Der Marketingmaschine des qatarischen Fußballinvestments marschiert aufs Traumfinale, einer der leitenden Angestellten des privatwirtschaftliche Zweigs Paris-St. Germain wird sich am Sonntag die Krone aufsetzen. Die Narrative sind bereits fertig: Messi setzt sich am Ende seiner Karriere auf den Thron. Oder: Mbappé auf den Spuren von Pelé.
Fußball und Glühwein funktionieren, wenn auch nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Vor dem ersten Halbfinale lege ich mich noch kurz hin, um frisch beim Anpfiff zu sein. Meine Tochter legt sich zu mir und schläft tatsächlich zwischen 19h und 20h ein und danach durch! Ich selbst rappele mich kurz vor dem Anpfiff hoch, bin bei den ersten Aktionen auch noch nicht so ganz bei der Sache, mache zum Glück keinen spielentscheidenden Fehler.
Spielverlauf wie zu erwarten
Als ich dann meine während dieser WM beständig zweigeteilte Aufmerksamkeit endlich auf das Geschehen im fernen Qatar lenke, bemerke ich schnell, dass das Spiel seinen erwarteten Verlauf nimmt. Kroatien ist um Spielkontrolle bemüht, Argentinien um geradlinige Angriffe. All die Taktiererei ist aber schnell über den Haufen geworfen, Kroatien gerät noch in der ersten Hälfte mit zwei Toren in Rückstand und damit ist das Spiel eigentlich gelaufen. Den Männern von der Adriaküste fehlt diesmal einfach das Glück vom Viertelfinalspiel gegen Brasilien, sie kassieren einen blöden Elfmeter, aber fragen wir mal: Wo soll der Torwart denn hin, er kann sich ja nicht in Luft auflösen, wenn der Stürmer ausgerechnet dort durchbrechen will, wo der gerade noch versucht, seine Körperfläche maximal zu vergrößern, im 1:1 gegen den Stürmer?
Messi hämmert Elfmeter rein
Messi ist es egal, er hämmert den Ball ins linke Eck unter die Latte. An die Stelle, die für den Torwart unerreichbar ist, wie ein Elfmetertheoretiker ausgeführt hat. Ja, warum schießen denn nicht alle Schützen genau dorthin? Weil diese Stelle so schwer zu treffen ist, erklärt der Theoretiker weiter, die Höhe eines Schusses ist weit schwerer beherrschbar als die Abweichungen der seitlichen Parameter. Da kann man bei Harry Kane, Roberto Baggio, Uli Hoeneß oder Lothar Matthäus und vielen anderen mehr nachfragen. Auch dieser Elfmeter ist also ein Meisterstück des (noch) ungekrönten Königs.
Argentinien hat nicht nur Messi
Argentiniens Stürmer Alvárez geht dann in einem Konter nach direkt weitergeleitetem Pass von, ja wem auch anders, Messi einfach schnörkellos durch zwei Verteidiger durch und schließt am vollkommen hilflosen Torwart ab. Auch so kann man Dribblings erfolgreich abschließen, denke ich mir, sich von den Abwehrspielern anschießen lassen. In der zweiten Hälfte macht Messi den Deckel endgültig drauf, dribbelt Kovačević am Fünfmeterraum bis zur Außenlinie drei Knoten in die Beine und serviert Alvárez dessen zweites Tor auf dem Silbertablett.
Kroatiens ausgeglichene Bilanz
Mission Messi muss Meister... bis dahin erfüllt und Koratien schrumpft im Halbfinale auf das Maß zusammen, das diese Mannschaft hat. Im dritten (von sechs) Spielen kein eigenes Tor geschossen, nur ein Spiel nach 90+ Minuten gewonnen, das gegen die punktlosen Kanadier, durch ein glückliches Unentschieden gegen glücklose Belgier aus der Gruppe weitergekommen – so sollte kein WM-Finalist aussehen.
Frankreich zielgerichtet
Zweiter Teil des Marketing-Traumfinaleinzugs, leider hat das Spiel Frankreich gegen Marokko zunächst nur meine zweigeteilte Aufmerksamkeit. (Die Arbeit, ach ja!) Früh geht der Favorit in Führung, ein Verteidiger macht's, Theo Hernandez. Wie die erste Hälfte weiterläuft ist schwer zu beurteilen, Giroud trifft den Pfosten, aber auch Marokko hat seine Chancen. Zieht sich Frankreich absichtlich zurück, wie auch gegen England, um im günstigen Moment wieder zurückzuschlagen, oder zeigt Marokko bisher ungeahnte Offensivkraft?
Marokkos Holzerei ohne Folgen
Ich beschließe der Sache in der zweiten Hälfte auf den Grund zu gehen, doch bereits nach einigen Minuten verfluche ich den Schiedsrichter, hat der keine gelben Karten eingesteckt? Marokko spielt in der Defensive Holzhacker-Fußball ohne vom Schiedsrichter dafür belangt zu werden. Ein Wunder, das Mbappé das übersteht, auf der Tribüne dürfte die qatarische Delegation unruhig geworden sein, Frankreich im Finale ohne Mbappé ist ja nur der halbe Marketingeffekt. Zum Schiedsrichter ist wohl kein Durchkommen, also beordert man Trainer Deschamps, etwas dagegen zu unternehmen.
Frankreich wechselt Bundesliga ein
Der französische Trainer wechselt aus und bringt Thuram von Mönchengladbach und setzt den gegen die rechte marokkanische Abwehrseite ein, Mbappé zieht er in die Mitte. Thuram beschäftigt gleich mal die Abwehrspieler, die ihn nur durch ein taktisches Foul vom Eindringen in den Sechzehner abhalten können – immer noch keine Verwarnung. Frankreich spielt hinten noch ein paar Mal mit dem Feuer, doch die Innenverteidigung schafft es jedes Mal rechtzeitig, die Räume im Fünfmeterraum so zu verdichten, dass letztendlich kein Durchkommen ist. Dann hat Mbappé noch seinen Messi-Moment, lässt auf engstem Raum ein, zwei Gegenspieler stehen und sein abgefälschter Pass – oder hätte es ein, wenn auch harmloser, Abschluss werden sollen? - landet beim Frankfurter Muani (ebenfalls eingewechselt), der den Ball nur einzudrücken braucht. Das reicht dann, Frankreichs Effizienz steht im Finale und Mbappé ist unverletzt geblieben.
Folgende Fragen werden nach der WM interessant werden: Wer kauft die von Qatar angebotenen Aktien des Pariser Vorortvereins? Darf Mbappé gehen? Was macht Messi nächsten Sommer? Wie viele Marokkaner wechseln den Verein? Welchen WM-Torwart kauft Bayern München?