Wenn Fabian Möpert auf die zurück liegenden Wochen schaut, gerät er geradezu ins Schwärmen. Die tschechischen Gastgeber, sagt er, „haben uns das Gefühl gegeben, willkommen zu sein.“ Sie hätten alles getan, „um unseren Aufenthalt so interessant wie möglich zu gestalten.“ Da kann ihm Robert Forker nur zustimmen. Leider sei die Zeit zu kurz gewesen. Jetzt, da er und sein Landsmann sich auskennen im Parlament, die Arbeit der Abgeordneten besser einzuschätzen vermögen, „müssen wir wieder weg. Das ist wirklich schade.“
Möpert, geboren 1989, und sein um ein Jahr jüngerer Kollege Forker sind deutsche Praktikanten im tschechischen Parlament. Am 1. März dieses Jahres haben sie ihre Stelle in Prag angetreten. Am 30. April endet ihre Tätigkeit. Dann setzen sie in Deutschland ihr Studium fort. Möpert an der Uni in Leipzig, wo er im Sommer seinen Master abschließen will. Forker, der die Fächer Erziehungs- und Staatswissenschaften belegt hat, an der Uni Erfurt.
Was die jungen Deutschen in den vergangenen zwei Monaten absolviert haben, ist eine Premiere in den Beziehungen zwischen beiden Ländern. Der Bundestag bietet schon seit vielen Jahren jungen Menschen aus dem Ausland die Möglichkeit, Einblick in die parlamentarische Arbeit zu gewinnen. Tschechien hat erst in diesem Jahr nachgezogen. Möpert und Forker sind die ersten Stipendiaten, die sich an der Moldau mit dem hiesigen parlamentarischen System vertraut machen dürfen.
Wir sitzen im Büro des Sicherheitsausschusses. Roman Vana ist Abgeordneter der Sozialdemokratischen Partei und Vorsitzender dieses Gremiums. Forker arbeitet im Stab von Parlamentspräsident Jan Hamacek, der zugleich Schirmherr der Hospitanten-Projektes ist. Warum sie sich gerade um diese Praktikanten-Stellen beworben haben, möchte ich wissen. Die Antworten ähneln sich. Möpert und Forker stammen beide aus dem südlichen Sachsen, von wo aus es nicht weit zum Nachbarland ist. Seine Eltern - der Vater ist Lehrer - hätten ihm von Kind an ein positives Bild von Tschechien vermittelt, sagt Möpert. Bei Ausflügen hätten sie ihm gezeigt, dass dieses Land nicht nur aus Tankstellen mit preiswertem Benzin und Vietnamesen-Märkten besteht. Sein Kollege hat seine Zuneigung zu Böhmen und Mähren in einem tschechischen Jugend-Begegnungszentrum entdeckt, wo er sein freiwilliges Soziales Jahr absolvierte.
Die tschechische Sprache haben beide Praktikanten an der Universität gelernt, zunächst in Deutschland, später in Prag, wo sie jeweils ein dreiviertel Jahr an der Karls-Universität eingeschrieben waren. Während sich Möpert vor allem mit den Fächern europäische Wirtschaft und Finanzen beschäftigte, konzentrierte sich Forker auf Politische Wissenschaften und tschechische Geschichte. Beide beherrschen die slawische Landessprache inzwischen in Wort und Schrift, auch alltagstauglich, wie sie versichern. Darüber hinaus sind sie auch in Englisch verhandlungssicher und haben Grundkenntnisse in einer weiteren Fremdsprache, wie Französisch und Polnisch.
Anders als tschechische Praktikanten beim Bundestag, die zumeist in Studentenheimen untergebracht sind, wohnen die Deutschen in Prag komfortabel. Sie logieren in einem Haus, in dem auch die Abgeordneten während der Sitzungswochen wohnen. Mit ihrem Hausausweis als Praktikanten können sie alle Einrichtungen des Parlamentes nutzen, vom wissenschaftlichen Dienst bis zur Kantine. Der Umgang, den die Abgeordneten mit ihnen pflegen, sei offen und locker, sagen Fabian Möpert und Robert Forker. Das gelte auch für die Freizeit. „Man geht abends auch schon mal zusammen essen.“
Die beiden Deutschen begleiten ihre Abgeordneten zu Sitzungen, nehmen an Seminaren teil, in denen Abgeordnete über jeweilige Fachgebiete unterrichtet werden. Und wenn der Parlamentspräsident ausländische Gäste empfängt, dann ist sein deutscher Praktikant auch dabei. Gibt es für sie eine Kleiderordnung? Beide tragen bei unserer Begegnung Anzug mit Krawatte. Ein Schlips sei nicht verpflichtend, meint Forker. Aber im Business-Anzug zu erscheinen, sei schon angebracht. „Da kann man nichts falsch machen.“ Schließlich fühle er sich auch als Vertreter Deutschlands.
Überrascht hat es Fabian Möpert, dass er seinen Abgeordneten auch auf Dienstreisen nach Deutschland begleiten durfte. Mit dem Sicherheitsausschuss war er in Dresden und Berlin. „Da saß ich als Deutscher auf der tschechischen Seite“, erzählt er. Diese einzigartige Möglichkeit, die sich ihm bei solchen Gelegenheiten geboten habe, „fand ich sehr spannend.“ Man bekomme dabei eine andere Perspektive und auch einen schärferen Blick für die Auslotung von Kompromissen.
Was nehmen die Praktikanten mit nach Deutschland? Fabian Möpert überlegt. „Zum einen eine Reihe von Kontakten und Beziehungen.“ Und zum anderen? Diesmal kommt die Antwort spontan: „Dass man die tschechische Seite besser versteht.“ Das Wissen, wie Politik in Tschechien funktioniert, sei eine wertvolle Erfahrung. „Was wir uns angelesen haben, haben wir in der Praxis erlebt.“ Die Beherrschung der Landessprache habe viele Türen geöffnet. „Wenn man als Deutscher tschechisch spricht, sind die Menschen ungemein dankbar. Da kommt viel zurück.“
Sein Kollege, der sich intensiv mit der Geschichte der böhmischen Länder befasst hat, erkennt noch einen weiteren Gewinn. Bei seinem Aufenthalt in Prag sei ihm bewusst geworden, wie stark Deutsche in der Vergangenheit die Kultur des Landes mit geprägt haben. Auch er fühle sich als Böhme, als deutscher Böhme in Europa. Und er betrachte es als seine Aufgabe, die Verständigung zwischen den Nationen weiter voran zu bringen.
So sieht es auch der tschechische Parlaments-Präsident. Er will sich dafür einsetzen, dass das Stipendien-Programm fortgesetzt wird und die beiden Praktikanten Nachfolger bekommen. Es freue sich, dass dieses Programm nicht nur einseitig funktioniert, dass nicht nur tschechische Studierende von dem Angebot des Bundestages Gebrauch machen, sondern dass auf tschechischer Seite endlich etwas Ähnliches entstanden sei, erklärte er. Und dann fügte er noch hinzu: „Nach meiner Meinung werden aus den Studenten auch so etwas wie „Botschafter“ der Tschechischen Republik, und das fördert den Austausch zwischen unseren Ländern.“
geschrieben am 24. April 2015