Der Autor

Gerd Lemke, Jahrgang 1969, lehrte als Lektor für Germanistik an der Karls-Universität in Prag und lebt dem eigenen Empfinden nach eigentlich schon zu lange in der tschechischen Hauptstadt. Nach einem zweijährigen Auslandsaufenthalt im Kosovo kehrte er dennoch freiwillig zum "Mütterchen mit den Krallen" an die Moldau zurück.

Seinen Geburtstag teilt er mit dem Europameister von 1980, Karl-Heinz Förster. Er ist leidenschaftlicher Literat, glaubt wie Albert Camus, alles im Leben durch das Fußballspiel gelernt zu haben, hat aber im Gegensatz zum großen Existenzialisten nur ein einziges Spiel als Torwart bestritten. Ansonsten tritt er regelmäßig für Partisan Prague gegen das Leder und trifft als stellungssicherer Verteidiger auch schon mal das eine oder andere Schienbein. Für sein Lieblingsteam, die sporadische Zusammenkunft Umělecká Letná, hilft er gerne und treffsicher im Sturm aus.

Im Jahr 2006 hatte er bereits das Sommermärchen in Deutschland und und seit dem alle zwei Jahre die großen Fußballtourniere von Prag aus beobachtet und kommentiert, mit einer täglichen Kolumne für Tschechien Online.

Für prag aktuell ist er bei der Fußball-EM 2024 in Deutschland wieder hart am Ball, wenn es um Tricks, Täuschungen und Taktik im weiteren Sinn geht: Sportsfreund Gerd Lemke.

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Weitere Einträge

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Gerd Lemkes EM-Kolumne aus Prag – Berichte, Analysen, Einwürfe aus der Hauptstadt des Geheimfavoriten von 2004
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WM-Kolumne aus Prag: Halbfinale: Frankreich – Belgien 1:0, England – Kroatien 1:2 n.V., kleines Finale: Belgien – England 2:0, großes Finale: Frankreich – Kroatien 4:2
WM-Kolumne aus Prag: Viertelfinale: Frankreich – Uruguay 2:0, Belgien – Brasilien 2:1, England – Schweden 2:0, Kroatien – Russland 2:2 n.V., 4:3 i.E.
Russland – Spanien 1:1 n.V., 4:3 i.E., Kroatien – Dänemark 1:1 n.V., 3:2 i.E.
WM-Kolumne aus Prag: Frankreich – Argentinien 4:3, Uruguay – Portugal 2:1
WM-Kolumne aus Prag: F – DK 0:0, Peru – Australien 2:0, Argentinien – Nigeria 2:1, HR – IS 2:1, D – Südkorea 0:2, S – Mexiko 3:0, Brasilien – SRB 2:0, Costa Rica – CH 2:2, PL – Japan 1:0, Senegal – Kolumbien 0:1, England – BE 0:1, Tunesien – Panama 2:1
WM-Kolumne aus Prag: Russland – Uruguay 0:3, Ägypten – Saudi Arabien 1:2, Spanien – Marokko 2:2, Iran – Portugal 1:1
WM-Kolumne aus Prag: England – Panama 6:1, Japan – Senegal 2:2, Polen – Kolumbien 0:3
WM-Kolumne aus Prag: Belgien – Tunesien 5:2, Südkorea – Mexiko 1:2, Deutschland – Schweden 2:1
WM-Kolumne aus Prag: Dänemark – Australien 1:1, Frankreich – Peru 1:0, Argentinien – Kroatien 0:3
WM-Kolumne aus Prag: Kolumbien – Japan 1:2, Polen – Senegal 1:2, Russland – Ägypten 3:1
WM-Kolumne aus Prag: Schweden – Südkorea 1:0, Belgien – Panama 3:0, England – Tunesien 2:1
WM-Kolumne aus Prag: Serbien – Costa Rica 1:0, Deutschland – Mexiko 0:1, Brasilien – Schweiz 1:1
Frankreich – Portugal 0:1 n.V.
Frankreich – Deutschland 2:0
Portugal – Wales 2:0
Frankreich – Island 5:2
Deutschland – Italien 1:1 n.V., x:x-1 i.E.
Wales – Belgien 3:1
Polen – Portugal 1:1 n.V., 3:5 i. E.
Spanien – Italien 0:2, England – Island 1:2
Frankreich – Irland 2:1, Deutschland – Slowakei 3:0, Ungarn – Belgien 0:4
Polen – Schweiz 1:1 n.V., 5:4 i.E., Wales – Nordirland 1:0, Kroatien – Portugal 0:1 n.V.
Portugal – Ungarn 3:3, Österreich – Island 1:2, Irland – Italien 1:0, Schweden – Belgien 0:1
Deutschland – Nordirland 1:0, Polen – Ukraine 1:0, Tschechien – Türkei 0:2, Spanien – Kroatien beim Stande von 1:2 nicht weiter verfolgt
England – Slowakei 0:0, Russland – Wales 0:3
Albanien – Rumänien 1:0, Frankreich – Schweiz 0:0
Schweden – Italien 0:1, Tschechien – Kroatien 2:2, Spanien – Türkei 3:0 | Irland – Belgien 0:3, Ungarn – Island 1:1, Österreich – Portugal 0:0
England – Wales 2:1, Nordirland – Ukraine 2:0, Deutschland – Polen 0:0
Slowakei – Russland 2:1, Rumänien – Schweiz 1:1, Frankreich – Albanien 2:0
Österreich – Ungarn 2:0, Portugal – Island 1:1
Spanien – Tschechien 1:0, Irland – Schweden 1:1, Italien – Belgien 2:0.
Kroatien – Türkei 1:0, Nordirland – Polen 0:1, Deutschland – Ukraine 2:0
Albanien – Schweiz 0:1 (reimt sich sogar), Wales – Slowakei 2:1 und England – Russland 1:1. Alle gesehen von Gerd Lemke.
France – Romania 2:1
Tag 25: Finale: Deutschland – Argentinien 1:0 n.V.
Tag 24: Kleines Finale: Holland – Brasilien 3:0
Tag 23: Halbfinale: Argentinien – Holland 4:2 i. E.
Tag 22: Halbfinale: Brasilien – Deutschland 1:7
Tag 21: Viertelfinale: Argentinien – Belgien 1:0, Holland – Costa Rica 4:2 i. E.
Tag 20: Viertelfinale: Deutschland – Frankreich 1:0, Brasilien – Kolumbien 2:1
Tag 19: Achtelfinale: Argentinien – Schweiz 1:0 n.V., Belgien – USA 2:1 n.V.
Tag 18: Achtelfinale: Frankreich – Nigeria 2:0, Deutschland – Algerien 2:1 n. V.
Tag 17: Achtelfinale: Holland – Mexiko 2:1, Costa Rica – Griechenland 6:4 i. E.
Tag 16: Achtelfinale: Brasilien – Chile 4:3 i.E., Kolumbien – Uruguay 2:0
Tag 15: Deutschland – USA 1:0, Portugal – Ghana 2:1, Algerien – Russland 1:1, Belgien – Südkorea 1:0
Tag 14: Argentinien – Nigeria 3:2, Bosnien und Herzegowina – Japan 3:1, Frankreich – Ecuador 0:0, Schweiz – Honduras 3:0
Tag 13: Uruguay – Italien 1:0, Costa Rica – England 0:0, Griechenland – Elfenbeinküste 2:1, Kolumbien – Japan 4:1
Tag 12: Holland – Chile 2:0, Spanien – Australien 3:0, Mexiko – Kroatien 3:1, Brasilien – Kamerun 4:1
Tag 11: Belgien – Russland 1:0, Algerien – Südkorea 4:2, USA – Portugal unentschieden
Tag 10: Argentinien – Iran 1:0, Ghana – Deutschland 2:2, Nigeria – Bosnien und Herzegowina 1:0
Tag 9: Costa Rica – Italien 1:0, Frankreich – Schweiz 6 (oder waren es doch nur 5?) :2, Ecuador – Honduras 2:1
Tag 8: Kolumbien – Elfenbeinküste 2:1, Uruguay – England 2:1, Griechenland – Japan 0:0
Tag 7: Holland – Australien 3:2, Chile – Spanien 2:0, Kroatien – Kamerun 4:0
Tag 6: Belgien – Algerien 2:1, Brasilien – Mexiko 0:0, Russland – Südkorea 1:1
Tag 5: Deutschland – Portugal 4:0, Nigeria – Iran 0:0, USA – Ghana 2:1
Tag 4: Schweiz – Ecuador 2:1, Frankreich – Honduras 3:0, Argentinien – Bosnien und Herzegowina 2:1
Tag 3: Kolumbien – Griechenland 3:0, Costa Rica – Uruguay 3:1, Italien – England 2:1, Elfenbeinküste – Japan 2:1
Tag 2: Mexiko – Kamerun 1:0, Holland – Spanien 5:1, Chile – Australien 3:1
Tag 1: Brasilien – Kroatien 3:1
Gerd Lemkes WM-Tagebuch: Viertelfinale England - Portugal, Frankreich - Brasilien

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| Gerd Lemke | Rubrik: Sport, Fußball | 5.7.2018

England kann Elfmeterschießen

Achtelfinale 3+4: Brasilien – Mexiko 2:0. Belgien – Japan 3:2; Schweden – Schweiz 1:0, England – Kolumbien 1:1 n.V. 4:3 i.E.

Der Nachmittag ist da, ich habe frei und Brasilien spielt. Ich gehe zunächst nach Hause zum Kleiderwechseln. Noch ehe ich mich entschieden habe, wo ich das Spiel sehen möchte, schlüpft meine Lebensgefährtin MM aus dem Haus und ich bin alleine mit dem Kind. Also denn, auf ein Neues. Zunächst spielt das Kind noch mit seinen Spielsachen, ich vermerke, dass es eigentlich eine gute Idee wäre, den Nationalspielern das Mitsingen der Nationalhymne zu verbieten, dermaßen schauderhaft klingen die Darbietungen der beiden lateinamerikanischen Amateurchöre. Zum Glück verzichtet Brasilien auf die a capella Wiederholung wie im legendären Halbfinale 2014.

Das Spiel läuft erwartbar, Mexiko beherzt und mit viel Mut, doch wenig Genauigkeit im Abschluss, wenn es denn so weit kommt. Brasilien etwas überlegter und mit Neymar, der aber wirklich auch häufig gefoult wird. Das muss man zugeben, wohingegen seine Schauspielkunst jeder Beschreibung spottet. So würde er nicht mal eine Rolle im Kinderprogramm des Berlusconi-Fernsehen bekommen, zu unglaubwürdig, zu übertrieben.

Spielunterbrechung

Das Kind kommt zu Papa und hält mir einen langen emotionalen Vortrag. Ich interpretiere daraus Neugier am Geschehen in dem fernen Russenland, es könnte aber auch ein Vorwurf an mich gewesen sein, ihr endlich die Abseitsregel hinreichend zu erklären. Das Kind spricht ja noch alle Sprachen und die gleichzeitig, so ist es nicht immer klar, was es denn möchte. Ich nehme es auf jeden Fall hoch auf den Schoß, von dort klettert es auf den Tisch und räumt mal so richtig auf. Das ist mir lieber als seine Experimente mit Computertasten. Ich muss nur aufpassen, dass es die Teetasse nicht umkippt oder selbst vom Tisch fällt. An dem Tee findet es aber erstaunlicherweise Gefallen, es steckt immer wieder die Fingerchen hinein und schleckt sie dann ab. Ich fülle etwas davon in seine Trinkflasche und es trinkt den grünen Tee – ungesüßt - mit Genuss. Ich bin mir nicht sicher, ob das gut ist, denn auch grüner Tee enthält Tein – und das Kind scheint mir etwas später ein wenig aufgedrehter als sonst. Ich habe allergrößte Mühe, es von der Tastatur fernzuhalten, dafür opfere ich dann mein Smartphone und greife nur ein, wenn es jemanden anzurufen droht.

Egal, wie aufmerksam ich bin, es macht sich blitzschnell über die Tastatur her und in Null Komma Nichts muss das Spiel in Samara in der 32. Minute abgebrochen werden. Etwas indigniert versuche ich das Kind ins Bett zu legen und das Geschehen wieder in Gang zu setzen. Doch bis zum Anpfiff der zweiten Hälfte bleibt ein schwarzes Loch. Natürlich schläft das Kind nicht ein, warum sollte es auch, ich muss es wieder ins Spielzimmer nehmen, was eigentlich die ganze Wohnung mit Ausnahme der Toilette ist. Das Spiel geht dann einfach mit der zweiten Hälfte beim Stand von 0:0 weiter.

Gleiche Höhe und Vertikalpass

Ich versuche also nochmals, dem Kind die Abseitsregel beizubringen, doch mit dem Konzept „gleiche Höhe“ hat es sichtlich noch Schwierigkeiten und zeigt mit der Hand über seinen Kopf. Ich verschiebe dann auch die weitere Taktikschulung auf später, ich glaube nämlich nicht, dass es wirklich versteht, was ein „Vertikalpass“ ist. Tja, der Klinsmann, der hat ja nicht nur das Gesicht der Nationalmannschaft umgekrempelt, sondern gleich auch die Fußballsprache reformiert. Ein Vertikalpass ist demnach keineswegs eine Kerze, sondern das, was man früher so ungenau als „Steilpass“, später dann als „Pass in die Tiefe“ bezeichnet hat. Dann kam auch noch Jürgen Klopp hinzu, der hat das „Gegenpressing“ erfunden, wobei man wissen muss, dass das Konzept „Pressing“, anfangs noch in der englischen Schreibweise mit kleinem „p“ geschrieben, von Ernst Happel stammt, der das mit dem damals legendären HSV hat spielen lassen, der 1983 den Europapokal der Landesmeister gewonnen hat. Wirklich, so hieß früher mal die Champions League und daran durften nur die Landesmeister sowie der Titelverteidiger teilnehmen, dafür aber auch aus allen UEFA-Ländern. Nach Happel löste „Pressing“ das zuvor benutzte „Forchecking“ bzw. das deutsche „den Gegner früh angreifen und unter Druck setzen“ ab. Klopp hat dieses Konzept übernommen und auf Außenseitermannschaften angewendet, das heißt also, dass aus den systematischen Ballverlusten im eigenen Angriffsspiel eine Stärke gemacht wird, indem man den Gegner wieder „presst“. Einst sagte man dazu plump „nachsetzen“, aber damals gab es noch keine falschen Neunen mit Trikotnummern 27 oder 17, sondern nur richtige Neunen mit der Nummer Neun auf dem Rücken.

Neymar auch mal produktiv

Der Kopf des Kindes kippt bei meinem Vortrag immer mehr zur Seite, ich kann es jetzt ins Bett legen und das Führungstor von Neymar analysieren, vier Gegenspieler auf sich gezogen, den freien Mitspieler, der außen durchläuft, klug mitgenommen, selbst in einem kleinen Bogen vor das Tor gesprintet, wo der Ball dann auch prompt hinkommt, Fuß hingehalten, 1:0. Damit ist die Sache so gut wie gelaufen, Neymar stirbt auf dem Platz noch ein paar Tode – sterbender Schwan nannte man das einst -, bereitet die endgültige Entscheidung vor und Mexiko scheidet wie gewöhnlich im Achtelfinale aus.

Abends spielt Belgien. Bei dem schönen Wetter kann ich es einfach nicht übers Herz bringen, das Kind die ganze Zeit zu Hause zu lassen. Die Vorbereitungen von MM dauern, ich schaue schon mal den Beginn des Spiels an, in dem Belgien überraschend Japan nicht überrennt und an die Wand spielt, sondern auf einen ebenbürtigen Gegner trifft. So um die 20. Minute sind wir abmarschbereit und es geht in den Park. Ich wähle die Route so aus, dass wir pünktlich zum Anpfiff der zweiten Hälfte im Park mit dem Sandkasten, dem Grill und dem Bierausschank und vor allem mit der Leinwand ankommen. Wir finden einen Platz, allerdings weit vom Sandkasten entfernt. Ich stelle mich für zwei Bier an, da schießt ein Japaner das 1:0. Ich sitze noch nicht richtig, da schießt ein anderer Japaner das 2:0. Das Pärchen am Tisch feiert das mit echten Fritten, es stellt sich aber heraus, dass es sich keineswegs um Belgier handelt, sie kommen beide aus Wien.

Belgien vor dem Abgrund

Das Kind unterhält uns ebenso wie der Fußball, klettert auf den Tisch und möchte den Tischnachbarn die Zigaretten stibitzen, ich lasse das aber nicht zu. Wir kommen ins Gespräch, während Belgien geschockt wirkt und Japan Anstalten macht, nachzulegen. Der Wiener ist eigentlich Russe und bestätigt meine Vermutung, dass die russischen Spieler wahrscheinlich gedopt sind. Doch bevor wir dieses Thema vertiefen können – MM ist aufgestanden und hat mir wieder das Hüten des Kindes überlassen – macht Vertoengen (Schreibweise richtig?) mit einer unmöglichen Kopfballbogenlampe in den hinteren Winkel aus schier kosmischer Entfernung den Anschlusstreffer. Oha, jetzt ist aber was los und ich brauche dringend ein weiteres Bier. Belgien drängt auf den Ausgleich und der fällt auch, wieder ein Kopfball, diesmal etwas konventioneller nach einer Flanke, Fellaini ist zur Stelle, da ist er dahin, der überraschende japanische Vorsprung. Am Ende kontert Belgien den Außenseiter noch klassisch aus und macht mit der quasi letzten Aktion das Viertelfinale gegen Brasilien klar. Wir gehen anschließend nach Hause, d.h. das Kind und ich, denn MM muss noch irgendwohin weiterziehen.

Auf nach Westböhmen

Nächster Tag, es steht eine Autofahrt in die westböhmischen Weiten auf dem Programm, Ziel ist ein Kaff im Böhmerwald, wo ich Frau und Kind für ein paar Tage lassen kann. Die Ausschilderung dort ist vorbildlich, nach einer halben Stunde Suchens und Fragens fahre ich über eine Brücke, eine mittelalte Frau schaut mich böse an. Mir ist das egal, Hauptsache ich komme wieder auf eine Straße, ah, da kommen die Autos her, von rechts, über eine andere Brücke. Nun gut, ich werde sicher nicht den gleichen Weg zurück nehmen. Das Kind soll mal ein wenig Natur erleben und auch Kühe zu Gesicht bekommen. Nur leider scheint es keine zu geben, denn ich sehe kein einziges Exemplar, obwohl wir so auf dem Land sind, wie es platter nicht mehr geht, trotz der Hügel. Eine halbe Stunde später, das Kind ist bereits seit einer halben Stunde ungeduldig und verlangt nach der baldigen Ankunft, haben wir in dem Dorf dann auch den Bestimmungsort gefunden, eine umgebaute Mühle, die jetzt der gepflegten Stadtflucht mit Möglichkeit zu kreativer Betätigung dient. Ich fahre schnell weiter, ehe das Kind so richtig merkt, dass der Papa weg ist und begebe mich nach Deutschland, ist ja nur einen Steinwurf entfernt. Ich bin neugierig auf die dortige Presse.

Zwei Stunden später komme ich in Furth im Wald an. Die hervorragende Ausschilderung in Tschechien lässt mich so manches Rätsel lösen, wie denn der richtige Weg nach Deutschland einzuschlagen ist. Ich habe ganz vergessen, dass hier der letzte Ort vor der Grenze das Ende der bekannten Welt bedeutet und dass es keine Rolle spielt, was dahinter liegt, man weiß es nicht und will es auch nicht wissen.

Bayerischer Wald ohne Spiegel

Furth im Wald bietet mit kein einziges vertrauenswürdiges Geschäft, nach etwaigem „cruisen“, wie das auf Neudeutsch heißt, fahre ich weiter nach Cham. Dort gibt es so ein Gewerbegebiet und ich steuere einen Supermarkt an, der auch die einschlägige Presse verkauft. Da ist ja schon der Spiegel, freue ich mich kurz vor der Kasse. Ich nehme ein Heft, sehe jedoch ein anderes Titelcover als jenes im Internet angepriesene. Die Titelgeschichte ist Italien – wieso jetzt Italien, die sind doch bei der Weh Emm gar nicht dabei und haben ihre Regierungskrise hinter sich, wenn man das überhaupt so sagen kann, denn so weit ich zurückdenken kann, ist Italien eine permanente Regierungskrise. Das Heft ist vom 2.6., hm, ich werde stutzig, wir haben doch bereits Juli, oder? Ich schaue auf dem Smartphone nach, stimmt, es ist bereits Juli. Obwohl immerhin das Jahr stimmt, lasse ich das Heft liegen und begebe mich in einen größeren Supermarkt mit einer noch größeren Zeitschriftenabteilung. Erfolglos, es gibt auch keine überregionalen Tageszeitungen, nur den Chamer Anzeiger. Wenigstens nutze ich die Gelegenheit, mich mit ein paar Sonderangeboten einzudecken, der Supermarktsprecher ist immerhin so nett, ein Tor im Spiel zwischen Schweden und der Schweiz zu vermelden, Emil (der heißt doch so, oder?) Forsberg (das ist immerhin richtig) hat ein Tor geschossen, doch so richtig sein Tor war es auch wieder nicht, denn ein Schweizer, der auf den Namen „Akanji“ hört, hat den Fuß in den harmlosen Schuss gehalten und ihn für Torwart Sommer unhaltbar abgefälscht. Das ist wirklich sehr zuvorkommend vom Supermarktsprecher, den interessierten Fan auf dem Laufenden zu halten.

Preisnachlässe für Fanatikel

Ich lasse alle Fanartikel der deutschen Mannschaft links liegen, inklusive die Bierdosen in Schwarz-Rot-Gold und die preisreduzierten Trikots. Als ich den Supermarkt verlasse, ist die 80. Minute angebrochen, es steht immer noch 1:0. Beim Bezahlen fragt mich die Kassiererin mit hoffnungsvollem Gesicht, ob ich nicht einen Fußballer haben möchte, gratis. Ich antworte, warum nicht, der Mann hinter mir in der Schlange sagt, „hoffentlich ist es nicht der Özil“, worauf ich politisch korrekt antworte, sie haben alle schlecht gespielt. Die Weh Emm geht ja weiter, nur spielen und gewinnen eben jetzt andere. Das wird mir von der Kassiererin bestätigt.

Ich versuch es noch in Cham-Innenstadt und investiere 50 Eurocents in eine Parkuhr und bekomme eine halbe Stunde gratis hinzu. Das war die Fehlinvestition meines Lebens, ich gestehe es. Ich laufe ein wenig durch die Innenstadt, kann natürlich keinen Zeitschriftenladen finden, und fahre lange vor der bezahlten Parkzeit zurück nach Prag, unbehelligt über die Grenze, die auf deutscher Seite von einem riesigen Gebrauchtwagendepot und auf tschechischer Seite von einschlägigen Etablissements der Vergnügungsindustrie geprägt ist.

Der Weg über Land nach Pilsen zieht sich und zieht sich, ich verfluche die Straßen, die Lastwagen, die Verkehrskreiselwut an einigen Stellen – ist ja schlimmer als in Frankreich, dem Land des Verkehrskreisels schlechthhin, dann die langgezogenen Straßendörfer, die einen in regelmäßigen Abständen ausbremsen. Der Zeiger rückt voran, immer noch keine Autobahn in Sicht und gleich ist Anstoß. Mit dem Anpfiff stoße ich endlich auf die Autobahn – vor oder nach dem Tunnel bei Pilsen? - wette ich mit mir selbst. Vor dem Tunnel, doch danach geht es zügig Richtung Prag, wenn da nicht die Lastwagen wären, die sich im Schneckentempo überholen. Meine volle Wut bekommt ein bulgarischer Transporter ab, der sich vor mich auf die Überholspur setzt und nicht vom Fleck kommt. Drei Gestalten quetschen sich auf der Sitzbank hinter der Windschutzscheibe. Ich hasse Autofahren, das ist doch die langweiligste Tätigkeit der Welt, das ist voll öde, vor allem, wenn man kein Radio und keinen Gesprächspartner hat. Meine leichte permanente Geschwindigkeitsübertretung bleibt glücklicherweise ungesühnt, mit Anpfiff der zweiten Hälfte bin ich im Dunstkreis von Prag. Vor dem Haus finde ich gleich einen Parkplatz, ich räume noch schnell die Lebensmittel in den Kühlschrank und eile in Freds Bar. Der steht davor und macht ein bedauerndes Gesicht. Ich sage, ich weiß nichts, er meint aber, dass das Wasser in seiner Kneipe nicht funktioniert und ich woanders hin muss. Ob Schweden nun weitergekommen ist, kann ich von seinem Gesicht nicht ablesen, eile dann in eine andere Kneipe, wo ich einen englischen Bekannten entdecke. England führt mit 1:0, ich gehe aber weiter, denn in dem Restaurant riecht es mir zu sehr nach Fish and Chips. In der Punk-Kneipe ist es besser, ich trinke durstig mein Bier, dann noch eins. Plötzlich hält der Linienrichter eine Tafel mit der Zahl fünf hoch. Ich protestiere, ich will Verlängerung, habe doch kaum etwas vom Spiel gesehen und brauche mehr. Ein Kolumbianer tut mir tatsächlich den Gefallen und köpft den Ausgleich. In den letzten drei Minuten macht niemand mehr Unsinn und ich bekomme meinen Zuschlag.

Verlängerung und Elfmeterschießen

Während der Verlängerung sinniere ich darüber, warum die Weh Emm viel besser als die Eh Emm ist. Das liegt an den Südamerikanern, die gehen auch mal ins Eins-zu-Eins, wenn Europäer abspielen würden (früher nannte man das dribbeln, einen Gegner vernaschen, auf einem Bierdeckel ausspielen). In der deutschen Nationalmannschaft sieht man das ja fast gar nicht mehr, die Kolumbianer machen das, auch wenn es nicht sehr effektiv ist, aus reiner Freude am Vernaschen. Nun, die Verlängerung bringt nicht wirklich Aufregendes, zunächst sind eher die Kolumbianer am Drücker, dann die Engländer, ohne jedoch echte Chancen herauszuspielen. So geht es dann ins Elfmeterschießen, bei dem sich die vielen Stunden Training und psychologische Betrauung der englischen Spieler bezahlt machen. Die Mannschaft lässt sich auch von einem Fehlschuss nicht aus der Bahn werfen und hat Glück, dass der Kolumbianer anschließend den Ball unter die Latte hämmert, von wo der Ball wieder herausspringt, ähnlich wie Trezeguet im Finale der Weh Emm 2006, dem deutschen Sommermärchen. England gewinnt sein erstes Elfmeterschießen bei einem Turnier und hat plötzlich den Weg nach Moskau ins Finale offen, es geht gegen Schweden und den Sieger von Kroatien – Russland, durchaus machbare Aufgaben.

Zuhause packe ich mal meinen geschenkten Fußballer aus. Nein, der Özil ist es nicht geworden, sondern eine Tipp-Kick-Figur (Mann, ist das retro, voll achtziger) mit dem Trikot von Panama. Mal sehen, ob das Kind damit was anfangen kann.

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