El diabolo, der schärfste Käse (Schaf) auf dem Tisch, verdirbt England den Magen, während der Stilton vom bloßen Anschauen bereits auseinanderfällt. That's the way the cooky crumbles. (Möglicherweise ist diese Redewendung aber amerikanisch.) Tja, liebe Engländer, wieder nix mit 'nem Titel. Es gibt ja nicht-Briten, die heucheln Mitleid mit den Insulanern, zweites Eh Em-Endspiel hintereinander verloren und so, ach wie bitter. Ich halte es da eher mit meinem Bekannten Justin, kein Fußball-Fan, aber als Engländer natürlich irgendwie auf dem Laufenden: „Just not good enough.“
Just not good enough
Ja, so ist das eben, ein bisschen anstrengen muss man sich da schon. Und damit ist nicht die Kilometerfresserei beim Verschieben, Doppeln oder Trippeln und Lücken-Zulaufen gemeint. Damit ist gemeint, dass man durchaus vom Anfang des Spiels an auf ein eigenes Tor spielen darf. Sicher ist es gut, wenn man einen Außenstürmer wie Saka hat, man darf den aber auch öfter mal ins Spiel mit einbinden. Überhaupt finde ich den reaktiven Ansatz von Trainer Southgate (deutsch: Südtor) dem Spielerpotential völlig unangemessen. Da geben sich doch seit mindestens einem Jahrzehnt die Crème de la crème der Trainergilde in der englischen Bundesliga die Klinke in die Hand – und der Southgate lässt immer noch den Fußball spielen, den er als Aktiver gespielt hat. Da trainieren jetzt andere Ausländer als seinerzeit der anti-Fußball Mourinho. Das ist doch gegen jede Logik. Oder ist Southgate bei seinem teambuilding immer noch nicht über das kompakte Verteidigen hinausgekommen? Und das bei seinem vierten (right?) großen Turnier.
Wie Kovać bei den Bayern
Das wirkt wie der Kovać damals bei den Bayern. Einen top (Guadiola würde sagen: top top top) Kader haben, aber wie ein Abstiegskandidat spielen. Oder wie Leicester-John das Spiel zusammenfasste: „It was a fifty fifty game. We defended very well.“ Ja, wenn das der Anspruch ist, ist es ja kein Wunder, dass es wieder nichts wurde mit einem Titel. Wie heißt es so schön, die Defensive entscheidet Meisterschaften, die Offensive Spiele. Nur blöd, dass so ein Turnier am Ende in einem Spiel entschieden wird.
Lassen wir doch mal Englands Ergebnisse Revue passieren. 1:0 gegen Serbien, 1:1 gegen Dänemark, 0:0 gegen Slowenien, 2:1 nach Verlängerung gegen die Slowakei, 1:1 nach Verlängerung gegen die Schweiz, 2:1 gegen die Niederlande, 1:2 gegen Spanien. Nimmt man nur die reguläre Spielzeit, gab es vier Unentschieden, zwei Siege und eine Niederlage. Damit spielt man in der Liga um den European Conference Cup.
Käse auf der Kampa
Das Turnier endet für mich, wie es angefangen hat: mit Käse. Immerhin habe ich mich von einem Prager Außenbezirk ins Zentrum auf die Moldau-Insel Kampa vorgearbeitet. Am französischen Nationalfeiertag hat die französische Mannschaft frei, nur die beiden Franzosen im spanischen Dress müssen arbeiten. Die Tour de France macht, was sie eben so macht, nämlich Berge rauf und runter fahren, an diesem Tag in den Pyrenäen, glaube ich. Ein Slowene führt und ein Däne hofft noch auf dessen Einbruch. Mittags wird in Wimbledon Tennis gespielt, ein Spanier gegen einen Serben, aber das alles spielt für meinen Sonntag absolut keine Rolle. Käse – hart, weich mittel, der Unterschied zwischen einem „Tomme“ und einem „Tome“, die Namen der Dörfer, wo überall Blauschimmelkäse hergestellt wird und schließlich der italienische Hartkäse, der sich auf den Verkaufstisch geschmuggelt hat, mit dem schönen Namen „Bra“.
Ist der 1970er Feminismus zurück?
Mir kommt es nach viertägigen Beobachtungen auf der Kampa so vor, dass er diesen Sommer etwas aus der Mode gekommen ist, ist das wieder ein retro-Ding, 1970er Jahre, Feminismus, Befreiung vom Patriarchat und vom BH, oder fangen neue elastische Textilien das jetzt einfach auf?
Auf jeden Fall, als in Berlin die Nationalhymnen erschallen und die Spanier sie wie gewöhnlich stumm und ergriffen lauschen (ach Spanien, du hast es einfach besser, frei von Hymnenmitsingdebatten), packen wir unser Zeug zusammen, von der Kühlvitrine bis zum letzten Käsepicker, und fahren es in die Lagergarage und den Laden. Der Käse muss ja schnell wieder ins Kühle, da kann spielen, wer will, der Käse kann nicht lange warten. Zwischendurch erfahren wir, dass Spanien 1:0 führt, das war schon in der 2. Halbzeit.
Ende in Freds Bar
Wir schaffen es tatsächlich noch in Freds Bar – das letzte Mal, als ich dort war, war, glaube ich, das WM-Finale zwischen Argentinien und Frankreich. Es läuft die vielleicht 82. Minute, Spielstand 1:1. Ich freue mich darauf, dann wenigstens die Verlängerung zu sehen und drehe mich gerade um, um ein Bier zu bestellen, dann: Jubel! (und auch Aufstöhnen, das muss man fairerweise auch sagen). Es dauert etwas, bis die Zeitlupe kommt und ich das Tor sehe. Natürlich muss man noch auf den Video-Assi warten, aber den Spaniern ist sofort klar, das war's. Ach schade, denke ich, dann eben keine Verlängerung. Die dann Dani Olmi endgültig verhindert, als er nach einem Eckball einen Kopfball-Nachschuss von der Torlinie köpft. Das war das letzte Aufmucken der Engländer, eine weitere Chance können sie sich nicht mehr erspielen.
Nach vier Minuten Nachspielzeit ist Schluss
Dazu hatten sie auch eigentlich genug Zeit zuvor, denkt der Pfeifenmann und legt nach der vierminütigen Nachspielzeit keine weitere Minute mehr drauf, trotz Spielunterbrechung. Ach ja, Spanien eben, die haben jedes Spiel gewonnen und den besten Fußball gespielt. Das stimmt zwar alles, aber gegen Deutschland hätten sie genauso gut ausscheiden können, da mussten der Pfeifenmann und der Video-Assi alle Augen, selbst die Hühneraugen zudrücken. Nun gut, lassen wir das. Spanien hat nicht nur alle Gegner geschlagen, sondern auch die namhaftesten: Deutschland, England, Frankreich, Italien und Kroatien, außerdem Albanien und Georgien. Da könnte man fast schon von so etwas wie ein bisschen verdient sprechen (frei nach K.-H. Rummenigge, doppel-Vizeweltmeister, später Vereinsfunktionär, despektierlich auch „Rolex-Kalle“ genannt).
Ausklang in Freds Bar
Na ja, wenn ich denn schon mal in Freds Bar bin, in der mittlerweile Freds Sohn das operative Geschäft leitet, bleibe ich auch noch etwas. Leicester-John – ach, was war das eine Freude, als sein team damals überraschend Meister wurde – verdrückt sich schnell mit der Ausrede „last tram in six minutes“. Prag hat Nachtstraßenbahnen und die Schule, in der er unterrichtet, Ferien. Seien wir nachsichtig, lassen wir ihn gehen. Die anderen Engländer sind nicht zu sehen, sind angeblich vor längerer Zeit von Freds Bar woandershin gezogen, um dem Rasensport zu frönen.
Spiel selbst schaue ich mir erst am Montagabend an, so dauert das Turnier für mich noch einen Tag länger. Ich kann bestätigen, dass Spanien verdient gewonnen hat. Und England genauso gespielt hat, wie erwartet. Wie sollte es auch anders sein? Ich fürchte, die könnten gar nicht anders, selbst wenn sie es wollten.