POSL4TYD/NOVE/13-304.htm). Mit "natürlichen Personen" sind hier Einzelunternehmer gemeint, die ihr Unternehmen nicht in Gestalt einer besonderen juristischen Person organisiert haben. Mit der Zusammenlegung der jeweiligen Registrierungsvoraussetzungen in einem Gesetzesbuch, hat der tschechische Gesetzgeber gemeinsame Regeln für die Registrierungsvoraussetzungen aufgestellt, die eine Registrierung vereinfachen sollen.

Die Regelungen zu der Stellvertretung finden sich in den §§ 436-488 des neuen tschechischen Zivilgesetzbuches, im Rahmen welcher sich beispielsweise auch die Vorschriften zur Prokura (prokura, §§ 450 ff.) wiederfinden. Wesentliche Änderungen innerhalb dieser Vorschriften betreffen allerdings nicht die wirtschaftsrechtlich relevanten Bereiche, sondern beziehen sich auf Vormundschaftsregelungen von bestimmten Personengruppen.

Im Hinblick auf das Sachenrecht enthält das tschechische Gesetzbuch in § 489 eine Definition des Begriffs "Sache". Danach ist eine Sache alles, was kein Mensch ist und dazu bestimmt ist, den menschlichen Bedürfnissen zu dienen. Somit wird nach dem tschechischen Recht auch Energie oder geistiges Eigentum als eine Sache angesehen. Eine wesentliche Änderung erlangt das tschechische Sachenrecht durch die Regelung des § 506 des neuen Zivilgesetzbuches. Diese Vorschrift beschreibt den jetzt im tschechischen Sachenrecht geltenden Grundsatz, dass bislang bewegliche Sachen, die mit einem Grundstück untrennbar verbunden werden, rechtlich ein Teil dieses Grundstücks werden. Somit folgt das tschechische (Sachen-) Recht diesbezüglich dem noch aus dem römischen Recht stammenden Grundsatz des "superficies solo cedit". Ausnahmen von diesem Grundsatz und die Besonderheiten des Grundstücksrechts werden in dem Artikel über die absoluten Vermögensrechte (absolutní majetková práva) besprochen.

Die in den §§ 545-654 geregelten Vorschriften zu den Rechtssetzungen (právní skutecnosti) behandeln die Entstehung, Änderung und Beendigung von Rechtsbeziehungen, mithin auch die Frage, unter welchen Voraussetzungen Verträge zustande kommen. Zentral für die Entstehung von Rechtsverhältnissen sind die vom menschlichen Willen gesteuerten Handlungen (právní jednání). Willensmängel führen dabei nicht unbedingt zu der Nichtigkeit einer Handlung und somit beispielsweise der Nichtigkeit eines geschlossenen Vertrages. Unter Willensmängeln zustande gekommene Rechtsbeziehungen können durch den Betroffenen im Nachhinein geheilt werden, wenn er seine Handlung, nunmehr frei von Willensmängel, bestätigt. Eine Grenze erfährt diese "Heilungsmöglichkeit" allerdings dann, wenn die Handlung absolut nichtig im Sinne der §§ 574-588 ist. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn sie gegen die guten Sitten oder das Gesetz verstößt, das nach seinem Sinn und Zweck die Nichtigkeit einer Handlung nach sich zieht.

Themen: Recht, Justiz, Zivilgesetzbuch, Kaufrecht, Bürgerliches Recht (allg.), Schuldrecht, gtai
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