Der Autor

Felix Krakau (geb. 1990 in Hamburg) studierte Theaterregie an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main und Szenisches Schreiben an der Universität der Künste Berlin. Er machte Praktika beim Schauspiel Frankfurt, bei der Schaubühne Berlin und den Salzburger Festspielen. Als Regisseur und Dramatiker arbeitete er u.a. am Düsseldorfer Schauspielhaus, Schauspielhaus Wien, Theater Bremen, Volkstheater Wien, Schauspiel Essen sowie an den Staatstheatern Darmstadt und Augsburg. Seine Stücke werden vom Rowohlt Theater Verlag vertreten und regelmäßig nachgespielt.

Im November 2024 ist Felix Krakau ein Stipendiat des Prager Literaturhauses und arbeitet an seinem Debütroman sowie einem Theater-Kafka-Projekt.

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© Anna Frida Sorgalla

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| Felix Krakau | Rubrik: Feuilleton | 2.12.2024

Die Sendung konnte dem Empfänger nicht zugestellt werden

Zwei Postsendungen haben mich nicht erreicht, bestimmt habe ich irgendwas falsch gemacht mit der Prager Adresse, ein wenig ärgerlich, klar, aber im Grunde auch wunderbar: nicht erreichbar zu sein. Natürlich weiterhin per Handy und Mail oder via Sozialer Medien, ganz aus der Welt bin ich also nicht, aber zumindest der Postweg funktioniert schon mal nicht und auch sonst ist der Alltag ganz weit weg. Keine Verabredungen für Lunch oder Drink, keine spontanen Meetings, in der Wahrnehmung meines Umfelds bin ich vorerst abgemeldet, so als wäre ich im Urlaub. Dabei bin ich das ganz und gar nicht, im Gegenteil bin ich tief in der Arbeit versunken, woran mich die nicht kürzer werden wollende To-Do-Liste täglich erinnert. Tag für Tag sitze ich also am Schreibtisch, um zu schreiben und zu verwerfen, um nachzudenken und an die Wand zu starren. Es ist doch immer wieder erstaunlich, wie viel Zeit es in Anspruch nimmt, dieses Schreiben. Menschen, die nicht schreiben, ist das manchmal kaum verständlich zu machen, was für ein Zeit-Verschling-Monstrum diese Arbeit ist und am Ende des Tages sind vielleicht ein paar kümmerliche Sätze dabei herausgekommen oder das Dokument ist sogar kürzer geworden als es am Vortag war oder die Euphorie, die man über ein gelungenes Kapitel hatte, hat sich in Verzweiflung verwandelt.

Oft habe ich ein schlechtes Gewissen, im Freundeskreis oder in der Familie Verabredungen abzusagen bzw. gar nicht erst zuzusagen, weil ich keine Zeit habe oder noch nicht sagen kann, ob ich Zeit haben werde, dabei hätte ich ja eigentlich Zeit, der Kalender ist leer. Aber es ist eben meist nicht abzusehen, wie sich der Schreibprozess entwickelt, wann die Ideen kommen, wann der Schreibfluss entsteht und wann es überhaupt keinen Sinn macht, zu arbeiten, man also auch einfach in die Kneipe gehen könnte. Natürlich befinde ich mich in der sehr privilegierten Situation, hauptberuflich schreiben zu können, ich muss also nebenbei keinem Brotberuf nachgehen (wenn man Regisseur jetzt nicht als Brotberuf ansieht), ich habe auch keine Kinder, um die ich mich kümmern müsste, nicht mal zeitintensive Hobbys, meine zeitlichen Ressourcen sind also nicht unbedingt niedrig, trotzdem genieße ich es gerade sehr, mich abseits von allem in den Text vergraben zu können, während niemand an der Tür klingelt, kaum jemand anruft, niemand etwas will, weil sie ohnehin denken: Ach, der ist weg. Arbeitsaufenthalte wie diese sind doch ein absolutes Glück, kleine Inseln der Produktivität, umgeben vom wilden Meer des Alltags, das vorerst kein Schiff überqueren kann, auch kein Postschiff. Die Sendung konnte dem Empfänger nicht zugestellt werden. Rechnungen, Mahnungen, Werbung, Postkarten und Liebesbriefe müssen noch ein wenig warten.

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