Zwar gibt es genau genommen offiziell gar keinen "Nationalfeiertag" in Tschechien. Die gesetzlichen Feiertage werden von Amts wegen eingeteilt in "staatliche" und "andere Feiertage", der 28. Oktober fällt in die erstgenannte Kategorie.
Dennoch wird der 28. Oktober insbesondere von ausländischen Medien gern als "Nationalfeiertag" bezeichnet und wohl tatsächlich auch von den meisten Tschechen als ein solcher empfunden.
Was wird gefeiert?
Gedacht wird an diesem Datum der Gründung des ersten selbstständigen tschechoslowakischen Staates der Neuzeit. Seinen manifesten Beginn fand der neue Staat in der Ausrufung eines souveränen Staates am 28. Oktober 1918 in Prag.
Die am Ende des Ersten Weltkriegs auf den Trümmern der untergegangenen Habsburger Monarchie gegründete "Erste Republik" (1918 -1938) ist in der kollektiven Erinnerung der Tschechen bis heute so etwas wie ein Synonym für "die gute alte Zeit": Die Tschechen vereint mit den Slowaken, dem slawischen Brudervolk, in einem souveränen, funktionierenden Staatswesen - einer Demokratie - und an der Spitze des Staates als Präsidenten eine Vaterfigur, den Philosophen Tomáš Garrigue Masaryk.
Das waren Zeiten. Zwar hatten die neuen Herren noch die renitente, immerhin rund drei Millionen Bürger zählende deutsche Minderheit mit im gemeinsamen Haus - aber aus tschechischer Sicht ohne Frage eine gute Zeit, fraglos eine wirtschaftliche und kulturelle Blütezeit.
Wie wird gefeiert?
Heute ist der 28. Oktober auf allen politischen Ebenen und in allen Regionen ein fester Termin für Kranzniederlegungen und Sonntagsreden. Die meisten Tschechen nutzen den arbeitsfreien Tag freilich zum möglicherweise letzten Ausflug vor dem Winter auf die "chalupa" und zu den jahreszeitlich bedingten dringenden Gartenarbeiten. Die niederen Chargen der politischen Repräsentanz verlegen aus eben diesem Grund das notwendige Zeremoniell in vielen Fällen einfach - auf vor oder nach den Feiertag.
Der Gründungstag der Republik ist allerdings auch ein beliebter Termin für die Abhaltung politischer Demonstrationen und Umzüge. In den großen Städten versammeln sich Bürger unterschiedlichster politischer Couleur und gehen für ihre Sache auf die Straße.
Der Nationalfeiertag ist zudem Anlass für viele Institutionen, eine Art Tag der offenen Tür zu veranstalten. Etliche staatliche Einrichtungen öffnen an diesem Tag sonst nicht zugängliche repräsentative Räumlichkeiten für die Öffentlichkeit, manche Museen oder Ausstellungsräume nehmen nur symbolischen Eintritt. Sieht man am Nationalfeiertag irgendwo lange Menschenschlangen, handelt es sich mit ziemlicher Sicherheit um so eine Aktion.
Volles Programm nicht nur auf der Prager Burg
Zentrum der landesweiten Gedenkveranstaltungen zur Staatsgründung ist selbstverständlich die Hauptstadt Prag, in der die höchsten Repräsentanten des Staates an diesem Tag tatsächlich von einem Ortstermin zum nächsten eilen. Kranzniederlegung mit militärischen Ehren am Vítkov-Denkmal in Žižkov, Vorbeiflug einer Staffel Kampfflugzeuge, Kranzniederlegung am Grabe T. G. Masaryks in Lány.
Abends dann live im Hauptprogramm des öffentlich-rechtlichen Fernsehens der Höhepunkt der staatlichen Zeremonien: die Ordensverleihung für verdiente Bürger und Kriegsveteranen im Königspalast auf der Prager Burg. Die wichtigsten geladenen Repräsentanten aus Staat und Gesellschaft versammeln sich im mittelalterlichen Vladislavsaal zum hochritualisierten Finale. Fanfaren künden von der Ankunft des Staatspräsidenten, der Reporter spricht mit gedämpfter Stimme.
Der tschechische Staat feiert sich selbst, das Zeremoniell muss dabei einen Vergleich mit Glanz und Gloria europäischer Monarchien nicht scheuen. Den Glamour - Kaiser hin oder her - haben sich die Tschechen aus ihrer k.u.k. Zeit erhalten.