Ein Tag nach der erschütternden Niederlage. In Russland. Bis nach Moskau gekommen – und dann ins offene Messer gelaufen. Den Azteken, die dort wahrlich nichts zu suchen haben. In der Metropole Russlands. Napoleon hat sie erreicht, er ja. Was hat er gemacht? Plündern lassen, die müde Armee sich austoben lassen, die von allen Würdenträgern verlassene Stadt anzünden lassen. Natürlich hat nicht ganz Moskau gebrannt und natürlich musste die normale Bevölkerung in der Stadt verharren. Und natürlich hat es dann Prostitution, Kollaboration und Irgendwastion gegeben. Doch was hat Napoleon dann gemacht? Als ihm das Treiben langweilig wurde, ist er mit seiner Armee wieder umgekehrt. Den ganzen weiten Weg zurück. Die russische Oligarchie ist wieder zurückgekehrt, hat die Stadt wieder aufgebaut und nur wenige Jahre später war alles wieder beim Alten. Währenddessen ist Napoleon erst auf diversen Schlachtfeldern geschlagen, dann auf Elba und anschließend auf St. Helena verbannt worden. Was waren also die Napoleonischen Kriege in der deutschen Geschichte der letzten tausend Jahre anders als ein Vogelfliegenscheißfleck. Der hat zwar dem Deutschen Römischen, stopp, dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation das endgültige Ende bereitet, das war allerdings nur ein Gnadenstoß nach einer mit Wohlwollen tausendjährigen Geschichte, die spätestens nach dem Dreißigjährigen Krieg in zunehmende Agonie verfallen war. Und vor allem eins aufgehalten hat, den politischen Fortschritt in einer Zeit wirtschaftlichen Aufschwungs. Stattdessen kamen die Romantiker, also die Verklärung nach der Aufklärung. Die Wiederentdeckung der alten Rittersagen und natürlich des deutschen Nationalepos, der Nibelungen. Genau dort wird die gegen alle Rationalität stehende Treue verklärt, die im eigenen Untergang mündet. Etzel und die Hunnen, also Dschinghis Khan und die Mongolen, haben den Siegfriedmördern und Trickbetrügern (siehe: Tarnkappe) den Untergang bereitet. Erst das Zitat von diesem Vogelfliegenscheißdrecksflecknivellierer, hächstwahrscheinlich freundlich gesponsert aus Moskau, dann das Auseinanderbrechen einer einst großen Mannschaft in Moskau und der Dolchstoß aus Bayern. Als hätten die Bayern dem deutschen Fußball noch nicht genügend geschadet durch ihre dauerhafte Politik der Konkurrenzvermeidung. Dieselben Manöver, die Russland gegen eine starke und geeinte EU betreibt, betreiben die Bayern schon lange gegen eine konkurrenzfähige Bundesliga in der Spitze. Man sieht es an den Ergebnissen in der Champions League und jetzt auch bei der WM. Die Bayern haben das Kämpfen verlernt, das Fighten. Genau wie die meisten Nationalspieler, denn die landen magnetisch angezogen genau dort, manche wandern dann noch weiter. Doch das Bayern-Gen haben sie alle internalisiert. Und das heißt seit ein paar Jahren, wenn wir wirklich gefordert werden, ziehen wir den Kürzeren. Die in Deutschland aufkommenden Rivalen werden systematisch zurechtgestutzt, nur mit der internationalen Konkurrenz geht das eben nicht. Da schiebt man dann gerne die Schuld auf den Schiedsrichter (Champions League 2017), ärgert sich über unnötige Fehler (nicht nur, aber besonders 2018) oder verschießt in entscheidenden Situationen Elfmeter (2016), wählt die falsche Taktik (2014) oder der gegnerische Torwart hat einen super Tag erwischt (2015). Doch in keinem Fall ist es die eigene Leistung, die nicht gestimmt hat.
Kaum Fußball aus Zeitmangel
Der Tag nach der Niederlage gegen Mexiko, ein Montag, zeigt, wie angenehm diese WM ist. Die Anstoßzeiten sind so gelegt, dass ein normal arbeitender Mensch das erste Spiel erst gar nicht sehen kann. Also bleibt die Analyse der beiden kommenden Gegner aus, ich erfahre irgendwann im Laufe des Abends, dass Schweden dank eines Elfmeters 1:0 gegen Südkorea gewonnen hat. Das zweite Spiel, Geheimfavorit Belgien gegen Panama, entgeht mir ebenfalls weitgehend, da ich mich noch der Arbeit widmen muss, als ich nach Hause komme. Zwischendurch schalte ich mal ein und sehe, dass Belgien kurz vor Ende des Spiels souverän 3:0 führt. Statt die Arbeit zu unterbrechen, lasse ich auch fast die gesamte erste Hälfte des England-Tunesien-Spiels verstreichen, das ist nun mal die Krux mit Deadlines. Erst als meine Lebensgefährtin MM mit dem Kind nach Hause kommt, breche ich ab. Ich füttere das Kind und schaue mir die gesamte zweite Hälfte an, England arbeitet sich lange an einem 1:1 ab, ich höre etwas von einem ausgewechselten Torwart und einem Elfmeter für Tunesien und ziehe die falschen Schlüsse. Das Kind beschäftigt mich aber so sehr, dass das Spiel in großen Teilen an mir vorbei läuft. In der letzten Minute schießt Kane den Siegtreffer, doch wie es dazu gekommen ist, kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Es war ein Abstaubertor nach einem Eckball, denke ich, aus kürzester Entfernung mit dem Kopf, nachdem der Ball bereits halbwegs geklärt schien, Kane aber nicht im Abseits stand, weil die Verteidiger noch nicht rausgelaufen waren. Egal, ähnlich wie Favorit Frankreich gewinnt auch Geheimfavorit England glücklich, während die Favoriten Argentinien, Brasilien und Spanien sich mit Unentschieden begnügen müssen. Von Deutschland ganz zu schweigen.