Recherche in Plzeň, der Stadt mit den vielen Superlativen. Höchster Kirchturm Böhmens, bestes Bier der Welt, kürzester Mittelpunkt des Habsburger Reiches: knapp zwei Jahre residierte hier Rudolf II. Bekanntlich ist auch die Synagoge der 20 Monats-Metropole schon ihrer schieren Größe wegen ein Superlativ – dennoch steht sie bescheiden eingereiht in eine Blockbebauung.
Am zentralen Platz treffe ich einen Mann meines Alters, der schon als Jugendlicher in der Jüdischen Gemeinde aktiv war. „Für uns“, sagt er, „war das auch eine Form des Protests gegen das sozialistische Regime“. Dann zeigt er mir die Stelle, wie 1989 ein große Kiste auf dem Platz gestanden sei: „Da haben alle ihre Parteiausweise hinein geworfen.“
Besuch bei der jüdischen Gemeinde. Sie hat derzeit genau 108 Mitglieder. Die große Synagoge hat 1200 Plätze.
Jetzt weiß ich, inwiefern die bescheidene Einreihung so vieler Synagogen in geschlossene Häuserzeilen ein entscheidender Vorteil sein kann – in Zeiten wie denen des „Protektorats“. In Mariánské Lázně stürzte das örtliche Gestapo-Hauptquartier ein, nachdem die unmittelbar benachbarte Synagoge gesprengt worden war. Karl Hermann Frank sah sich daraufhin als „Staatsminister“ des „Protektorats“ zum Eingreifen genötigt, er verfügte: „Nur“ noch Sprengungen von Solitär-Bauten. So wie in Karlovy Vary geschehen. Da war Frank zuvor als Buchhändler tätig.
In Plzeň ist das Leitungswasser trinkbar, keine unwichtige Voraussetzung zum Bierbrauen – und ein gewaltiger ökologischer Vorteil gegenüber Prag, das in Plastikflaschen ertrinkt. Ist das nicht fast ein Zustand wie im Mittelalter - wenn man den gesamten Trinkwasserbedarf quasi eimerweise ins Haus schleppen muss? Als Brunnen der Moderne fungiert der Minimarkt.