Seit dem Bekanntwerden der Ermordung des slowakischen Journalisten Ján Kuciak und seiner Verlobten Martina Kusnírová drücken immer mehr Menschen ihren stillen Protest und ihre Trauer durch das Aufstellen von Kerzen und Schildern vor dem Denkmal des Heiligen Wenzels auf dem Wenzelsplatz in Prag aus.
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Ján Kuciak, der nach Berichten von Spiegel-Online investigativ zu innenpolitischen Fällen von Steuerbetrug, auch zu den sog. "Panama-Papers" recherchiert haben soll, wurde am Sonntag zusammen mit seiner Verlobten Martina Kusnírová tot in seiner Wohnung in Veľká Mača, das ca. 65 km östlich von der slowakischen Hauptstadt Bratislava liegt, aufgefunden. Nach Berichten der slowakischen Polizei sollen er und seine Lebensgefährtin durch Schüsse in Brust und Kopf augenscheinlich hingerichtet worden sein. Kuciak war seit 2 Jahren Redakteur beim Online-Portal Aktuality.sk, das zum Schweizer Konzern "Ringier Axel Springer" gehört, und zahlreiche weitere Medienprodukte in Polen, der Slowakei, Ungarn und Serbien betreibt.
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Die Prager Passanten, die seit Stunden auf dem Wenzelsplatz, aber auch vor der Slowakischen Botschaft Kerzen, Blumen und Beileidsbekundungen ablegen, sind schockiert über die Brutalität, mit der kritische Journalisten derzeit zum Schweigen gebracht werden. Ältere Tschechen, die nicht genannt werden wollen, erinnert der Fall an frühere Zeiten. Jüngere Tschechen brachten ihre Bestürzungen darüber zum Ausdruck, dass der tschechische Präsident Zeman erst im Oktober vergangenen Jahres Reportern eine Kalaschnikow-Attrappe in die Kamera hielt, was auch von Reporter ohne Grenzen als öffentliche Drohung verstanden und entsprechend kommentiert wurde. In die westlichen Medien schaffte dieser Vorfall es kaum. Er ging im allgemeinen Tumult um die tschechischen Präsidentschaftswahlen und einigen Trump-Äußerungen unter.
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Reporter ohne Grenzen kommentiert Zemans Kalaschnikow-Äußerung
Spiegel-Bericht mit Hintergrundinformationen
Sowohl in den tschechischen als auch in den slowakischen Sozialen Netzwerken brodelt es im Moment sehr aktiv. Während einige User behaupten, "Ausländer" hätten den Journalisten und seine Verlobte getötet, machen weitere wilde Gerüchte und Spekulationen die Runde. Insgesamt macht sich aber sowohl im Netz als auch in persönlichen Gesprächen mit Pragern ein Gefühl der Angst und Ohnmacht breit, dass solche Journalistenmorde auch hierzulande passieren könnten.
Prag, 27.02.2018
Konstantin John Kowalewski
Artikellink: https://www.prag-aktuell.cz/blog/prag-trauert-erschossenen-journalisten-...