Wenn der Schauspieler Tom Hanks und Regisseur Steven Spielberg, der u. a. in mittlerweile zu Klassikern avancierten Filmen Regie führte wie: „Der weiße Hai“ (1975) „E. T. – Der Außerirdische“ (1982), „Indiana Jones und der Tempel des Todes„ (1984) und „Jurassic Park“ (1993), aufeinander treffen, dann verspricht das großes Kino zu werden. Tom Hanks, der bereits in zahlreichen Filmen wie u. a. „Forrest Gump“, „Apollo 13“, „Cast Away – Verschollen“ oder auch „Der Soldat James Ryan“ (Regie führte ebenfalls Steven Spielberg) nicht nur sein schauspielerisches Können unter Beweis stellte, sondern auch seine Spürnase für anspruchsvolle und interessante Rollen bewies, spielt in seinem letzte Woche in den tschechischen Kinos angelaufenen Film „Bridge of Spies“ („Most špiónů“) den US-amerikanischen Rechtsanwalt James B. Donovan (1916 – 1970), der 1957 den sowjetischen KGB-Agenten Rudolf Iwanowitsch Abel (1903 – 1971) vor Gericht verteidigte. Das allein würde mit Sicherheit Stoff für einen interessanten Polit-Thriller versprechen, denn Donovan schafft es tatsächlich, Abel vor dem elektrischen Stuhl zu bewahren, was bereits bei der Urteilsverkündung im Gerichtssaal zu heftigen Protesten und zu lautstarken Forderungen nach dem Galgen führt.
Keine Klischees: Film besticht durch Faktentreue
Doch wie die o. g. Jahreszahlen hinter den Personennamen (in Klammern) andeuten, handelt es sich weder bei den Personen noch der Handlung um Fiktionen für das Lichtspieltheater, denn der Film beruht nicht nur auf einer wahren Begebenheit, nämlich dem berühmten Agentenaustausch (Abel gegen die beiden Amerikaner Frederic Pryor und Francis Gary Powers) vom 10. Februar 1962 an der Glienicker Brücke, die über die Havel Berlin mit Potsdam verbindet, sondern besticht durch eine enorme Detail- und vor allem Faktentreue. Spielberg und Hanks ist es gelungen auch das deutschsprachige Publikum im Kinosaal mit deutschen Textpassagen zu überzeugen, die nicht an die eher üblichen amerikanischen Klischeefilme erinnern, in denen deutsche Charaktere mit amerikanischem Akzent sinnlose Sätze wie „Stopp – Rauchen verboten“ daherplappern. Dies wird umso deutlicher, wenn man das Glück hat, den Film im Originalton – also auf Englisch – zu sehen.
Berlin: Zwischen Halbstarken und Mauerbau
Neben dem Mauerbau vom 13. August 1961, bei dem der Student Frederic Pryor noch versucht seine deutsche Freundin in den Westen zu retten und dabei selbst in DDR-Haft gerät, werden auch die einzelnen, recht rapiden kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklungsabschnitte im Nachkriegsdeutschland faktengetreu wiedergegeben. So gerät Donovan in West-Berlin in die Fänge einer – im englischen Originalton – „Gang“. Dem deutschen Publikum war aber klar, dass es sich um eine Gruppe sog. „Halbstarker“ handelt, die ihm auch prompt den Wintermantel abknöpft. Ebenfalls originalgetreu wiedergegeben, ist die Kulisse des zerbombten Ost-Berlins, die Fassaden des beginnenden 60er Jahre Wirtschaftswunders im Westteil der Stadt (Stichwort: „amerikanisches Frühstück“ im Hilton-Hotel), die Kohle-Knappheit im Ostteil und vieles mehr. Spielberg muss eindeutig gute Historiker als Berater hinzugezogen haben, um solch eine Detailtreue über ein für ihn fremdes Land in einer längst vergangenen Epoche zu erreichen.
McCarthy-Ära: Amerika macht „Hexenjagd auf Kommunisten“
Aber auch die 50er Jahre des eigenen Landes, nämlich der USA, werden historisch korrekt wiedergegeben. Es ist die Zeit der McCarthy-Ära - einer Zeit, die auch als „kommunistische Hexenjagd“ bezeichnet wird. Ein Klima des gegenseitigen Misstrauens beherrscht das öffentliche Leben in den Vereinigten Staaten. Jeder, der auch nur annähernd – aus welchen Gründen auch immer – in Betracht kam, wurde als Kommunist bezichtigt. Es war die Zeit, als die sog. „Black List“ die „Schwarze Liste“ angefertigt wurde und Hollywood beschloss, unter Verdacht stehende Filmkünstler nicht mehr zu beschäftigen. In diesem Klima taucht der Rechtsanwalt James B. Donovan auf und verteidigt den KGB-Agenten Abel und noch recht erfolgreich dazu, wofür einige Zeit später Unbekannte auf das Wohnzimmerfenster seines Hauses schießen. Donovans Tochter liegt zu dem Zeitpunkt zufälligerweise auf dem Sofa vor dem Fernseher, sodass die Kugeln über sie hinwegfegen.
Panikmache vor „kommunistischen Atombomben“
Ebenfalls historisch korrekt wiedergegeben, ist die allgemeine Panikmache, bei der Schulkindern „Aufklärungsfilme“ vorgespielt werden, wie sie sich bei einem Atomangriff der Sowjetunion verhalten sollen, was zu großen Ängsten führt. Während den Mädchen die Tränen sturzbachweise über die Wangen rollen, versucht der Sohn Donovans seinen Ängsten mit typisch männlicher Logik entgegenzutreten, indem er die Wanne voll Wasser laufen lässt, um sich bei einem Atomschlag rechtzeitig schützen zu können. Die Argumentation des Dreikäsehochs überführt aber recht schnell die offizielle Propaganda ihrer Sinnlosigkeit. Denn einen sicheren Schutz vor einem Atomschlag gibt es nicht.
Deutschland West: Nicht ohne meinen Gartenzwerg in den Atombunker
An dieser Stelle sei eine persönliche Erfahrung wiedergeben. Diese Welle der Panikmache hielt auch in West-Deutschland noch lange bis in die 80er Jahre an und ich kann mich selbst noch gut daran erinnern, wie ich mich als Kind aus Angst vor einer Atombombe in den Keller verkroch und nachts ständig unter Albträumen litt, die einen Atomkrieg zum Gegenstand hatten. Der Atombunker im eigenen Haus oder Garten wurde in der BRD seinerzeit staatlich gefördert. (Vgl. dazu den ZEIT-Artikel von Wilhelm Steiner „Atombunker – im Garten einzugraben“ vom 14. April 1967) – Welch eine Frechheit, ganzen Generationen die Lebensfreude ihrer Kindheit zu rauben, nur um sie zu „guten Antikommunisten“ zu erziehen!
Unterhaltsam und lehrreich zugleich
Mehr sei von der Handlung des Films nicht verraten. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der Film sich nicht nur als spannungsgeladener Agenten-Thriller für die abendliche Freizeitgestaltung eignet, sondern auch tschechischen Geschichtslehrern, Schulklassen und Geschichtsstudenten zu empfehlen ist. Inwieweit es für den Film eine Altersfreigabe nach dem deutschen Muster der FSK gibt, konnte nicht eruiert werden.
Fazit: Gut umgesetzter Ausgangsstoff, guter Regisseur, gute Schauspieler
Bewertung: Prädikat: Besonders empfehlenswert!
Eintritt für Studenten bis 25 Jahre: 139 Kronen
Sprache: Englisch mit tschechischem Untertitel
Getestetes Kino: Cinema City im Smíchov-Einkaufscenter bei Anděl
Deutschsprachige Vorschau (ARD): Die Brücke der Spione: „Bridge of Spies - Der Unterhändler“
Konstantin Kountouroyanis, 09.12.2015
Artikellink: http://prag-aktuell.cz/blog/polit-thriller-der-glienicker-bruecke-091220...