Der Autor

Janna Steenfatt wurde 1982 in Hamburg geboren und absolvierte ein Studium am Deutschen Literaturinstitut Leipzig.

Sie erhielt mehrere Preise und Stipendien, so u.a. 2009 ein Aufenthaltsstipendium der Stiftung Künstlerdorf Schöppingen, 2010 ein Aufenthaltsstipendium für das Künstlerhaus Schloss Wiepersdorf, 2012 ein Werkstattstipendium der Jürgen-Ponto-Stiftung, sowie den Limburg-Preis der Stadt Bad Dürkheim und zuletzt 2013 ein Aufenthaltsstipendium der GEDOK Schleswig-Holstein.

Sie schrieb Theaterstücke und Erzählungen, die in Anthologien und Literaturzeitschriften veröffentlicht wurden und arbeitet derzeit an ihrem ersten Roman.

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| Janna Steenfatt | 2.6.2013

2.6.

Vor ein paar Tagen war für 24 Stunden Sommer. Einen Tag später fing es an, zu regnen. Ich floh vor dem Regen, da ich gerade unterwegs war, in eine Galerie auf der Kleinseite, wo es unter anderen Fotografien von der Flut von 2002 zu sehen gab.
Praha pod vodou, Prag unter Wasser.
Ich dachte ach ja, so war das damals, überlegte, ein paar Postkarten zu kaufen und ließ es dann sein. Ich dachte eigentlich auch: was ist schon ein Bisschen Regen gegen eine richtige Flut.
Inzwischen regnet es seit fünf Tagen ununterbrochen, Katzen und Hunde sozusagen, ich wüsste gern, ob es einen tschechischen Begriff dafür gibt. Ich kann das aber niemanden fragen. Eine Freundin versorgt mich per SMS mit Nachrichten – zwischendurch versagt allerdings sogar das Handynetz. Abgeschnitten von jeglicher Zivilisation aber in sicherer Höhe verbringe ich den halben Tag am Fenster und sehe zu, wie mir die Moldau Meter um Meter entgegen kommt, wie sie Bretter und Zäune und ganze Bäume und einmal sogar etwas, das wie ein Kühlschrank aussieht, stromabwärts transportiert. Karawanen triefender Touristen ziehen schicksalsergeben unter meinem Fenster vorbei. Es ist ein ungewohntes Bild, dass sie mir ihre Rücken zuwenden, ihre Regenschirme, dass sie nicht mehr mich und mein schönes Haus fotografieren, sondern die Moldau, die direkt vor meinem Haus unter einem Flachbau hindurch fließt, der das Ufer mit der Sophieninsel verbindet und weil der Pegel inzwischen so sehr angestiegen ist, dass die Moldau nicht mehr bequem unter dem Haus hindurch kann, tost und wütet und strudelt sie an dieser Stelle besonders schön. Ein paar Meter weiter, dort, wo ich sonst gern spazieren gehe, schwimmen Schwäne und wundern sich.
Jetzt kann es nicht mehr lange dauern, und die Tschechen haben doch ein Meer.
Trotz des Wetters scheinen mir mehr Touristen unterwegs zu sein, als sonst. Später erfahre ich, woran das liegen könnte: die U-Bahn wurde geschlossen.
Die zunehmenden besorgten Anrufe und SMS von Freunden zeigen mir, dass Prag es in die deutschen Nachrichten geschafft hat.
Die Altstadt, so lese ich in einer SMS, soll noch schlimmer betroffen sein, die Karlsbrücke wurde dicht gemacht, ein Krankenhaus evakuiert, das Klärwerk geschlossen. Jemand erzählte mir neulich, dass das Leitungswasser diesseits der Moldau aus eben jener gespeist wird; die Vorstellung, ungeklärtes Moldau/Regenwasser zu trinken macht mir Magengrummeln. Ich koche meinen Kaffee ab sofort mit Mineralwasser.
Ein wenig besorgt inspiziere ich meine übersichtlichen Vorräte.

Seit Tagen vermischt sich das Rauschen des Regens und das permanente kinderspielzeughafte Sirenengeheul mit einem monotonen, dumpfen Bassbrummen, ein Didgeridoo Workshop im Konzertsaal vielleicht oder gregorianische Gesänge, dazu rhythmisches Trommeln, das eine Weltuntergangsstimmung herauf beschwört und eine grundlose Heiterkeit in mir auslöst.
Ich mag es, wenn das Wetter einem Entscheidungen abnimmt. Das Wetter ist der Arbeit sehr zuträglich. Zwischendurch stehe ich am Fenster und warte auf das Wasser.

Die Scheitelwelle wird morgen erwartet.

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