Der Autor

Martina Lisa (geb. in Prag/Tschechoslowakei) ist freischaffende Autorin, Übersetzerin und Redakteurin. Lebt in Leipzig, wo sie liest, schreibt, tschechische und slowakische Literatur ins Deutsche übersetzt und Bücher herausgibt.

Sie schreibt poetische Texte zwischen Literatur und Publizistik, experimentiert mit biografischen Collagen zwischen Fakten und Fiktion, bringt eigene wie fremde Texte in unterschiedlichen Formaten auf die Bühne und kuratiert und organisiert Kulturveranstaltungen. Zuletzt erschien ihr Band Tage zählen. Skizzenbuch #14 (2022) sowie Wo wir jetzt sind, ein Hörstück.

Sie ist Mitglied im Verlagskollektiv hochroth, wo sie die Reihe OstroVers mit zeitgenössischer tschechischer und slowakischer Lyrik betreut, im Schreibkollektiv ceoK und im VdÜ (Verband deutschsprachiger Übersetzer:innen) sowie freie Redakteurin beim Leipziger Stadtmagazin Kreuzer. 

Während ihrer Residenz im Prager Literaturhaus möchte sie an einem Text-Collage-Projekt arbeiten, inspiriert durch die tschechische Underground-Autorin Jana Černá, deren Texte sie ins Deutsche übersetzt (zuletzt: Jana Černá = Honza Krejcarová: Totale Sehnsucht, 2022).

 

Im Internet: www.martinalisa.dewww.martinalisa.de
Bildnachweis:
© Prager Literaturhaus

Blog

| Martina Lisa | Rubrik: Kultur | 18.5.2023

Erinnerungsorte I

Es gibt Straßen, in denen die Angst festsitzt, nach Jahren noch festgebissen, verdichtet zwischen Häuserfassaden, tiefverwurzelt im Pflasterstein. Eine aus der Zeit gefallene Seitenstraße: kein Touristentrubel, keine leuchtenden Läden voller Plunder und Kitsch, nur fahle Fassaden, abbröckelnder Putz und eine tote Taube unter der Regenrinne mit Leck. Fast menschenleere Stille, die einem die Luft zum Atmen nimmt und zielsicher in die Magengegend sticht, ein Ort mit Schmerzgedächtnis. Bartolomějská. Bartholomäusgasse. Bartholomäusnacht. Das Blut ist längst eingetrocknet, weggewischt, der Schmerz aber hängt hier noch fest. Wo früher die Staatssicherheit saß, sitzt heute die Polizei. Ein Spießrutengang. Erst wenn ich die Straße hinter mir lasse, atme ich wieder auf.

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