Mechanisch gehe ich ins Rieger-Park-Stadion, doch ich bin nicht ganz bei der Sache. Das Spiel vom Vortag steckt mir noch gehörig in den Knochen und mein Magen hat tagsüber bedenkliche Ausfallerscheinungen. Zugegeben, das liegt auch am Essen, das ich mit Heißhunger gleich nach dem Aufstehen verschlinge und wahrscheinlich ein wenig zu lange außerhalb des Kühlschranks gestanden hat. Auf jeden Fall hat sich mein Magen nach etwa einer Stunde massiv dagegen gewehrt, es bei sich zu behalten. Ich versuche anschließend die alte Heilmethode Cola und Weißbrot, das hilft bedingt. Auf jeden Fall fühle ich mich nicht gerade in Partylaune, als ich das weite Rund des Rieger-Park-Stadions betrete und mechanisch ein Bier kaufe, quasi als obligatorisches Entgelt für den freien Eintritt. Das Bier bleibt zwar nicht unangerührt, doch ich kann mich nicht überwinden, es auszutrinken, eine Stunde lang. Ich nippe wie aus Pflichtgefühl an dem Getränk und sauge homöopathische Dosen ein, als wollte ich mich langsam an ein Gift gewöhnen um meinen Körper resistent zu machen.
Wiederholung Elfmeterkrimi
Tatsächlich habe ich im Internet nochmals nachgelesen, wie das mit dem Elfmeterschießen wirklich war. Jonas Hector war Schütze Nummer neun der Deutschen, anschließend wäre Benny Höwedes dran gewesen. Kroos schießt den ersten rein, dann vergibt ein Italiener, ebenso Müller, dann trifft ein Italiener, Özil an den Pfosten, wieder scheitert ein Italiener, Draxler zum Ausgleich, ein weiterer Italiener scheitert, Schweinsteiger drüber und noch drei Mal das gleiche Bild, ein Italiener trifft, ein Deutscher zieht nach, ehe dann ein Italiener verschießt und Hector zum Held des Abends wird. Hat ja auch den Ball nach feinem Pass von Gomez schön für Özil zu dessen Tor vorgelegt. So, dass zur Richtigstellung.
Taktik des schnellen Gegentors
Island probiert gegen Frankreich wieder die Taktik des schnellen Gegentors. Doch Frankreich spielt diesmal nicht so recht mit, denn es fällt kurz darauf noch ein Tor und kurz vor der Pause treffen Payet und Griezmann nochmals. Es ist Halbzeit, ich lasse einen Großteil des Biers stehen und begebe mich lieber in die heimatlichen Gefilde von Prag 7, in die Nähe einer Bedürfnisanstalt, zur Sicherheit. Im Vorbeigehen sehe ich, dass das Ergebnis zwischenzeitlich auf 5:1 geschraubt wurde, am Ende heißt es dann 5:2.
In Fred's Bar, wo ich einen Kräuterschnaps appliziere, der meinem Magen auf die Sprünge helfen soll, informiert mich ein Franzose, dass Deutschland der Angstgegner ist, gegen den sein Heimatland in einem Turnier stets verliert. Ich denke darüber nach, dann fällt mir 1958 ein, WM in Schweden, Spiel um Platz drei, Juste Fontaine mit vier Toren beim 6:3. Stimmt, gibt der Franzose zu, danach aber gab es nichts mehr zu gewinnen. Gut, die beiden Halbfinalschlachten von 1982 und 1986 habe ich noch in bester Erinnerung, dann war da das Viertelfinale vor zwei Jahren. Aber bei einer Eh Emm haben beide Mannschaften meines Wissens nach noch nie gegeneinander gespielt. Das ändert sich am Donnerstag im Halbfinale, wenn Gomez, Hummels und wohl auch Khedira nicht mitspielen können oder dürfen. Das Turnier fordert seine ersten Opfer auf deutscher Seite, aber so sind Turniere nun einmal. Spielen eben drei andere.
So, jetzt ist erst mal Fußballpause und in diesem Land stehen zwei Feiertage hintereinander an, zu Ehren der Slawenapostel Cyril und Method und im Gedenken an die Verbrennung des Ketzers bzw. Kirchenreformers Jan Hus. Das fühlt sich wie ein echter Urlaub an. Bis dahin sollte sich mein Magen auch wieder erholt haben.