Musiala schießt, ein spanischer Abwehrspieler blockt den Torschuss im Sechzehnmeterraum mit der Hand des nicht am Körper anliegenden Armes. Wenn der Schiedsrichter das nicht selbst sieht, muss der Video-Assi eingreifen. Und nach den Regeln muss es dafür Elfmeter geben. Nicht aber, wenn Deutschland spielt, da übersieht der Pfeifenmann geflissentlich das Handspiel und der Video-Assi macht nichts. Was gibt es dazu zu sagen? Es ist ein Skandal, hinter dem man Schiebung vermuten darf.
Gute Miene zum bösen Spiel
Aber nein, ich schaue in zwei Qualitätsmedien mit Sitz in Hamburg, in dem einen feiert der Kommentator die Auslegung als richtig, in dem anderen zählt der Schreiberling Gründe pro und contra auf. Zum Glück befinden sich beide Artikel hinter der Bezahlschranke, so dass ich mit dem Unsinn keine Zeit verschwenden muss. Um es deutlich vor Augen zu führen: Das Spiel findet in einem Turnier statt, in dem ein Elfmeter gegeben wurde, bei dem erst die Tonspur eine Berührung von Hand und Ball nachweisen konnte. Oder um es noch haarspalterischer zu sagen, der Ball, eine Hereingabe von der Außenlinie, hat die Hand gestreift, die mutmaßlich nicht einmal die Flugrichtung des Spielgeräts verändert hat (Spiel Georgien – Tschechien).
Mir fallen absolut keine Argumente ein, warum es sich beim Spiel Deutschland – Spanien nicht um ein ahndungswürdiges Handspiel im Strafraum gehandelt haben soll. Natürlich hat der spanische Abwehrspieler nicht absichtlich Hand gespielt, das spielt aber schon lange keine Rolle mehr. Natürlich war die Hand angeschossen – doch auch das ist nicht hinreichend für eine Entschuldigung. Große Finale sind so entschieden oder zumindest in die entsprechende Richtung gelenkt worden. 2018 WM-Finale. Perisic springt ein Ball an die Hand, in einer völlig ungefährlichen Zone und Situation. Championsleague-Finale Liverpool – Tottenham Hotspurs (ich glaube 2019). Abwehrspieler Song sprintet zurück und dirigiert seine Mitspieler mit ausgestrecktem Arm. Prompt kommt der Schuss an den Arm. Oder Halbfinale der EM 2000, Frankreich – Portugal, der Elfmeter in der letzten Spielminute. Das war noch bevor all die Spitzfindigkeiten des Handspiels wegen des Video-Assis erfunden wurden.
Den Elfmeter im Viertelfinale zwischen Deutschland und Spanien nicht zu geben, nicht einmal überprüfen zu lassen, ist genauso ein Skandal wie der nicht gegebene Elfmeter im EM-Finale der Damen zwischen England und Deutschland. Damals rettete eine Engländerin mit der Hand auf der Torlinie, Elfmeter und rote Karte hätten die Konsequenz sein müssen, doch der Pfeifenmann – oder war es in diesem Fall eine Pfeifenfrau? - und die geballte Video-Assistenz machten die Augen zu. Unfassbar im Zeitalter omnipräsenter Kameras, in dem verbotenes Nasenbohren mit drei Spielen Rotzverbot bestraft werden können.
Über Neuer reden
Nach diesem Spiel kann man eigentlich über nichts anderes mehr reden als über diese Schlüsselszene des Spiels. Nicht über die Härte zu Anfang, mit der die deutschen Spieler Spanien den Schneid abkaufen wollten. Unrühmlich tat sich Toni Kroos dabei hervor, der das bei Real Madrid so gelernt hat, denn Real macht das genau so, wenn der Gegner sie schwindelig spielt. In Spanien hilft dann die ungeschriebene Regel, dass ein Real-Spieler erst dann gelb sieht, wenn andere schon drei Mal unter die Dusche geschickt worden wären. Über die unterirdischen Leistungen von Sané und Can in der ersten Hälfte braucht man sich auch nicht mehr zu unterhalten, Nagelsmann korrigiert das in der Pause und zeigt, dass man auch als Bundestrainer durchaus korrigierend ins Spiel eingreifen darf.
Sprechen sollte man allerdings über Spaniens erstes Tor von Dani Olmo. Der Ball war weder übermäßig hart noch platziert, trotzdem unhaltbar für Neuer, den Joe Biden im deutschen Tor. Aber das machen die deutschen Qualitätsmedien ja nicht. Ich sitze zu Hause vor der Allzweckmaschine und wiederhole minutenlang: Neuer, Neuer, Neuer...
Ein Bundestrainer darf auch reagieren
Aber auch hier reagiert Nagelsmann umgehend und bringt neue Leute, natürlich Füllkrug. Der schieß bald darauf an den Pfosten, nicht ohne gehörige Behinderung seitens seines Gegenspielers. Zum Dank dafür, dass sich Füllkrug in der Szene nicht fallen lässt, schaut sie sich der Video-Assi und erst recht der Pfeifenmann nicht noch einmal an. Sie bleiben damit auf der Linie des gesamten Turniers, potentielle Fouls an deutschen Stürmern nicht zu überprüfen (Akanji gegen Beier), hingegen bei deutschen Toren einen Grund zum Aberkennen zu finden (Deutschland – Schweiz, angebliches Foul von Musiala; Deutschland – Dänemark, angebliches Foul von Kimmich). Ich bin überzeugt, hätte Füllkrug getroffen, hätte der Video-Assi irgendwo ein Stürmerfoul gefunden.
Man muss auch nicht groß über Rüdigers Fehler vor dem 1:2 diskutieren, am Ende der Verlängerung kann so etwas einfach mal passieren.
Was bleibt also von dieser Eh-Emm für das deutsche Team? Die Erkenntnis, mithalten zu können, die Notwendigkeit, endlich Neuer im Tor abzulösen und die Verpflichtung, das Mittelfeld neu zu organisieren.
Frankreich torlos weiter
Spanien spielt sein Halbfinale gegen Frankreich, das, wie ich nachmittags vorausgesagt habe, 0:0 nach Verlängerung gegen Portugal spielt. Ich schaue mir das Spiel nur so lange an, wie meine Biervorräte reichen. Am nächsten Tag sehe ich dann, dass die Nationalmannschaft des demnächst freiwillig faschistischen Frankreichs (FFF), zu über 80% bestehend aus den Kindern und Kindeskindern der kolonisierten Völker, die Pflicht erfüllt hat und mit bisher 3 erzielten Toren (2 Eigentore, ein Elfmeter) in fünf Spielen den Zweckfußball früherer italienischer Nationalmannschaften wie jugo bonito aussehen lässt.