Der Autor

Anna Hofmann wurde in Nürnberg geboren. Sie studierte Fotografie an der AdBK Nürnberg und kreatives Schreiben am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig, wo sie sich mit der Weiterentwicklung ihres Manuskripts "Die Ungeduld meiner Mutter" beschäftigte. Sie ist Mitgründerin der unabhängigen Lesereihe "Übermut & Zärtlichkeit" und veranstaltet Leseabende.

Ihre Texte wurden in verschiedenen Kunstpublikationen, Zeitschriften und Anthologien veröffentlicht. Die Autorin kombiniert gern die Medien Fotografie und Literatur.

Im Oktober 2024 ist Anna Hofmann Stipendiatin im Prager Literaturhaus und arbeitet an ihrem Debutroman.

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© Anna Hofmann

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| Anna Hofmann | Rubrik: Feuilleton | 22.10.2024

Prager Blog 2

Die Moldau ist am ersten Abend stürmisch und dunkel unter meinem Fenster. Ich blicke lange über die leuchtende Stadt. Glitzerstadt. Wie Edelsteine liegen die Lichter auf den Hügeln am anderen Ufer.

Als ich in der Wohnung ankomme, wird es schon fast dunkel. Ich kaufe ein paar Dinge für das Frühstück am nächsten Morgen und versuche die Worte, die ich vorher ergoogelt habe, mit der Verkäuferin zu wechseln. Hallo, Bitte bar bezahlen, Danke. Sie lächelt nachsichtig und ich bin ihr sehr dankbar, dass sie nicht sofort ins Englische wechselt. Es fällt mir schwer, mich zu entscheiden, ob ich in dieser Sprache jemand bin, der „Guten Tag“ sagt oder „Hallo!“. Dobrý den, Ahoi. Ich muss erst hineinfinden in die Frau, die ich in Prag bin. In die Person, die hier einen Monat leben und schreiben wird.

Die erste Nacht schlafe ich tief und träume unzusammenhängend. Ich erwache allein und bin kurz verwirrt, das Bett ist so groß und die Wohnung so still, dass ich um Orientierung ringe. Als ich die Vorhänge aufziehe, zeigt die Moldau sich leiser, heller aber noch immer sehr aufgebracht. Dass ich im dritten Stock wohne, hat eine besondere Bedeutung, jetzt, wo hier das Hochwasser war. Schwindelnd, die Höhe, wenn ich hinunter auf die Straße gucke und Menschen das Haus fotografieren. Ein wenig verdreht fühlt es sich an.

Heute gehe ich noch über die Karlsbrücke. Das Gitter soll man suchen und daran reiben, um sich einen Wunsch erfüllen zu lassen. Es regnet nicht mehr und sachte lugt die Sonne hervor, beleuchtet die gelb gefärbten Blätter der Bäume vor meinen Fenstern. Auch wenn ich die Moldau gerade nicht sehe, höre ich sie. Rauschend setzt sie mich von ihrer Existenz in Kenntnis.

In den ersten Tagen laufe ich zunächst in den Norden der Stadt, dann in den Osten, in den Westen und schließlich in den Süden. Ich erlaufe mir die Umgebung. Schreibe den Zuhausegebliebenen, was ich schon gesehen habe: Den Petrin-Park mit seinen Denkmälern, mit den Wasserfällen im Kinsky-Garten und der Aussicht über die Stadt, die mich zum Hinsetzen zwingt. Die Boote, die an den Ufern der Moldau hängen, wie riesige grasende Pferde. Die Einkaufspassagen voller Menschen, die vielen kleinen wunderschönen Cafés, die ich mir aufhebe für den Besuch.

Ich kann in fremden Städten nicht allein im Café sitzen. Ständig muss ich in Bewegung sein, schreibt mir ein Freund, der gerade auch verreist ist. Und ich pflichte ihm bei, antworte ihm, dass ich so oft versuche, nicht als Touristin erkannt zu werden. Dass ich versuche über die Karlsbrücke zu laufen, als hätte ich das schon tausendmal getan und wie schade es ist, was ich darüber verpasse. Du bist keine Touristin, erscheint auf meinem Handy-Bildschirm. Ja aber was bin ich dann?

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