Der Autor

Gert Loschütz wurde als "der David Lynch unter Deutschlands Romanautoren" bezeichnet, viele seiner Texte thematisieren das Unheimliche. Er wird aus seinem hoch geschätzten Roman Dunkle Gesellschaft lesen, für den er 2005 auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises gewählt wurde. Er ist auch Verfasser von zahlreichen Theaterstücken, Hörspielen und Fernsehspielen.

Gert Loschütz wurde 1946 in Genthin (Sachsen-Anhalt) geboren, 1957 übersiedelte die Familie nach Hessen. 1968 wurde er zur Tagung der Gruppe 47 auf Schloss Dobříš eingeladen, die jedoch wegen des Einmarschs der Truppen des Warschauer Paktes nicht stattfinden konnte. Gert Loschütz lebt in Berlin.

​Im November 2016 ist er Stipendiat des Prager Literaturhauses.

 

 

Bildnachweis:
Björn Steinz

Blog

| Gert Loschütz | 8.11.2016

7. November 2016

2.

Nach ein paar Tagen das Gefühl, die Wohnung zu kennen, aus den späten Sechzigern in Friedenau, der Zeit, als die pompösen Kachelöfen der alten Gründerzeithäuser durch schnöde Gasetagenheizungen ersetzt wurden. Die alten Frauen, die nach dem Tod ihrer Männer oft allein in den großen Wohnungen gelebt und sie mit den Jahren in dunkle Höhlen verwandelt hatten, starben oder zogen ins Altersheim, und da es an zahlungskräftigen Nachmietern fehlte, akzeptierten die Hausbesitzer nun auch mit der nötigen Chuzpe auftretende Studenten als Hauptmieter, die nach glücklicher Unterzeichnung des Vertrags andere Studenten als Untermieter nachzogen: der Anfang der bald als Kommunen in Verruch geratenden Wohngemeinschaften. Wie hier, in der Masarykovo, war zur Vereinfachung der Malerarbeiten der Stuck von den Decken geschlagen worden, die Wände waren meistens nur ein-, zweimal weiß übertüncht und die Räume selbst (mit den noch häufig über Putz liegenden Leitungen) mit Gebrauchtmöbeln notdürftig eingerichtet worden, Sitzgruppen, bei denen es allein auf die Bequemlichkeit ankam, neben noch unaufgearbeiteten Biedermeiertischchen, und immer war das Licht der gedankenlos aufgehängten und mit viel zu schwachen Birnen ausgestatten Lampen so miserabel, dass man eine Taschenlampe brauchte, um zu lesen. Der Staub fraß sich ins alte Eichenparkett, und betätigte man die Wasserspülung, ging ein Zittern durch die Rohre, dass man meinte, gleich würden sie einem um die Ohren fliegen.

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