Der Autor

Henning Bleyl ist 1969 in Karlsruhe geboren.1991 studierte er "Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis" an der Universität Hildesheim. Er absolvierte zu dem zwei Auslandssemester in Spanien und Italien. 1998 fertigte er seine Diplomarbeit mit dem Thema "Klassik als Propaganda-Medium? Zur politischen Funktion der Auslandsreisen der Berliner Philharmoniker für den NS-Staat" an.

Seit 2001 ist Henning Bleyl Kulturredakteur der "tageszeitung" (taz nord). Nebenbei ist er Dozent an mehreren Hochschulen wie z.B. der Hochschule Bremerhaven.

Henning Bleyl gewann schon mehrere Preise mit seinen Werken. Unter anderem gewann er 2016 den Publizisten Preis des dbv.

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| Henning Bleyl | Rubrik: Panorama | 21.11.2016

Pragtag 9

Der Mann auf dem Foto ist Heider Heydrich. „Ein anständiger Kerl“, sagt die alte Dame. Sie hat ihn kennen gelernt, weil sie die Autobiographie seiner Mutter übersetzen sollte. „Aber das ging nicht“, sagt sie, „ich musste beim Lesen immer weinen“.

Das Buch von Lina Heydrich ist eine schlimme Zumutung. Der Titel „Mein Leben mit einem Kriegsverbrecher“, bezieht sich ironisch auf einen ihrer großen Nachkriegserfolge: Dass sie es geschafft hat, sich eine üppige Witwenrente zu erklagen – weil ihr Gatte einer regulären Kriegshandlung zum Opfer gefallen sei.

Lina Heydrich beschreibt ihren Mann, den „Organisator des Holocaust“, als jemanden, der rechtschaffend seine Pflicht erfüllt habe. Sie schildert ausführlich ihr gemeinsames Leben im Unteren Schloss von Panenské Břežany. Als ihr Sohn kürzlich anbot, für die Renovierung des mittlerweile verfallenden Anwesesens Geld zu sammeln, erntete er Entrüstungsstürme seitens der tschechischen Veteranenverbände.

Das Foto von Heider Heydrich, das aus dem Kalender der alten Dame gerutscht ist, zeigt einen Mann mit runden, geröteten Wangen. Der hagere Reinhard Heydrich ist nicht alt genug geworden, um zu so auszusehen. Dafür ähnelt Heider seinem Großvater. Der war Berufsmusiker und veererbte seinem Sohn genügend Begabung, um ein begeisterter Geiger zu werden. Auch in Prag besuchte er oft Konzerte.

Es ist ein Zufall, dass ich am Morgen des selben Tages die schaurige Krypta gleich bei mir um die Ecke besucht habe: Die Krypta von St.-Cyrill-und-Method, in der sich die Heydrich-Attentäter zuletzt versteckt hatten. Die gut besuchte Ausstellung deutet immerhin an, dass über das Attentat mehr zu berichten ist als ein Narrativ des Heroismus. Dass es auch um den Machterhalt der Exil-Regierung ging.

Was der Gedenkort aber Außen vor lässt, sind die dringenden Bitten des tschechischen Widerstandes, nicht Heydrich als Ziel eines Attentats zu bestimmen. Und die schwierige Frage, in welchem Verhältnis die tausenden Opfer der „Heydrichiade“ - und die damit einhergehende völlige Zerschlagung des Widerstandes – zum Erfolg des Attentats steht.

Die alte Dame lächelt.

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Präsente Brutalität - Einschusslöcher an St. Cyrill-und-Method
bleyl@taz.de

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