Prag - Punktgenau mit dem Anpfiff komme ich in Fred’s Bar, mit zunehmender WM werde ich immer besser. Ich bleibe bei dem vom Vortag bewährten Rezept und trinke kohlesäurehaltiges Mineralwasser. Geboten wird Kolumbien gegen die Elfenbeinküste, zwei Sieger des ersten Gruppenspieltags. Die Elfenbeinküste ist wohl das einzige afrikanische Team, dem man bei dieser WM noch etwas zutrauen kann. Ansonsten muss die seit Jahrzehnten prophezeite Machtverschiebung vom alten auf den schwarzen Kontinent wohl wieder verschoben werden. Mehr als Kamerun kann man sich wohl nicht blamieren, für Ghana geht es gegen Deutschland bereits um alles oder nichts, Nigeria hat sich mit einem torlosen Remis gegen den Iran auch nicht für einen sicheren Tipp als Achtelfinalteilnehmer empfohlen. Von Algerien mal ganz zu schweigen, aber die arabischen Länder und Nationen haben derzeit auch wahrlich anderes zu tun, als sich um Fußball zu kümmern.
Kolumbien ganz stark
Die Elfenbeinküste ist wohl das einzige afrikanische Team, dem man bei dieser WM noch etwas zutrauen kann. Ansonsten muss die seit Jahrzehnten prophezeite Machtverschiebung vom alten auf den schwarzen Kontinent wohl wieder verschoben werden.
Kolumbien überrascht weiterhin positiv, nicht nur mit dem feinen Gruppentänzchen nach einem Tor. Die nördlichen Nachbarn Brasiliens spielen schlichtweg guten Fußball, offensiv, spielerisch durchdacht, mit Zug zum Tor. Es dauert nicht lange, da klappt es dann auch, Ecke, Kopfball, Tor und ein Tänzchen, das wahrscheinlich noch einen Namen sucht. Die Elfenbeinküste spielt keineswegs schlecht und so entwickelt sich ein munteres Spielchen mit Vorteilen für die Südamerikaner, die in einigen Szenen zeigen, dass sie auch einfach schneller als die Gegenspieler sind.
In der zweiten Hälfte klingelts dann noch mal im Kasten der „Elefanten“ und dann kommt Didier Drogba, der Edeljoker. Allein durch seine Aura, aber ohne sein großes Zutun, hat die Mannschaft das erste Spiel gegen Japan gedreht, diesmal reicht es nur zum Anschlusstreffer, wieder trifft Gervinho, der sich schön links im Strafraum zwischen ein paar Gegenspieler behauptet und die gesuchte Lücke durch einen trockenen Rechtsschuss ins kurze Eck nutzt. Ich möchte dem Torwart nicht zu viel Schuld am Gegentor beimessen, denn wenn alle so halten wie Mexikos Ochoa fallen gar keine Tore mehr. So wie im Spätspiel dieser Gruppe, zwischen Griechenland und Japan. Fazit: Kolumbien ist durch, der Elfenbeinküste müsste ein Unentschieden gegen Griechenland genügen. Das scheint machbar, haben die Hellenen auch nach zwei Spielen noch kein Tor geschossen.
Suarez macht den Unterschied
Später untermauert Uruguay die südamerikanische Dominanz. Noch zwei Tage zuvor habe ich Nick versichert, dass England überhaupt nichts passieren kann, wenn es weiter so wie gegen Italien spielt. Denn Uruguay hat mich im Spiel gegen Costa Rica herbe enttäuscht. Dieses Team ist zu schlagen, versicherte ich ihm. Nick nickte, als ahnte er bereits, was da kommen werde. Nämlich Suarez. Der beste Torschütze bei Nicks Lieblingsclub FC Liverpool. Er hat im ersten Spiel noch gefehlt, gegen England steht er von Anfang an auf dem Platz.
Englische Kopfballschwäche
Noch zwei Tage zuvor habe ich Nick versichert, dass England überhaupt nichts passieren kann, wenn es weiter so wie gegen Italien spielt. Nick nickte, als ahnte er bereits, was da kommen werde. Nämlich Suarez.
England spielt dann tatsächlich wie gegen Italien, zumindest, was das Ergebnis betrifft, es verliert 2:1, zwei Mal trifft Suarez; gegen Ende der ersten Hälfte schleicht er sich bei einem Konter hinter seinem Gegenspieler weg und versenkt eine butterweiche Flanke gegen die Laufrichtung des Torwarts. Danach bäumt sich England auf und schraubt sein Eckballkonto nach oben. Zu Beginn der zweiten Hälfte drängt Uruguay zunächst auf die Entscheidung, es brennt lichterloh im Strafraum der früheren Weltmacht. Sie entkommt dem uruguayischen Höllenritt mit Glück und befreit sich, Rooney kann einen schönen Konter zum Ausgleich abschließen. Er bekommt den Ball so serviert, dass er nur noch den Fuß hinzuhalten braucht.
Nun ist alles wieder offen, denn ein Unentschieden hilft den beiden Verlierermannschaften vom ersten Gruppenspieltag nur wenig. Ein langer Abstoß vom Tor, ein englischer Verteidiger schraubt sich hoch, doch er erwischt den Ball nicht, vielleicht streift er ihn noch, es ist in dem Hexenkessel nicht recht zu erkennen. Suarez ist aber losgezogen, ihn erreicht der Ball, er zieht von halbrechts aufs Tor und hämmert den Ball unbarmherzig ins Netz. Der mexikanische Torwart Ochoa wäre wahrscheinlich stehengeblieben und hätte gehalten. England bekommt noch einen Bonus von fünf Minuten gutgeschrieben, den es zur Aufstockung des Eckballkontos nutzt. Dann ist Schluss. England sitzt ziemlich tief in der Scheiße. Jetzt ist es auf die Hilfe von Italien angewiesen, sonst ist es als zweiter europäischer Hochkaräter raus aus dem Turnier. Na, dann mal viel Glück!
Das letzte Spiel des Tages schenke ich mir zugunsten eines längeren Schlafes. Das kann dann auch nicht anders als das erste Spiel, das ich ausgelassen habe, ausgehen. Auch darin liege ich wieder goldrichtig.
Gerd Lemke