Der Autor

Janna Steenfatt wurde 1982 in Hamburg geboren und absolvierte ein Studium am Deutschen Literaturinstitut Leipzig.

Sie erhielt mehrere Preise und Stipendien, so u.a. 2009 ein Aufenthaltsstipendium der Stiftung Künstlerdorf Schöppingen, 2010 ein Aufenthaltsstipendium für das Künstlerhaus Schloss Wiepersdorf, 2012 ein Werkstattstipendium der Jürgen-Ponto-Stiftung, sowie den Limburg-Preis der Stadt Bad Dürkheim und zuletzt 2013 ein Aufenthaltsstipendium der GEDOK Schleswig-Holstein.

Sie schrieb Theaterstücke und Erzählungen, die in Anthologien und Literaturzeitschriften veröffentlicht wurden und arbeitet derzeit an ihrem ersten Roman.

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| Janna Steenfatt | 1.5.2013

1.5.

Die Praktikantin holt mich vom Bahnhof ab. Auf keinen Fall Taxi fahren in Prag, hat man mir vorher gesagt, aber die Praktikantin sagt, ach was, wir könnten ruhig Taxi fahren, sie fahre andauernd Taxi. Meine Vorurteile werden dann jedoch sogleich bestätigt: der mürrische Fahrer verlangt einen lächerlich hohen Preis für die kurze Strecke und gibt auch noch zu seinen Gunsten falsch heraus.

Die Praktikantin zeigt mir die Wohnung und überreicht mir einen Internet-Stick mit den Worten, sie hoffe, ich habe keinen Mac, denn am Mac würde er nicht funktionieren.
Ich habe aber einen Mac.
Ja, das täte ihr dann leid.
In mir macht sich kurz Panik breit, zwei Monate ohne Internet! Dann denke ich: das ist ein Zeichen. Ich werde sehr, sehr viel Zeit sparen.

Auf der Stereoanlage liegen drei CDs: Queen, Katy Perry und The Hits of Era.

Bevor ich nach Prag fuhr, erreichten mich mehrere Emails von Freunden, die in den Nachrichten von der Explosion gehört hatten und sich sorgten, weil sie glaubten, ich sei bereits in Prag; jetzt stelle ich fest, dass das vor zwei Tagen explodierte Haus nur 100 Meter von meinem entfernt ist. War. Nein, ist. Das Haus steht ja noch, lediglich das Erdgeschoss ist ausgebombt. An der Divadelni, die großräumig abgesperrt ist, findet ein regelrechter Explosionstourismus statt; man kann von einer Brücke neben dem Café Slavia auf die Unglücksstelle hinab sehen. Das Cafe Slavia, das mir die Praktikantin empfohlen hat, hat geschlossen, weil bei der Explosion die Scheiben zu Bruch gegangen sind und das Gas abgestellt ist.

Ich laufe ziellos herum, lasse mich treiben und werde versehentlich erst an den Wenzelsplatz und dann vor die Karlsbrücke gespült, wo Japanerinnen mit Mundschutz ihre Ipads hochhalten und sich vor der Brücke fotografieren. Ich drehe schnell um, ohne die Brücke zu betreten, ich muss ja nicht gleich am ersten Abend die Karlsbrücke angucken, denke ich froh und laufe zurück.
Ich bin ja keine Touristin. Ich wohne ja jetzt hier.

Ich mache kein Licht, als ich nachhause komme. Ich stehe im Dunkeln am Fenster und sehe die Moldau und die Kleinseite dahinter leuchten und rechts, wenn ich mich hinaus lehne, die Karlsbrücke und den Hradschin. Der Ausblick ist zum Heulen schön. Ich werde zwei Monate lang nur aus dem Fenster starren.
In dem Roman, den ich schreibe, den ich eigentlich schreibe, wenn ich nicht damit beschäftigt bin, in Prag anzukommen, stehen die Menschen auch viel an Fenstern, aber einen so schönen Ausblick haben sie nicht.

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