Kurzbiografie: KK, geb. im niedersächsischen Celle (Deutschland). Nach kaufmännischer Ausbildung und einigen Berufsjahren - bei verschiedenen Versicherungsgesellschaften in Hannover - Studium der Germanistik (Geschichte/Politik) und Mathe/Informatik in Hannover.
1988 Reise in die USA zu journalistischen Recherchezwecken über die ersten Forschungsergebnisse in der Gen-Forschung/Altersforschung/Gerontologie (u. a. an der Johns-Hopkins University in Baltimore/Maryland und University of Florida in Gainesville).
Frühes Interesse an der Prager deutschen Literatur. 1996: Praktikant an der Karls-Universität Prag, 1997: Praktikant bei der Prager Zeitung. Dozent für DaF u. a. am Goethe-Institut Göttingen (seit 2006) und Goethe-Institut Prag (2012/13).
2001/2002 Assistant Professor an der Han-Nam University in Daejon/Süd-Korea.
Wissenschaftliche Veröffentlichungen und Mitarbeiten u. a.:
Am 09.05.2023, 14:00 liest Stanislav Struhar aus seinem Buch: "Das Gewicht des Schattens" in Ústí nad Labem am Lehrstuhl für Germanistik, FF UJEP, Pasteurova 13
Nicht nur die USA haben ein Rassismusproblem. Nach der mittlerweile scheinbar endlosen Kette von „Einzelfällen“ rechtsmotivierter Gewalttaten in Deutschland, meldet sich NDR-Journalist Michel Abdollahi mit einem emotionalen Erfahrungsbuch zu Wort.
Der Dramaturg, Schriftsteller und Journalist Anselm Lenz wurde am 1. Mai in Berlin verhaftet. Er soll einen Stoß Zeitungen nach der Polizei geworfen haben.
Das Schicksal der Prager deutschen Schriftsteller in japanischer Übersetzung – Autor und Übersetzer treffen sich im Prager Literaturhaus deutschsprachiger Autoren
Am 15./16. März 1939 besetzten deutsche Truppen die Tschechoslowakei. Bis zu diesen Tagen war die Masaryk-Republik Asylland für mehr als 10.000 Emigranten. Nun wurden auch Tschechen selbst zu Verfolgten.
Die Prager Buchmesse im Zeichen des deutsch-tschechischen Literaturtransfers
Der Autor Josef Formánek beschreibt in seinem neuen Buch eine fragwürdige Gestalt, die das Leben schuf
An diesem Sonntag endete die 22. Prager Buchmesse „Svět knihy“ (Bücherwelt) im historischen Messepalast auf dem Ausstellungs- und Messegelände „Výstaviště“ in Prag-Holešovice. Neben den üblichen Gästen, wie das Prager Goethe-Institut oder auch das Polnische Kulturinstitut, präsentierten zahlreiche internationale Aussteller ihre neuesten Publikationen und ihre Autoren wie u. a. aus China, Rumänien, Spanien, Israel und auch aus den USA. Im Fokus standen neben der zu erwartenden Belletristik auch Science-Fiction und Fantasie-Romane mit einer eigenen Abteilung im Nordflügel des Messepalastes. Im Südflügel konnten Bücherwürmer auch eine große Sektion mit antiquarischen Drucken finden. Darunter u. a. die tschechische Übersetzung des Wallenstein-Romans von Alfred Döblin aus dem Jahr 1981.
Auch wir möchten uns in diesem Beitrag mit einer Übersetzung befassen und haben uns anlässlich der Prager Buchmesse dazu entschieden, das auf Deutsch übersetzte Buch des tschechischen Schriftstellers Josef Formánek „Die Wahrheit sagen“, das jüngst im Gekko-Verlag erschienen ist, vorzustellen.
Ein schreibender Globetrotter Der Autor Josef Formánek ist bereits an sich eine Geschichte wert. 1969 in Ústi nad Labem geboren, besuchte er die technische Schule in Roudnice nad Labem, bevor er 1992 mit einem Kompagnon das Geografiemagazin „Koktejl“ gründete und über 30 Länder der Welt bereiste. Sein besonderes Interesse galt und gilt bis heute dabei der indonesischen Insel Siberut und ihrer einheimischen Bevölkerung, die noch als Naturvolk lebt. Ihre Sprache (Mentawaianisch) hat sich Formánek im Selbststudium beigebracht. Josef Formánek gilt auf dem tschechischen Buchmarkt bereits als Beststeller-Autor. Zahlreiche Werke von ihm sind bereits ins Deutsche übersetzt worden, wie u. a. „Der vollbusige Mann und der Dieb der Geschichten – ein Reiseroman mit autobiografischen Wurzeln“, 2003 – „Ich starb am Samstag“, 2011 – „Der Sohn des Windes und der vollbusige Mann“, 2013 und „Das Lächeln der traurigen Männer“, 2014. Formánek kann also auf eine beachtliche Bibliografie zurückblicken.
Das Buch und seine Handlung In diesem Jahr ist der Roman „Die Wahrheit sagen“ von Josef Formánek in der Übersetzung von Martin Roscher auf Deutsch erschienen. 2008 erschien das tschechischsprachige Original des Buches unter dem Titel: „Mluviti pravdu“ und sorgte für ein Rauschen im tschechischen Blätterwald. Worum geht es also in dem Buch? Die Handlung basiert auf einer wahren Begebenheit, aber kann das Leben die wildesten Romanfantasien überbieten? Der Protagonist der Geschichte – ein Mann, der auf einer Müllkippe wohnt – heißt Bernhard Mares. Am 29.09.1924, neun Jahre bevor Paul von Hindenburg Adolf Hitler zum Reichskanzler ernennt, wird er in einer Wiener Straßenbahn geboren, seine Mutter, die das Kind unehelich auf die Welt bringt, legt es vor einer Kirche ab und drückt ihm einen Fahrschein auf seine Brust, so als wolle sie ihm noch einen letzten Gruß für die Reise durch ein Leben mitgeben, das ihren Sohn mehrmals kräftig hin- und herschütteln soll.
Josef Formánek: Die Wahrheit sagen, Trebitsch 2016, 477 Seiten, Hardcover, 23 Euro ISBN: 978-80-906354-0-1
Dem Ich-Erzähler der Geschichte, ein von Alkoholproblemen geplagter Journalist mit dem Vornamen Josef, bestätigt Bernhard, dass er sowohl bei der SS, als auch in der Roten Armee und ebenfalls in der KPČ – der kommunistischen Partei der ČSSR (Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik) war. Im Konzentrationslager hat er seine große Liebe Sophie getroffen und wieder aus den Augen verloren und am Ende seines Lebens will er nur noch eines: Sophie wiedersehen und wissen, dass es ihr gut geht. Und so schließt er mit dem Journalisten, dessen Existenz als ebenso gescheitert angesehen werden kann, wie die seinige, einen Pakt. Er erzählt ihm seine Geschichte, seine Story, wenn er ihm hilft Sophie zu finden.
Interessanter Trailer zum Buch.
Basierend auf einer wahren Begebenheit? Solch eine Geschichte klingt schon fast banal, theatralisch unglaubwürdig, wenn da nicht der Hinweis auf eine wahre Begebenheit wäre. Wer ist dieser Bernhard Mares im wirklichen Leben? Wenn man schon nicht erfahren kann, wer dieser Mann ist oder war, möchte man wenigstens seine Geschichte lesen; und so bleibt der Leser in der Spannung des Ungewissen, ob es Bernhard Mares wirklich gibt oder gab und wie sein wirklicher Name lautet. Doch darum geht es vielleicht dem Autor auch gar nicht. Mares ist eine Figur, die mehrfach die Fronten gewechselt hat und für die jüngeren Tschechen eine Möglichkeit ist, zu hinterfragen, welche Charaktere in der ČSSR tätig waren und aus welchem politischen Kielwasser sie auftauchten, denn momentan findet in Tschechien eine Aufarbeitung und Auseinandersetzung mit der eigenen sozialistischen Vergangenheit außerhalb von Fachkreisen so gut wie gar nicht statt. Dabei setzt sich der Autor literarisch mit der Frage auseinander, ob die Figur des Bernhard Mares, dessen Geburtsdatum zufällig in das unsägliche erste Viertel des 20. Jahrhundert fällt, ein Opfer seiner Zeit ist. Detailliert zeichnet er seinen Lebensweg nach, seine Mutter, die Geburt, das Waisenhaus, die SS, seine Zeit in der Roten Armee... Das Buch hat kein Inhaltsverzeichnis, weil auch das Leben keines hat. Am Schluss bleibt die Frage, die sich junge Menschen gerade heute – wieder – sowohl in Tschechien, als auch in Deutschland stellen können: „Wie hätte ich gehandelt?“ – „Wie hätte ich handeln können?“ „Hätte mein Handeln zum allgemeinen Gesetz erhoben werden können?“ Das Leben aber bietet keinen Raum für Konjunktive. Verständlich, dass Bernhard Mares auf seine letzten Tage seine Geschichte als Faustpfand für das Auffinden von Sophie eintauscht, denn jeden Tag mehr, den er nach ihr sucht, ist ein Tag weniger für ihn.
Die Sprache Gemessen an dem Potenzial, das der Romanstoff hergibt, ist der Sprachstil anfänglich eher spartanisch, nüchtern, stellenweise so sachlich, dass sie an eine E-Mail erinnert. Eine horizontale Linie suggeriert einen Filmschnitt. Der Leser bekommt den Eindruck, dass Formánek sich erst warmschreiben musste, bevor der Stil, wahrscheinlich aber ganz bewusst, mit der Geburt Mares poetischer wird. Trotzdem bleibt der ganze Roman in seinem sprachlichen Stil etwas holprig. Da heißt es am Anfang etwas klischeehaft: „Ich war auf der Suche. Vielleicht nach dem Sinn des Lebens. So bin ich mit Bernhard durch das Tal des Leidens zum Berg der Erkenntnis gegangen.“ Dann wartet Formánek mit einem sprachstarken Bild auf: „Oft war ich erfüllt von schaudernder Angst und Hoffnungslosigkeit. [...] Manchmal muss man erst das Zutrauen verlieren, damit das Schicksal einem etwas von dem gewährt, was man erträumt. [...]“ und dann „Viel Glück auf dieser Reise“. Es ist fast schon etwas traurig, wenn Formánek einerseits es schafft gefühlsstarke Bilder ausdrucksstark niederzuschreiben und dann plötzlich dem Leser „Viel Glück auf dieser Reise“ vor die Füße wirft. Sprache kann berauschen. Das haben zahlreiche Autoren des 20. Jahrhunderts, auch ein Nachkriegsautor wie Heinrich Böll, bewiesen. Wenn also Formánek auf der ersten Seite das Bild von der Wanderschaft durch das „Tal des Leidens“ gebraucht, wieso fährt dann auf der nächsten Seite der Ich-Erzähler plötzlich mit einem Taxi an einer „Müllkippe“ vorbei? Er hätte auch zu Fuß an dem Berg der „gescheiterten Träume“, der „abgewrackten Existenzen“ oder wie auch immer vorbeiwandern können. Kurz: Formánek hätte den „Berg“ näher beschreiben können. Und dass die „Müllkippe“ als Metapher für den Lebensweg Bernhards steht, erschließt sich dem Leser sofort, aber wieso wird das schmucklose Wort „Müllkippe“ bemüht, wo es im Deutschen mannigfache andere Ausdrücke für die Trostlosigkeit einer biografischen Schutthalde gibt? An dieser Stelle kann man Formánek vielleicht noch nicht einmal einen Vorwurf machen, denn wir beziehen uns hier lediglich auf die deutsche Übersetzung. Man müsste also den Roman mit dem tschechischen Original vergleichen. Nichtsdestotrotz kann aber der wechselnde Sprachstil nicht nur übersetzungsbedingt sein.
Wechselnder Sprachstil und Assoziationen mit Bukowski Formánek wechselt den Sprachstil an vielen Stellen ganz bewusst, etwa wie bei der bereits erwähnten Geburt Bernhard Mares in der Straßenbahn. Auch die Schriftart wechselt bewusst vom Standard ins Kursive, in Sperr- und Fettschrift und zentriert. Mehr Ausdrucksstärke könnte dies unnötig machen, denn das Werkzeug eines Schriftstellers ist das Wort und nicht die optische Gestaltung eines Textes. Dass Formánek teilweise auch pornografische Ausdrücke benutzt, die übrigens von einer jungen Buchkritikerin auf Youtube bereits beanstandet wurde, lässt sich ganz einfach mit dem Hinweis auf das Kapitel „Der Dreckskerl Bukowski“ erklären. Ähnlichkeiten zur Ausdrucksweise Charles Bukowskis sind womöglich gewollt, wenn auch nicht in der gleichen Art erreicht. Dass Charles Bukowski genauso desillusioniert vom Leben war, wie Bernhard Mares es ist, bleibt unverkennbar; und so endet Formáneks Roman mit den Zeilen: „Dieses Buch war für mich wie ein Gebet. Oft war ich erfüllt von schaudernder Angst und Hoffnungslosigkeit. Es gab Momente, da fürchtete ich, überhaupt nicht weitergehen zu können. Auf dem Gipfel des Berges bin ich furchtbar erschrocken: ‚Was machst du denn hier?‛ [...] Heute ist ein klarer, wolkenloser Tag. Ich werde nicht trinken. Und das ist so in etwa alles.“
Am Ende meiner Rezension bin ich eines dem Leser schuldig geblieben. Gab es Bernhard Mares nun wirklich oder handelt es sich bei der o. g. Unschlüssigkeit nur um eine geschickte Strategie des Autors? Auf der diesjährigen Leipziger Buchmesse, im März 2016, erklärte Josef Formánek dem Bohemisten und Kulturwissenschaftler Mirko Kraetsch, dass es tatsächliche eine reale Vorlage für Bernhard Mares gab. Bernhard Solar hieß der Mann, den der Autor Formánek auf einer Müllkippe fand. Er lebte und starb in Ústi nad Labem. Manchmal schreibt eben doch das Leben Geschichten, die bar jeder Schriftstellerfantasie sind.
Fazit: Der Ausgangsstoff ist interessant. Mein Vorschlag: Das Buch sollte sowohl von deutschen, als auch tschechischen Studenten in der Geschichts-, der Literatur- oder Politikwissenschaft gelesen und innerhalb eines Austauschprojektes, wie z. B. Erasmus, diskutiert werden. Der Sprachstil ist etwas holprig, stellenweise recht einfach, während er an anderen Stellen, wie oben zitiert, interessante Ansätze bietet. Formánek hätte mehr mit dem Stil, mit den Bildern experimentieren können. Alles in Allem verdient aber das Buch das Prädikat: lesens- und empfehlenswert.
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Was das Bier in der Kneipe, der Knödel auf dem Teller und die Prager Burg bei einem Stadtrundgang ist, das ist zweifellos die Laterna magika im Bereich Abendunterhaltung und Kultur: nämlich ein Programmpunkt, ohne den einem Prag-Besucher defintiv etwas ganz Besonderes entgehen würde. Dabei erfindet sich die Laterna seit über 50 Jahren immer wieder neu.
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